Liebe Kolleg:innen,

mit jeder Zeile, die wir Journalistinnen und Journalisten über einen Angriff im Wahlkampf schreiben, stellt sich die Frage, ob wir dadurch zu Nachahmungen inspirieren. Mit jedem Stück, das wir über die militante Rechtsextremisten-Szene schreiben, stellt sich die Frage, ob wir Möchtegern-Nazis damit nicht auch noch den Gefallen tun, sie groß und prominent zu machen.
Das ging mir durch den Kopf, als ich Anfang Mai in der Redaktion saß und vom Angriff auf die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckhardt erfuhr. Es war so absehbar, dass es Nachahmer geben würde. Vier davon waren dann daran beteiligt, in Dresden den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke ins Krankenhaus zu prügeln.

Die Medien haben weder Schuld an den Nachahmern, noch können sie sie verhindern. Das Berichten zu unterlassen, widerspräche nicht nur den journalistischen Grundsätzen, sondern liefe auch auf eine Verharmlosung raus. Die Gefahr, die von Rechtsextremen in Parlamenten und im gesellschaftlichen Umfeld ausgeht, ist zu groß. Und trotzdem hat praktisch jede Redaktion diese Diskussion schon einmal geführt.

Der Spiegel-Titel vom 11. Mai macht aus Olaf Scholz (narrativ) eine Zielscheibe. Ist das nicht ein Motiv, das jeder Rechtsextreme sich als Bildschirmschoner einrichten möchte? Und die Woche drauf zeichnet sich dann auf der Spiegel-Titelseite das überdeckte Hakenkreuz in der deutschen Fahne ab. Wie viel Ehre will man Neonazis erweisen? Kein Spiegel-Bashing an dieser Stelle! Die Kolleginnen und Kollegen machen tolle Arbeit und setzen damit ja dankenswert klare Zeichen gegen Rechtsextremismus. Die Motive illustrieren nur den Grenzgang, den wir alle bewältigen müssen. Und ich gestehe, dass mich dabei ein mulmiges Gefühl beschleicht.

Eure

Barbara Junge

 

 

 

Barbaras Tipps des Monats

Das Zielscheiben-Narrativ

Für diejenigen, die den Spiegel-Titel nicht gesehen haben, gibt es hier noch einmal die Scholz-Coverstory des Magazins. Macht euch selbst einen Eindruck davon, wie das Cover auf euch wirkt. In der Geschichte setzen sich die Autor:innen dann insbesondere mit dem Täterumfeld in Sachsen auseinander und mit einer Jugendszene, in der so etwas gären kann.

Sind die Neunziger wieder da?

Eine Frage taucht im Kontext der Angriffe auf Politikerinnen und Politiker gerade in vielen Gesprächen auf: Kommen die Baseballschläger-Jahre wieder? Oder, wie es Christian Bangel in seinem Essay formuliert: Sind die Neunziger wieder da? Die Erinnerungen an diese Zeit sind schnell zu reaktivieren. Die Zeit war krass. Und jetzt schreibt der Kollege, die Angst gehe um – „vor allem im Osten, wo sie Erinnerungen an die düsteren Zeiten weckt, in denen der Baseballschläger regierte.“

Über Rechtsextreme reden

Mit der Fragestellung „Über Rechtsextreme reden?“ setzt sich auch das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) auseinander und gibt Empfehlungen für die mediale Berichterstattung. Denn, wie die Autor:innen auch schreiben, wir setzen uns ja nicht das erste Mal mit der Fragestellung auseinander. In den Empfehlungen geht es unter anderem darum, rechtsextreme Ideologien und Milieus klar zu benennen, Inszenierungen zu unterbinden, Konsequenzen des Rechtsextremismus in den Fokus zu rücken – und als letztes: aus Fehlern zu lernen.

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Aus dem Netzwerk Recherche

Zurück auf der re:publica

Am 27. Mai ab 16:15 Uhr erfahrt ihr in der Lightning Box 1, wie Journalist:innen brisante Infos über Klimaziele und geplante Abschiebezentren mit der Plattform unseres Projektpartners FragDenStaat aufdecken können: „Auskunftsrechte als Game Changer bei investigativen Recherchen“. Spannende Einblicke in unser Auskunftsrechte-Projekt garantiert!
Tipps und Techniken zu Selbsthilfe und Peer-Support (im Sinne unseres Helpline-Projekts) stellen wir auf der re:publica im Panel „Share care: Gesunde Mediennutzung und Peer Support in Zeiten multipler Krisen” am 29. Mai ab 16:15 Uhr im Community Garden vor.

