Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 141, 26.09.2016
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
vor kurzem jaehrte sich Angela Merkels Entscheidung, die Fluechtlinge vom Budapester Hauptbahnhof nach Deutschland zu holen – die Entscheidung fuehrte dazu, dass die Grenze monatelang offen war und im vergangenen Jahr wohl um die 800.000 Fluechtlinge nach Deutschland kamen.
Wie es dazu kam, haben etliche Medien aufgearbeitet: Schiffsungluecke auf dem Mittelmeer mit mehreren hundert Toten hatten die Oeffentlichkeit, Politiker und Journalisten aufgeschreckt. Dann wurden 70 Menschen von Schleusern in einen Kuehllaster gepfercht, sie erstickten qualvoll. Und es gab das kaum zu ertragende Bild des Fluechtlingsjungen Aylan Kurdi tot am tuerkischen Strand. Es schien damals, als koennten wir in Deutschland all das nicht ertragen, es war eine humanitaere Notwendigkeit zu helfen, auch den Menschen, die im Dreck am Bahnhof Keleti gestrandet waren.
Und heute?
Wir Journalisten berichten nun viel ueber die Fluechtlingsdebatte:
Wie die AfD die Zahl der Fluechtlinge fuer ihre Zwecke nutzt, wie CSU und Teile der CDU einen Kotau der Kanzlerin erzwingen wollen. Sie soll ihre Fluechtlingspolitik als Fehler bezeichnen, eine Abkehr auch in Worten vollziehen, denn in der Sache hat sie die Abkehr laengst vollzogen.
Wenig berichten wir ueber das Schicksal der Menschen, die heute aus Syrien fliehen.
Die Balkanroute ist weitgehend geschlossen, mit dem Tuerkei-Deal hat die Kanzlerin der Regierung in Ankara die Aufgabe uebertragen, dafuer zu sorgen, dass nicht so viele Menschen an die EU-Grenzen kommen. Wir berichten viel ueber Parteipolitik und den Satz “Wir schaffen das”. Und vielleicht ist heute allen klarer als vor einem Jahr, dass es keine einfachen Loesungen des Fluechtlingsproblems gibt. Wenige Deutsche glauben, dass Deutschland jedes Jahr eine knappe Million Fluechtlinge aufnehmen kann und soll.
Doch die humanitaere Situation von Menschen, die vor Krieg und Buergerkrieg fliehen, hat sich kaum verbessert. Jene, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, sind in Sicherheit. Aber auf dem Mittelmeer werden in diesem Jahr wohl mehr Menschen sterben als 2015, schon jetzt sind es 3200.
An der tuerkisch-syrischen Grenze harren Menschen im Elend aus. Was passiert mit den Menschen aus dem geraeumten Lager in Idomeni? Was mit jenen, die auf den griechischen Inseln ausharren?
Unsere politische Debatte dreht sich weiter, Journalisten richten ihre Aufmerksamkeit auf Anderes. Aber auch wenn sich damit keine einfache politische Forderung verbindet, ist es unsere Aufgabe, wieder und wieder auf die Zustaende an den Grenzen hinzuweisen. Aufzuzeigen, dass jeden Tag Menschen sterben, bei dem Versuch nach Europa zu gelangen. Und in welchem Elend sie leben. Dass dies keine Situation ist, die wir schulterzuckend hinnehmen koennen und die wir der Politik vorhalten muessen, wieder und wieder. Wenige Politiker werden darin ein Gewinner-Thema sehen, diese Zustaende im oeffentlichen Bewusstsein zu halten. Journalisten muessen dieses Leid immer weiter dokumentieren, damit wir alle es nicht vergessen.
Es gruessen,
Cordula Meier,
Albrecht Ude
## Inhaltsverzeichnis.
01: Editorial
Abschnitt Eins: In Eigener Sache
02: Tag des Non-Profit-Journalismus 2016
03: Stipendienprogramm Grow: Frist verlaengert, jetzt bewerben!
04: nr-Stammtisch Berlin: Horand Knaup ueber politische Berichterstattung
05: nr Stipendien
Abschnitt Zwei: Veranstaltungen
06: Unterzeichnen: Petition gegen das BND-Gesetz
07: Studie zu Potenzialen und Risiken von digitaler Kommunikation in der Quellenarbeit
08: “The power of the crowd” European Media Freedom Conference in Leipzig
09: Entrepreneurship Summit 2016 in Berlin
10: Medienpolitische Tagung der OBS – Verleihung der “Otto Brenner Preise fuer kritischen Journalismus”
11: Call for Participation: 33rd Chaos Communication Congress
12: ver.di Journalistentag 2017
Abschnitt Drei: Nachrichten
13: Neuregelung des Bundesarchivgesetzes: Bundesnachrichtendienst will selbst ueber Abgabe von Akten entscheiden
14: Zehn Jahre Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene – Zeit fuer eine Weiterentwicklung
15: Chaos Computer Club testet Redaktionen mit Hoax-Website
16: Correctiv ruft neue Recherche-Plattform ins Leben
17: First Draft hilft beim Quellencheck
18: OBS Arbeitsheft “Die Griechen provozieren!”
Abschnitt Vier: Seminare, Stipendien, Preise
19: Reporterpreis
20: European Journalism Centre vergibt Stipendien zum Thema Globale Gesundheit
21: vfm-Seminar “Social Media und Data Mining”
22: ifp-Seminar Recherche intensiv – Auf verschlungenen Pfaden
23: Seminare mit Recherchebezug
Abschnitt Fuenf: Pressespiegel
24: Journalismus
25: Journalismus und PR
26: Informationsfreiheit
27: Ueberwachung
28: Link-Index
29: Technische Hinweise
30: Impressum