Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute vor 20 Jahren, am 23. April 2003, erschien der erste NR-Newsletter. Er machte unter anderem auf das zweite NR-Jahrestreffen aufmerksam. Jürgen Leinemann, Michael Jürgs, Frank Schirrmacher, Hellmuth Karasek, Günter Gaus… alle waren damals dabei (jedenfalls laut Einladungsflyer), sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder gab sich die Ehre. Das Programm, damals noch einspurig, bestand fast nur aus Podiumsdiskussionen – und nach Frauen in den Panels musste man schon etwas genauer suchen.

Das Netzwerk Recherche hat sich verändert – und mit ihm auch sein Newsletter. Entwickelt und jeden Monat geschrieben und redigiert wurde er 20 Jahre lang von Albrecht Ude – damals wie heute freier Journalist, Rechercheur und Recherche-Trainer. Der Newsletter trug seine Handschrift – in mehrfacher Hinsicht. Lange Zeit war es ein reiner Text-Newsletter, im Text E-Mail-Newsletter Standard (TEN), barrierefrei und nur unter Verwendung der ASCII-Zeichen 32–127, damit er von jedem Gerät auf der ganzen Welt fehlerfrei gelesen werden kann.

Inhaltlich setzte Albrecht – übrigens nicht nur im Newsletter, sondern über viele Jahre auch als kooptiertes Mitglied des Vorstands – wichtige Schwerpunkte: Überwachung ist eines seiner Herzensthemen – und das brachte er auch ins Netzwerk Recherche ein. Staatliche Eingriffe in den Informanten- und Datenschutz sowie der digitale Selbstschutz, zum Beispiel durch Verschlüsselungstechniken, waren von Beginn an immer ein zentrales Thema unseres Vereins. Schon der erste Newsletter berichtet über das „Abhoerurteil“ (ja, auch Umlaute waren tabu) des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2003. Ein interessanter Fall: Die Verbindungsdaten von Journalistinnen und Journalisten waren an Staatsanwaltschaften herausgegeben worden, um auf die Spur von Straftätern zu gelangen – das Gericht urteilte, dass dies rechtmäßig war. NR kommentierte im Newsletter: „Das schraenkt nach Ansicht des Netzwerk Recherche die journalistische Recherche unzulaessig ein und gefaehrdet daher die Pressefreiheit.“

Mit dem Redesign des Newsletters im Jahres 2023 und der Übergabe der Redaktion in die Hände von Greta Linde, die für NR und das Global Investigative Journalism Network (GIJN) zuvor als German Editor tätig war, hat sich der Newsletter noch einmal enorm verändert – optisch wie inhaltlich. Er ist kürzer und bunter geworden. Aber in einem Merkmal unterscheidet er sich von den Newslettern vieler anderer Organisationen, die oftmals nur die eigenen Projekte und Themen beleuchten: Veranstaltungstipps und Nachrichten aus der Welt des (Recherche-)Journalismus sind erhalten geblieben. Und an dieser Tradition, die Albrecht Udes Konzeption zu verdanken ist, wird auch nicht gerüttelt.

Danke, Albrecht, für 20 Jahre NR-Newsletter!

Euer

Günter Bartsch

PS: Mit dem Newsletter-Relaunch sind wir auch zu einem anderen Versandservice gewechselt. Dieser arbeitet selbstverständlich DSGVO-konform – zudem werden personenbezogene Daten auf Servern in Deutschland gespeichert. Standardmäßig wird bei Sendinblue Link-Tracking genutzt – bitte lest dazu unsere Erläuterungen am Ende des Newsletters.

 

Günters Tipps des Monats:

Axel Springer I

Zum Fall Döpfner müssen wir hier nicht viel schreiben, denn alles Wesentliche hat Stefan Niggemeier bei Übermedien schon notiert. Im Übermedien-Newsletter erklärt er auch nochmal, warum es ist nicht unanständig ist, wenn Journalisten andere Journalisten kritisieren.

Axel Springer II

Für seinen Beitrag auf Legal Tribune Online sah sich Felix W. Zimmermann den Springer-Verhaltenskodex an und zitiert: „Die Geschäftsleitung überlässt journalistische Entscheidungen allein der Redaktion und mischt sich in diese nicht ein.“ Döpfner habe mit seinem Handeln daher gegen die eigenen Compliance-Regeln verstoßen.

Axel Springer III

Wer noch nicht reingehört hat, sollte das tun: Der neue Podcast „Boys Club – Macht und Missbrauch bei Axel Springer“ gibt detaillierte Einblicke, weit über den Fall Reichelt hinaus – morgen erscheinen die nächsten beiden Folgen.