NR-Videoreihe zu Auskunftsrechten

Wie funktionieren Anfragen über das Informationsfreiheitsgesetz? Wie gut ist das Sächsische Transparenzgesetz? Zum Tag der Pressefreiheit startete unsere Auskunftsrechte-Videoreihe des Projekts „Fragen und Antworten – Auskunftsrechte kennen und nutzen“. Alle Videos gibt’s bei YouTube. Mit unseren Angeboten wollen wir Journalist:innen darin bestärken, ihre Auskunftsansprüche zu nutzen, und sie mit Werkzeugen und Ressourcen ausstatten. Ob Pressegenerator, Entscheidungsdatenbank oder Workshops: Journalist:innen, die ihre Auskunftsrechte kennen und nutzen, können die Öffentlichkeit (besser) informieren, Missstände aufdecken und Machtstrukturen hinterfragen.

NR an Bord der „MS Wissenschaft“: Podiumsdiskussion in Hamburg

Seit mehr als 20 Jahren geht das Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“ im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf große Fahrt. Zum diesjährigen Wissenschaftsjahr „Freiheit“ wird es beim Halt in Hamburg an Deck eine Diskussionsrunde zum Thema „Freiheit navigieren – Wie schützen wir Wissenschafts-, Presse-, und Meinungsfreiheit“ geben. Neben Wissenschaftler:innen aus der Medien- und Politikwissenschaft ist auch Netzwerk Recherche auf dem Podium vertreten. Der Eintritt zur Veranstaltung am 13. Juni ist frei. Hier geht’s zur Anmeldung, los geht’s um 19 Uhr.

Argumente für die Auskunft: NR-Training zum Informationsrecht

Im Vorfeld der NR-Jahrestagung findet am Donnerstag, dem 18. Juli, wieder ein halbtägiger Workshop statt, der sich ganz dem Auskunftsrecht widmet: Welche Infos bekommt man auf welcher rechtlichen Grundlage von den Behörden – und was tun, wenn sie mauern? Der Workshop, der von 13 bis 18 Uhr beim Spiegel stattfindet, ist offen für alle, die sich in diesem Feld weiterbilden wollen und die ein vertieftes Interesse am Thema haben. Die Teilnahme ist kostenlos, erfordert aber eine rechtzeitige Anmeldung. Hierzu bitte Manfred Redelfs mailen.

Runder Tisch „Psychische Gesundheit“ für Medienhäuser

Netzwerk Recherche lädt im Rahmen der Helpline norddeutsche Medienhäuser zu einem Runden Tisch zum Thema „Angriffe, Hate-Speech, Burnout – Warum wir uns Gedanken über die psychische Gesundheit von Journalist:innen machen müssen” ein. Das vertrauliche Arbeitstreffen findet am 18. Juli von 14 bis 16 Uhr in Hamburg statt. Wir möchten eine Bestandsaufnahme machen und uns über Erfahrungen sowie Strategien im Umgang mit psychosozialen Problemen von Journalist:innen austauschen. Die Einladung richtet sich an Betriebsrät:innen oder Personen in redaktionellen Leitungsfunktionen. Anmeldungen bitte per Mail an Malte Werner. Weitere Treffen in anderen Regionen des Landes folgen.

Tickets für SciCAR 2024: Wissenschaft trifft Datenjournalismus

Heute startet der Ticketverkauf für die SciCAR 2024. Diese findet am 27. und 28. September 2024 in Dortmund statt, erstmals in den Räumen der Sparkassenakademie. Organisiert wird die SciCAR von Netzwerk Recherche, der TU Dortmund, der WPK sowie dem Science Media Center Germany. Tickets gibt es hier.

NR24: Erste Programmpunkte online

Außerdem sind ab heute die ersten Sessions der Jahreskonferenz online. Hier könnt ihr einen ersten Blick auf das Programm werfen. Aufgrund der hohen Nachfrage empfehlen wir, schnell ein Ticket zu buchen. Sichert euch euren Platz hier.

