Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in den vergangenen Monaten haben wir Journalisten viel ueber unsere Haltung debattiert, untereinander und auch mit Lesern, Hoerern und Zuschauern. Es ging um die Berichterstattung ueber Fluechtlinge und die Frage, wann es richtig und wichtig ist, Haltung zu zeigen. Es ging auch darum, ob eine politische Einstellung den Blick auf die Wirklichkeit verengen kann. Es gab die “Luegenpresse”-Choere und einen Vertrauensverlust in die Medien, leider bei mehr Menschen als den Pegida-Anhaengern.

Die Ankunft einer grossen Zahl von Fluechtlingen in Deutschland war eine besondere Situation, in der viele Journalisten auf neue Art und Weise ihre Rolle gesucht, ueberdacht und hinterfragt haben.

Es gibt aktuell ein weiteres, verwandtes Thema, das uns dazu bringt, ueber unsere Rolle nachzudenken: Wie umgehen mit Rechtspopulisten? Das ist kein Problem, das nur deutsche Journalisten haben: In den USA ist der republikanische Praesidentschaftsbewerber Donald Trump auf dem Vormarsch, in Oesterreich die rechte FPOe und in Deutschland ist die AfD bereits in acht Landesparlamenten vertreten.

Journalisten wurde bereits der Vorwurf gemacht, sie haetten geholfen, die AfD gross zu machen, schon weil deren Politiker haeufig in Talkshows eingeladen wurden. Also besser ignorieren?

Dass das keine Loesung ist, merkten Politiker der etablierten Parteien als sie vor den Landtagswahlen im Maerz TV-Gespraechsrunden mit AfD-Politikern boykottierten. Das kam beim Publikum nicht gut an. Auch die Strategie, AfD-Vertreter mit ‘knallhart’ gefuehrten Interviews entlarven zu wollen, funktionierte nur selten. Im Gegenteil, manchmal gewannen AfD-Leute noch Sympathien, weil sie von Journalisten so deutlich aggressiver angegangen wurden als andere Gespraechspartner.

In den USA hat eine Debatte ueber die Trump-Berichterstattung begonnen. Viele Kommentatoren hatten ihn zunaechst unterschaetzt oder als Witzfigur abgetan. Ausfuehrlich wurde ueber seine Parolen, seine Sprueche, seine Entgleisungen berichtet. Nichts davon scheint ihm sonderlich geschadet zu haben. Zu kurz aber kam das Mittel der Recherche. Trumps Geschaefte, seine finanziellen Verflechtungen haette man frueher und gruendlicher untersuchen koennen. Die US-Kollegen haetten sich auch schneller ernsthaft mit den potenziellen Folgen seiner politischen Vorschlaege auseinandersetzen koennen – selbst wenn die oft widerspruechlich und scheinbar indiskutabel sind.

Angewendet auf die Berichterstattung ueber die AfD in Deutschland wuerde das heissen: Lieber einmal weniger empoert kommentieren, lieber nicht ueber jedes Stoeckchen springen, das die Partei hinhaelt, sondern recherchieren: Welche Widersprueche gibt es im Parteiprogramm, in den politischen Positionen? Wie arbeiten die Abgeordneten der Partei in den Parlamenten? Genuegen die Parteimitglieder ihren eigenen Anspruechen? Ist bei den Rechtspopulisten alles so sauber, wie sie Deutschland angeblich machen wollen? Recherchen koennen manchmal besser entzaubern als Kommentare und blanke Abgrenzung.

In diesem Sinne gruessen Sie
Ihr Albrecht Ude und Cordula Meyer

 

## Inhaltsverzeichnis.

01: Editorial

Abschnitt Eins: In Eigener Sache
02: nr-Jahreskonferenz am 8./9. Juli

Abschnitt Zwei: Veranstaltungen
03: Unterstuetzen: Verfassungsbescherde gegen Vorratsdatenspeicherung
04: Printjournalisten fuer Kurzinterviews gesucht
05: Jetzt anmelden fuer die Dataharvest
06: 2. Koelner Forum fuer Journalismuskritik
07: #Krassmedial: Medienarbeit heute und morgen – dju-Medientage
08: Bewerbungsaufruf : M100 Young European Journalists

Abschnitt Drei: Nachrichten
09: TTIP-Leaks
10: “Data Journalism Manifesto” betont europaeische Zusammenarbeit
11: Neue OBS-Studie: “Journalist oder Animateur – ein Beruf im Umbruch”
12: Gegen Deutschland sieht Panama alt aus
13: Algorithm-Watch
14: Wider die sprachliche Vertuschung
15: Big Brother Awards 2016

Abschnitt Vier: Seminare, Stipendien, Preise
16: UmweltMedienpreis der Deutsche Umwelthilfe (DUH)
17: Bundestags-Hospitanzprogramm fuer Journalisten 2016
18: Kolleg “Tauchgaenge in die Wissenschaft” zu Big Data
19: “Spielraum”-Recherchestipendium fuer junge Sportjournalisten
20: Seminare mit Recherchebezug

Abschnitt Fuenf: Pressespiegel
21: Bemerkenswerte Recherchen
22: Journalismus
23: Journalismus und PR
24: Ueberwachung

22: Link-Index
23: Technische Hinweise
24: Impressum

 

Nr. 137 vom 25.05.2016 [TXT]