 

Aus dem Netzwerk Recherche:

NR-insights: Internationale Datenrecherche #VulkanFiles

Vor  gut einem Jahr k am Hannes Munzinger (damals SZ) mit einer anonymen Quelle in Kontakt, die tausende interne Dokumente an ein digitales Postfach der SZ sendete. Die Unterlagen stammen von der russischen Firma NTC Vulkan. Wie die Recherchen zeigen, arbeitet die Moskauer Firma für Russlands Militär und Geheimdienste. In deren Auftrag soll sie Software entwickeln, um ausländische Systeme zu stören. Anhand der #VulkanFiles zeigen Hannes Munzinger (Paper Trail Media/SPIEGEL) und Lea Weinmann (SZ), wie Dokumente verifiziert werden können, wie sie Open Source Intelligence einsetzen und mit riesigen Datenmengen in einer fremden Sprache umgehen. Exklusiv für Mitglieder von Netzwerk Recherche zum NR-insights am 17. Mai, moderiert von Christina Elmer. Ausführliche Infos hier.

Greenhouse Fellowship geht in die zweite Runde

Netzwerk Recherche und die Schöpflin Stiftung schreiben zum zweiten Mal das Greenhouse Fellowship aus, mit dem eine Zukunftsfrage des Journalismus bearbeitet wird. Es bietet Freiraum für journalistische Recherchen und praxisnahe Forschung. Das Greenhouse Fellowship umfasst 2.500 Euro, fachliche Beratung und Zugang zu Netzwerken im gemeinnützigen Journalismus. Thematisch stehen Firewalls für die journalistische Unabhängigkeit im Mittelpunkt.

Ausgezeichnete Ausstellung

Die Ausstellung „AUSGEZEICHNET! Werkbund Label 06-22“ präsentiert Projekte, Unternehmen und Initiativen, die von 2006 bis 2022 mit dem Werkbund Label ausgezeichnet wurden. Wir vom Netzwerk Recherche haben den Preis 2018 verliehen bekommen. Die Ausstellung ist kostenlos, ihr könnt bis zum 14. Mai in Karlsruhe vorbeischauen.

Rückblick auf die Fachkonferenz Ungleichheit

Soziale Ungleichheit ist mehr als nur die Frage nach Geld – dementsprechend sollte die Berichterstattung darüber mehr als nur Zahlen oder Einzelschicksale umfassen. Bei unserer Fachkonferenz Ungleichheit haben wir genau darüber diskutiert. Bärbel Röben blickt für das Onlinemagazin MMM zurück.

Auf Europas Abfallrouten

Michael Billig und Marius Münstermann haben ihr Stipendium, das von der Olin gGmbH und Netzwerk Recherche gefördert wurde, erfolgreich abgeschlossen: Sie haben Mülltransporter aus Deutschland ins Ausland verfolgt und zeigen in ihrer Reportage illegale Tricks der Abfallbeseitigung. Ihre Geschichte wurde in der aktuellen Ausgabe von Reportagen (€) abgedruckt.

Argumente für die Auskunft – NR-Training zum Informationsrecht am 15. Juni

Im Vorfeld der NR-Jahrestagung findet am Donnerstag, dem 15. Juni, ein halbtägiger Workshop statt, der sich ganz dem Auskunftsrecht widmet: Welche Infos bekommt man auf welcher rechtlichen Grundlage von den Behörden – und was tun, wenn sie mauern? Der Workshop, der von 13 – 18 Uhr beim Spiegel stattfindet, ist offen für alle, die sich in diesem Feld weiterbilden wollen und die ein vertieftes Interesse am Thema haben. Die Teilnahme ist kostenlos, erfordert aber eine rechtzeitige Anmeldung. Mails bitte an: manfred.redelfs@netzwerkrecherche.de

Nachrichten:

Journalist:innen, die für die Regierung arbeiten

Seit Anfang März bekannt wurde, in welchem Umfang die Bundesregierung bezahlte Aufträge an Journalist:innen vergibt, tobt eine Debatte über die Nebenjobs von Journalist:innen und das systematische Problem dahinter.

Vorratsdatenspeicherung

Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung unionsrechtswidrig ist. Damit endet die Klage von Digital Courage erfolgreich mit einer Feststellung zur Unanwendbarkeit der deutschen Regelung.

Menschen, die für KI schuften

Tech-Unternehmen wie OpenAI (ChatGPT) kehren gerne unter den Teppich, wie Arbeiter:innen für wenig Geld hinter den Kulissen schuften. Im Interview mit Netzpolitik erklärt die Forscherin Milagros Miceli, wie viel menschliche Arbeit hinter „künstlicher“ Intelligenz steckt.

US-Reporter in russischer Haft: Freilassung gefordert

Der in Russland gefangen genommene Journalist Evan Gershkovich (Wall Street Journal) sitzt wegen des Vorwurfs der Spionage im berüchtigte Lefortowo-Gefängnis in Moskau in Haft. Führende deutsche Journalist:innen tun es internationalen Kolleg:innen gleich und fordern seine unverzügliche Freilassung.

Die Bild verklagt das Wirtschaftsministerium

Die Bild-Zeitung verklagt das Wirtschafts­ministerium vor dem Verwaltungs­gericht Berlin. Das Ministerium weigert sich, Auskunft zu staatlichen Bürgschaften für Russland-Geschäfte deutscher Firmen zu geben. Sollte die Klage erfolgreich sein, könnte sie für andere Recherchen zum Thema staatliche Bürgschaften Türen öffnen.

