Newsletter Netzwerk Recherche 245 vom 30.05.2025

veröffentlicht von Greta Linde | 30. Mai 2025 | Lesezeit ca. 9 Min.

Liebe Kolleg:innen,

recherchieren bedeutet heute mehr denn je, Angriffen und Einschüchterungen standzuhalten, um das zu tun, was unsere Aufgabe ist: genau hinschauen und Missstände ans Licht bringen.

Auch deshalb ist die Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche am 13. und 14. Juni beim NDR in Hamburg relevant. Sie ist ein Ort, an dem wir gemeinsam nachdenken, streiten und uns stärken können.

In diesem Jahr geht es wieder um die großen Themen: Wie verändert Künstliche Intelligenz unseren Berufsalltag? Wie schützen wir unsere Quellen – und uns selbst? Und wie begegnen wir denen, die unsere Arbeit delegitimieren wollen? Es geht aber auch um die vielen kleinen Kämpfe, die oft unter dem Radar laufen – etwa um faire Bezahlung freier Kolleg:innen, um mehr Vielfalt in Redaktionen, um investigativen Journalismus jenseits der großen Städte.

Ich freue mich auf den Austausch mit Euch, kluge Diskussionen und überraschende Perspektiven.

Bis bald in Hamburg.

Eure
Annelie Naumann

Annelies Tipps des Monats

Braune Kinderzimmer

Acht Monate lang recherchierte Reporterin Angelique Geray undercover in der Neonazi-Szene. Gegen die mutmaßlich rechtsextreme Terrorzelle „Letzte Verteidigungswelle“ ermittelt inzwischen der Generalbundesanwalt. Die vollständige Recherche von RTL und Stern gibt es hier und hier. Save the Date: Bei unserem nächsten NR-insights am 2. Juli sprechen wir mit den Journalist:innen über diese Recherche. Exklusiv für unsere Mitglieder – nähere Informationen folgen.

Offener Prozess

Am 25. Mai wurde in Chemnitz das bundesweit erste NSU-Dokumentationszentrum eröffnet. Es erinnert an die Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ – und ist das Ergebnis jahrelangen Engagements von Betroffenen und zivilgesellschaftlichen Initiativen.

In die Sonne schauen

„In die Sonne schauen“ ist ein deutscher Spielfilm von Mascha Schilinski und hat dieses Jahr in Cannes den Preis der Jury gewonnen. Der Film erzählt von vier Mädchen, die zu unterschiedlichen Zeiten auf demselben Bauernhof in der Altmark gelebt haben – und deren Leben dennoch verbunden sind. Hier gibt’s den Trailer.

Eigenanzeige. Illustration: Vincent Burmeister

Aus dem Netzwerk Recherche

NR25: Harte Zeiten, Harte Fakten

Krisen, Kriege, rechte Netzwerke, Machtmissbrauch. Auf unserer Jahreskonferenz geht es um harte Realitäten und um die journalistische Verantwortung, diese sichtbar zu machen. Im Sinne dieses Schwerpunkts möchten wir auf diese drei Panels hinweisen:
Recherchieren bei Rechtsextremen – offen und undercover
Diese Recherche hatte es bereits oben in Annelies Recherche-Tipps des Monats geschafft. Wir haben das Team von Stern/RTL auch auf der Jahreskonferenz.
Leid dokumentieren, Leid erleben: Journalismus in Krisen- und Kriegsregionen
Emran Feroz (freier Journalist), Rabea Stückemann (Autorin und Traumaberaterin) und Sophia Maier (freie Journalistin) über das Arbeiten an der Frontlinie und die Folgen für Körper und Psyche, moderiert von Sarah Ulrich (freie Reporterin).
Zu sexualisierter Gewalt im Sport recherchieren
Jonathan Sachse, Jonas Hummels (beide CORRECTIV) und Andrea Schültke (frei für WDR) geben Einblicke in ihre Recherchen. Moderiert von Julia Friedrichs (Tellmewhy).
Teilweise könnt ihr diese Panels auch im Stream sehen, solltet ihr kein Ticket für die Jahreskonferenz bekommen haben. Alle Sessions in den Räumen K1, K3 und K10 werden aufgezeichnet oder gestreamt. Die Links dazu teilen wir mit euch über unser Programm.
Highlights der Konferenz teilen wir über Instagram, näheres zu unseren verschiedenen Preisträger:innen erfahrt ihr während der Konferenz auch über unsere Website.

Medien als Brandbeschleuniger?