Letzte Chance: Förderkosmos Journalismus 2024

Du hast eine Idee für eine Recherche oder ein Projekt, weißt aber nicht, wie du das finanzieren sollst? Die Fortbildung Förderkosmos Journalismus kann dir helfen, die Förderlandschaft zu überblicken und deine Chancen auf eine Förderung zu erhöhen. Der Kurs startet am 28. Mai und kostet 300 Euro (für NR-Mitglieder nur 200 Euro – werde jetzt noch schnell Mitglied)! Extra-Chance für Nachzügler:innen: Melde dich noch rasch bis Sonntag, 26. Mai, an und sei dabei!

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GIJN Deutsch

An dieser Stelle informiert euch GIJN Deutsch-Redakteurin Sarah Ulrich ab sofort über Neues aus dem Global Investigative Journalism Network. Dazu zählen u.a. Hinweise auf Workshops und Recherchetipps, GIJN-Veröffentlichungen und besonders beeindruckende internationale Recherche, die auch hierzulande wahrgenommen werden sollten.

Internationale Recherche des Monats: Stolen Amazon

Diesen Monat empfiehlt sie „Stolen Amazon: The Roots of Environmental Crime in Bolivia” des Online-Magazins InSight Crime in Kooperation mit dem Igarapé Institute. Die Reporter:innen decken die Zusammenhänge von Umweltverbrechen auf, die zur Abholzung und zum Verlust der Biodiversität in Bolivien führen.

Webinar:  Einführung in die OSINT-Recherche am Beispiel Geolocation

OSINT-Recherche gilt inzwischen als essentiell für den Investigativjournalismus. Aber was bedeutet es eigentlich, mit „Open Source Intelligence“ zu recherchieren? Im Webinar am 18. Juni (von 13 bis 14:30 Uhr) gibt Johanna Wild vom international renommierten Recherchekollektiv Bellingcat eine Einführung in die Online-Recherche. Am Beispiel von Geolocation-Bestimmung lernen die Teilnehmenden die Grundlagen der OSINT-Recherche. Außerdem teilt sie ihre Lieblingstools. Die Teilnahmezahl ist begrenzt – ihr könnt euch bis zum 12. Juni bewerben.

GIJN Investigativ Check: Recherchen mit OSINT

Auch in der neuen Folge des GIJN Investigativ Check dreht sich alles um OSINT-Recherchen. netzpolitik.org-Redakteur und Autor des Online-Recherche-Newsletters Sebastian Meineck erklärt, was OSINT-Recherchen sind, wie man diese ohne Vorwissen anwenden kann und warum er findet, dass OSINT ein Modewort für etwas ist, das wir alle tagtäglich sowieso schon nutzen. Der perfekte Einstieg in das kommende GIJN-Webinar! Wir empfehlen außerdem den GIJN-Guide zu Online-Recherche mit Henk van Ess.

Investigating War Crimes: GIJN veröffentlicht erstes E-Book

Das Global Investigative Journalism Network ist unter anderem für seine Guides bekannt, die Tipps, Einblicke und Weiterbildung zu Recherchetechniken und verschiedensten Themen des Investigativjournalismus geben. Im März hat das GIJN nun den ersten Guide als E-Book veröffentlicht. Der „Reporter’s Guide to Investigating War Crimes” ist eine hilfreiche Handreichung für Recherchen zu Kriegsverbrechen.

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Nachrichten

In Erinnerung an John Bones

Wir trauern um John Bones. Der Geschäftsführer unseres norwegischen Schwesternverbandes, der Stiftelsen for en Kritisk og Undersøkende Presse (SKUP), ist am 13. Mai im Alter von 69 Jahren überraschend verstorben. Erst vor wenigen Monaten trafen wir ihn in Göteborg auf der Global Investigative Journalism Conference, auf der John immer ein gern gesehener Gast war. Es war bewundernswert, wie er stets Stipendien für Journalist:innen aus Entwicklungs- und Schwellenländern organisierte, damit diese die Konferenz besuchen konnten – genauso wie seine herzliche und hilfsbereite Art. Für die norwegischen Kolleg:innen war er längst „Mr. Skup“, wie sie in ihrem Nachruf schreiben. God tur, kjære John!

Anlaufstelle zum Schutz publizistischer Arbeit gestartet

Die No-SLAPP-Anlaufstelle hat Mitte April ihre Arbeit aufgenommen, um Medienschaffende über ihre Rechte aufzuklären und sie bei der Verteidigung gegen SLAPP-Klagen zu unterstützen. An diesem Projekt sind eine Vielzahl von Organisationen beteiligt, bspw. „Reporter ohne Grenzen“ und FragDenStaat. Mehr Infos gibt es hier.