Überwachung auf Schweizer Bahnhöfen

Die Schweizer Bahn rüstet Bahnhöfe mit neuen Kameras zur Gesichtserfassung aus und will so Kaufverhalten auswerten. Reisende erfahren jedoch nicht, dass sie beobachtet werden. Eine Recherche von Ktipp.

Online-Befragung zu psychischen Belastungen im Journalismus

Für eine Forschungsarbeit über psychische Belastungen und Resilienz bei Journalist:innen werden (Nicht-)Betroffene gesucht. Die Beantwortung der Fragen sollte nicht länger als 15 Minuten dauern.

Veranstaltungen, Preise & Stipendien:

Lorenzo Natali Prize

Die Europäische Kommission lädt zu Einreichungen für den Lorenzo-Natali-Medienpreis ein. Bis zum 28. April könnt ihr Arbeiten zu globalen Herausforderungen einreichen. Der Preis wird in den Kategorien International, Europa und Nachwuchs/U30 vergeben.

Journalismuspreis der Verbraucherzentrale NRW

Herausragende Medienbeiträge zu Verbraucherthemen zeichnet die Verbraucherzentrale NRW seit 2022 mit einem eigenen Preis (jeweils dotiert mit 2.000 Euro) aus. Ihr könnt Euch noch bis zum 30. April hier bewerben.

„Uns reicht‘s!“ mit Hass und Hetze

Verleumdungen, Beleidigungen oder Einschüchterungen: „Uns reicht’s!“ Die Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung beschäftigt sich u. a. mit Gewalt, Rassismus und Sexismus im beruflichen und ehrenamtlichen Alltag. Auch wir werden am 12. und 13. Mai in Bonn sein, um die Helpline, ein Hilfsangebot von Netzwerk Recherche und dem Dart Centre Europe für Journalist:innen mit psychosozialen Problemen, vorzustellen.

Das Netzwerk Recherche zu Gast in Wien

Bei der Dossier-Konferenz zum Thema Public Value werden wir vom Netzwerk Recherche mitdiskutieren, wenn es um den Mehrwert von investigativen Recherchen, handwerkliche Fertigkeiten und redaktionelle Rahmenbedingungen geht. Wer am 13. Mai in Wien dabei sein möchte, kann sich hier anmelden.

Frag Den Staat-Fellowship

Frag Den Staat vergibt Stipendien an Personen aus Journalismus, Zivilgesellschaft und Wissenschaft für Recherchen zum Thema Auskunftsrecht. Das Fellowship umfasst 2.500 Euro und eine einjährige intensive Betreuung. Ihr könnt Euch hier bis zum 14. Mai bewerben.

Recherchereise nach Israel

Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet eine Studienreise für Journalist:innen nach Israel mit Besuch der Palästinensischen Gebiete zum Thema geopolitische Umbrüche und ihre Auswirkungen an. Die Reise findet im September statt, Bewerbungsschluss ist jedoch bereits der 15. Mai.

Tutzinger Radiotage

Seit 20 Jahren begleiten die Tutzinger Radiotage die Entwicklung des Radios. Dieses Jahr widmen sie sich anlässlich ihres Jubiläums dem Interviewhandwerk. Die Radiotage finden vom 15. bis 17. Mai in Tutzing statt. Auf dem Programm stehen Workshops und Vorträge, hier könnt Ihr Euch anmelden.

Local Media for Democracy

Der Journalismfund Europe hat ein neues Grant Programme ausgeschrieben. Bis zum 25. Mai könnt Ihr Euch für das Projekt bewerben. Journalismfund verspricht „a pilot media funding scheme that will inject €1.200.000 financial support to local, regional and community media.“ Übrigens hat Journalismfund Europe aktuell auch Programme für grenzüberschreitenden sowie Klimajournalismus ausgeschrieben.

Dataharvest – Programm veröffentlicht

Das Programm für die Dataharvest/European Investigative Journalism Conference Konferenz ist draußen. Um Anfang Juni in Mechelen in Belgien dabei zu sein, könnt Ihr Euch hier anmelden.

Stipendien der Riff freie Medien gGmbH

Die Riff freie Medien gGmbH hat aktuell zahlreiche Stipendien ausgeschrieben: Von Recherchestipendien für Klimaprojekte, über internationale Journalismusprojekte für Freie bis hin zu Promotionsstipendien. Die erste Bewerbungsfrist endet am 1. Juni.

Fortbildungen

 

Zum Schluss: 

Wie oben bereits erwähnt, sind wir mit dem NR-Newsletter zu einem neuen Versanddienstleister gewechselt: Sendinblue – unter anderem, weil wir personenbezogene Daten auf Servern in Deutschland gespeichert sehen wollten. Bei Sendinblue ist das Link-Tracking standardmäßig aktiviert. Das ist einerseits nützlich, denn es ermöglicht uns, nachzuvollziehen, welche Inhalte unseres Newsletters besonders nachgefragt werden (wie es genau funktioniert, könnt ihr hier bei Sendinblue nachlesen). Andererseits ist dadurch auch eine personenbezogene Nachverfolgung möglich. Wenn Ihr nicht wollt, dass Eure Klicks nachverfolgt werden können, meldet euch über diesen Link von unserem Newsletter ab und nutzt die Website-Version.