Netzwerk Recherche beteiligt sich als Praxispartner an einem internationalen Forschungsprojekt zum Zusammenhang zwischen Medienberichterstattung und gesellschaftlicher Polarisierung. Das von der Volkswagen Stiftung geförderte Vorhaben wird in den kommenden drei Jahren analysieren, wie Redaktionen in Deutschland, Schweden, Polen und Spanien über polarisierende Themen berichten und welche Folgen dies für die Gesellschaft hat. Die Ergebnisse des Projekts mit dem Kurztitel „Fuel2theFire“ werden gemeinsam mit Medienschaffenden diskutiert und in Form von praxisnahen Empfehlungen für Redaktionen aufbereitet.

Helpline-Tour in Süddeutschland

Mit zwei weiteren Runden Tischen in Stuttgart (25. Juni, 14 bis 16 Uhr) und München (26. Juni) endet die Veranstaltungsreihe, bei der die Helpline redaktionelle Führungskräfte zu Gesprächsrunden zum Thema mentale Gesundheit im Journalismus einlädt. Die vertraulichen Treffen haben das Ziel, sich über Angebote und Strategien auszutauschen, die betroffenen Mitarbeitenden helfen können. Bei Interesse an der ca. zweistündigen, kostenlosen Veranstaltung bitte bei malte.werner@netzwerkrecherche.de anmelden.

Neue Website

Nach dem neuen Corporate Design im März 2023 – inklusive neuem Logo – haben wir bereits unsere Newsletter, den Mitgliederbrief, unsere Social-Media-Kanäle und die Publikationen an den neuen Auftritt angepasst. Seit Kurzem ist auch unsere Website im frischen Design online. Der Relaunch wurde durch eine Förderung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt sowie in Zusammenarbeit mit der Berliner Agentur Formlos ermöglicht.

Inspiration Day

Save the Date: Am 15. Oktober 2025 habt ihr beim Inspiration Day von MIZ Babelsberg, mabb und NR erneut die Gelegenheit, neue journalistische Ideen und Formate kennenzulernen, auszuprobieren und Feedback zu geben. Mit dabei sind acht Teams aus den MIZ-, mabb- und NR-Förderprogrammen – vom Lokalmagazin Gerda aus Thüringen über das Datenportal HowTheyVote.eu bis zum Podcast-Format aus dem Brandenburger Havelland.

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GIJN Deutsch

Internationale Recherche des Monats: Russlands „Geisterhäftlinge“

… oder: Die Recherche, die Viktoriia Roshchyna das Leben kostete. Die ukrainische Journalistin Viktoriia Roshchyna wurde im Oktober 2024 in russischer Gefangenschaft für tot erklärt, nachdem sie monatelang heimlich in der russisch besetzten Ukraine und in einem russischen Gefängnis festgehalten worden war. Forbidden Stories hat in dieser Recherche ihre Inhaftierung und ihren Tod im Anschluss an eine Reportagereise nach Saporischschja rekonstruiert.

GIJN auf der #NR25

Auch in diesem Jahr wird das Global Investigative Journalism Network auf der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche vertreten sein. Kommt zum Meet-Up am 14. Juni um 9:15 Uhr, haltet Ausschau nach unserem Stand und sprecht uns an, wenn ihr in Kontakt kommen wollt. Sarah Ulrich, German Editor, und Alexa van Sickle, Associate Editor, werden vor Ort sein. Gerne könnt ihr auch vorher schon eine Mail an gijn.deutsch@gijn.org schreiben. 

GIJC25: Jetzt Ticket sichern

Im November findet wieder die Global Investigative Journalism Conference #GIJC statt – dieses Jahr in Malaysia. In den kommenden Wochen wird das Programm veröffentlicht. Tickets könnt ihr euch schon jetzt hier sichern.

Nachrichten

Pressefreiheit auf Tiefstand – Deutschland rutscht aus den Top 10

Das ernüchternde Ergebnis der aktuellen Rangliste der Pressfreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ (RSF): Die globale Lage der Pressefreiheit befindet sich auf einem historischen Tiefstand. In 90 von 180 beobachteten Ländern ist die Situation für Medienschaffende „schwierig“ oder „sehr ernst“. Grund dafür sind Autoritarismus, kritische Sicherheitslagen und wirtschaftlicher Druck. Deutschland ist aus den Top 10 gerutscht und belegt nun Rang 11. Hierzulande stellen vor allem Berichte über das rechte Milieu, die AfD und den Nahostkonflikt für Medienschaffende eine große Herausforderung dar.