Protest gegen MDR-Sparpläne

Die Intendanz des MDR erwägt Einsparungen in Höhe von 40 Millionen Euro pro Jahr, die insbesondere den Bereich des investigativen Journalismus betreffen. Die SZ spricht von der „Anatomie eines Knalls“ (€) wenige Monate vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern. In einem offenen Brief wenden sich Mitarbeiter:innen und Personen der Zivilgesellschaft gegen die geplanten Kürzungen. Sie mahnen, dass die journalistische Kompetenz des Programms und zahlreiche Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen und fordern die Rücknahme der Sparpläne. Netzwerk Recherche warnt in einer eigenen Stellungnahme vor Einschnitten bei der investigativen Recherche.

Dart Awards und Pulitzer Preis verliehen

Mit den jährlichen Dart Awards werden Beiträge gewürdigt, die sich mit den Auswirkungen von Gewalt und Trauma beschäftigen. Dieses Jahr wurden The Boston Globe für „Nightmare in Mission Hill: The Untold Story of the Charles and Carol Stuart Shooting“ und The Marshall Project für „The Mercy Workers“ ausgezeichnet. Auch der diesjährige Pulitzer Preis wurde verliehen, bei dem die Washington Post und die New York Times zu den großen Abräumern zählten.

Wirtschaftsberichterstattung in ARD und ZDF: „Viel Kraft, wenig Biss“

Die neue Studie der Otto Brenner Stiftung geht der Frage nach, ob die Wirtschaftsberichterstattung von ARD und ZDF den Ansprüchen genügt, qualitativ hochwertig und verständlich über den klimaneutralen, sozial gerechten und ökonomisch erforderlichen Umbau der Wirtschaft zu berichten. Dafür haben die Autoren knapp 5.800 Sendungen mitgeschnitten, analysiert und bewertet. In der Studie „Reklame für Klimakiller“, die Anfang des Monats erschienen ist, geht es darum, wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt.

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Veranstaltungen, Preise & Stipendien

Last Call: Die besten Klima-Recherchen 2024

Bis Monatsende können Journalist:innen sich noch für den Deutschen Preis für Klimajournalismus bewerben. Er wird in den Kategorien „Hauptpreis“, „Investigativ“ und „Lokal“ vergeben, die jeweils mit 2.000 Euro dotiert sind. Die Bewerbungsfrist endet am 31. Mai 2024.

Erinnerung: Media Founders Program

Die neue Förderrunde des Medieninnovationszentrums (MIZ) Babelsberg unterstützt Gründer:innen und Journalist:innen bei der Umsetzung ihrer technisch innovativen Ideen. Bewerbungsschluss ist am 9. Juni 2024.

Recherchereise nach Yerevan/Armenien

Die Deutsche Gesellschaft veranstaltet eine Recherchereise für Journalist:innen nach Yerevan/Armenien, die vom 1. bis 8. Oktober 2024 geplant ist. Die Teilnehmenden nehmen vor Ort an Gesprächen und Netzwerktreffen mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft, Politik und des Journalismus teil und werden sich mit den Themen Kriegsberichterstattung, Informationssicherheit und Desinformation beschäftigen, sowie den Folgen des Bergkarabach-Konflikts für Armenien. Bewerbungsschluss ist der 16. Juni 2024.

Erste Berlin Investigative Summer School

Die Berliner Journalistenschule bietet diesen Sommer ihre erste (englischsprachige) Investigative Summer School (BISS) mit internationalen Journalist:innen und Dozent:innen an. Im Programm gibt es Kurse zum Thema KI und Krypto bis hin zur Verifikation von (Bewegt-)Bildern. NR-Mitglieder erhalten auf alle Veranstaltungen (fast 50%) Rabatt.

Fortbildungen

Zum Schluss

Einzug ins Publix

Vergangene Woche hat das Team von Netzwerk Recherche das neue Büro im 2. Stock des Publix-Hauses bezogen. Publix ist für uns nicht einfach nur ein geräumiger Büroraum, sondern ein Ort für neue Vernetzungen, für kurze Wege zu Redaktionen und anderen Journalismus-Organisationen, für Inspirationen und Ideen. Auf gute Nachbarschaft!