Kulturstaatsminister kritisch gegenüber Journalismus-Förderung

Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sieht die Förderung journalistischer Projekte kritisch. „Ich bin grundsätzlich skeptisch, wenn der Staat anfängt, sich in den Journalismus einzumischen, egal, wie gut das Motiv dafür ist“, sagte er der Welt in einem Interview (€). Der Deutsche Journalisten-Verband widersprach und forderte, Förderungen voranzubringen statt auszubremsen. Diese müsse allerdings in größtmöglicher Distanz zum Staat erfolgen.

Eigenanzeige: Inspiration Day 2025, 15. Oktober 2025, MIZ Babelsberg

Veranstaltungen, Preise & Stipendien

Erinnerung: Media Founders Program

Das Media Founders Program vom Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) unterstützt Mediengründer:innen mit bis zu 40.000 Euro finanzieller Förderung, individuellen Coachings und Beratung bei der Produkt- und Unternehmensentwicklung. Bewerbungen sind noch bis zum 1. Juni 2025 möglich.

Mit einem Stipendium nach UK oder Nahost

Mit dem George Weidenfeld Journalistenstipendium der Organisation „Internationale Journalisten-Programme“ (IJP) können Journalist:innen (auch Volontär:innen) im Herbst 2025 sechs bis acht Wochen bei einem britischen Medium arbeiten. Das Stipendium umfasst außerdem 3.800 Euro und eine Einführungsveranstaltung in London. Während des Aufenthalts berichten die Stipendiat:innen weiter für ihr Heimatmedium.
Ebenfalls ausgeschrieben ist das Deutsch-Nahost Programm. Dieses Stipendium umfasst einen zweimonatigen Aufenthalt in Ägypten, Jordanien, Libanon, Palästina oder Israel im November und Dezember 2025, dazu 5.000 Euro und eine Einführungsveranstaltung in Berlin. Bewerbungsschluss für beide Programme ist am 15. Juni 2025.

Journalismus als Liveshow

Die Journalismus-Show Jive ist zurück: Sechs Reporter:innen berichten dem Publikum von ihren außergewöhnlichen Recherchen – musikalisch begleitet vom Improvisationsorchester Stegreif. Die nächsten Termine sind am 13. und 14. Juni in Berlin und am 18. Juni in Hamburg.

Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest

Filmemacher:innen, Produzent:innen und Co. aufgepasst: Das Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest ruft zum Einreichen von dokumentarischen, experimentellen und künstlerischen Filmen auf. Alle Filmemacher:innen, die dann im Programm vertreten sind, werden zur Diskussion ihrer Arbeiten nach Kassel eingeladen, mit Reiskostenzuschuss sowie Zahlung einer Leihmiete. Außerdem werden insgesamt sechs Festivalpreise vergeben. Das Fest findet vom 18. bis 23. November 2025 statt, die Einreichungsfrist endet am 24. Juni 2025.

Mercator-Journalists in Residence

Medienschaffende, die sich mit gesellschaftlichen und politischen Fragen des Finanzsektors beschäftigen, können sich auf das Mercator-Journalists in Residence Programm bewerben. Die Residenz dauert vier Wochen und wird von ZEVEDI und der Stiftung Mercator im Rahmen des Projekts „Demokratiefragen des digitalisierten Finanzsektors“ angeboten. Bei dem Programm erhalten die Stipendiat:innen 4.000 Euro und können sich an der ZEVEDI-Geschäftsstelle der TU Darmstadt einem Forschungs- oder Praxisvorhaben widmen, das den digitalen Wandel des Finanzsektors und damit verbundene gesellschaftliche Probleme thematisiert. Eine Bewerbung ist jederzeit möglich.

Stipendium der Hapag-Lloyd Stiftung

Mit Stipendien in Höhe von 5.000 Euro unterstützt die Hapag-Lloyd Stiftung gezielt freie Journalist:innen, den berufsbegleitenden Master Digitaler Journalismus an der Hamburg Media School zu studieren. Bis zum 15. Juli 2025 läuft die Bewerbungsfrist.

Fortbildungen

Zum Schluss

Malte Werner für NR auf der Dataharvest. Foto: Layla Aerts

NR auf der Dataharvest

Mit einem letzten Vortrag auf der Dataharvest in Mechelen (Belgien) endete vorerst das „Journalism Value Project“. Die anschließende Diskussion mit Vertreter:innen der EU Kommission und der Stiftungslandschaft über Journalismus-Förderung in unsicheren Zeiten war geprägt von einem pragmatischen Realismus: Es ist, wie es ist. Machen wir das beste draus!

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