Newsletter-Archiv

In diesem Archiv finden Sie alle bisherigen Ausgaben des Newsletter Netzwerk Recherche als Textdateien.

Newsletter Netzwerk Recherche 232 vom 26.04.2024

Liebe Kolleg:innen,

vom Journalismus-Festival in Perugia mit der Bahn nach Hause zu fahren, hat gleich mehrere Vorteile: Neben dem ersparten Flug hat man Zeit, sich dem Aprilwetter langsam anzunähern und all die Gespräche, Panels und Workshops noch einmal Revue passieren zu lassen. Mit rund 220 offiziellen Sessions und mehr als 600 Referent:innen gehört das Festival zu den größten Medienkonferenzen in Europa. Und mit jedem Jahr kommen mehr Besucher:innen hinzu; entsprechend lang sind die Schlangen vor vielen Veranstaltungen. Wie viele insgesamt dabei waren? Da sich Teilnehmende nicht anmelden müssen, weiß das niemand so genau.

Die Konferenz lohnt sich schon wegen ihrer inhaltlichen Breite: In diesem Jahr befassten sich jeweils einige Sessions mit Wahlen und Künstlicher Intelligenz, Investigation und Businessmodellen, Kriegsberichterstattung und Desinformation. Besonders spannend wurde es an den Berührungspunkten dieser Schwerpunkte – unten drei Empfehlungen mit aktuellem Bezug zum investigativen Journalismus. Mich haben auf den Panels vor allem die Kolleg:innen beeindruckt, die an ihren Recherchen festhalten, obwohl sie damit große Risiken eingehen – etwa in Ungarn, Iran oder Hong Kong. Und bei aller Kritik an derartigen Zuständen ist das Festival erfreulich konstruktiv, wenn es um den Journalismus von übermorgen geht.

Was nach den intensiven Tagen in Perugia bleibt, sind die Videoaufzeichnungen der Panels. Bis auf wenige Ausnahmen ist alles online und auch die Referent:innen sind nicht aus der Welt, nur eben nicht mehr an einem Ort, der auch spontane persönliche Gespräche ermöglicht. Diese Begegnungen sind es am Ende auch, die das Festival auszeichnen – ebenso wie die Jahreskonferenz in Hamburg oder die SciCAR in Dortmund. Wir freuen uns schon sehr darauf, Euch dort zu treffen!

 

Eure
Christina Elmer

 

 

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Newsletter Netzwerk Recherche 231 vom 22.03.2024

Liebe Kolleg:innen,

in den vergangenen Monaten haben journalistische Recherchen zutage gefördert, was sonst eher das Metier von Sicherheitsbehörden ist: Spiegel, ZDF, Standard und The Insider spürten den flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek in Russland auf – inklusive priesterlicher Tarnidentität und vielfältigen Verbindungen zu russischen Geheimdiensten. Das Podcast-Team von „Legion. Most Wanted“ fand gemeinsam mit einem „Bellingcat“-Kollegen die seit Jahrzehnten gesuchte ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette im Internet, auch wenn sie den letzten Schritt der Identifizierung nicht gingen.

Sollten Journalist:innen, wenn sie den Behörden ein paar hundert Meter voraus sind, ihre Informationen mit der Polizei und anderen staatlichen Sicherheitsbehörden teilen? Und wäre es nicht gut, in extremen Fällen sogar Strafanzeige zu stellen? Die Antwort sollte klar sein: Journalismus ist kein verlängerter Arm der Strafverfolgung. Quellen würden andernfalls gefährdet und abgeschreckt, das Begehren der Exekutive würde weiter wachsen und in der Gesellschaft würde sich auch die Wahrnehmung der Medien verändern: Fotograf:innen und Kamerateams würden etwa bei Demos in den Verdacht der Hilfspolizei geraten und noch stärker zum Zielobjekt werden. Und es ist schlicht nicht unsere Aufgabe.

Wir Medienschaffende sollten uns daher auch immer auf unser Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn es um berufsbezogene Wahrnehmungen geht. Andernfalls entscheiden wir über Gut und Böse: Sobald Journalist:innen gegen Terrorverdächtige aussagen, müsste konsequenterweise Glenn Greenwald auch gegen Edward Snowden aussagen. Das kann nicht die Idee von Recherchejournalismus sein.

 

Euer
Christian Deker

 

 

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Newsletter Netzwerk Recherche 230 vom 23.02.2024

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Site- und Blattkritiken in unserer Redaktion kommt immer wieder mal das Thema auf, dass Leserinnen und Leser sich von zu vielen schlechten Nachrichten überwältigt fühlen. Dass sie generell weniger Medien konsumieren, um auf diese Weise schlechten Neuigkeiten aus dem Weg zu gehen. Das Reuters Institute hat im vergangenen Jahr herausgefunden, dass diese Nachrichtenmüdigkeit, meistens News Fatigue oder gar News Avoidance genannt, zugenommen hat.
Und wer würde sich nicht überwältigt fühlen, von Umfragezahlen einer immer weiter ins Rechtsextreme rückenden AfD, von der Zustimmung für Donald Trump in den USA, den Kriegen in der Ukraine und Gaza, der Realität der Klimakrise? Und jetzt vom Tode Alexander Nawalnys, der selbst aus dem Straflager heraus für die Hoffnung auf ein besseres Russland stand.

Viele Redaktionen bemühen sich, in ihrer Berichterstattung nicht nur Kritik zu üben, sondern auch mögliche Lösungen zu präsentieren. Zu zeigen, wie Probleme unter schwierigen Bedingungen bewältigt werden können.

Das ist richtig. Aber die letzten Wochen haben uns auch gezeigt, wie wirkmächtig investigativer Journalismus sein kann. Die Enthüllung von Correctiv zu den Abschiebefantasien von AfD-Sympathisanten und anderen Rechtsextremen, die auf einem Treffen in Potsdam diskutiert wurde, zeigt, was Recherchen im besten Fall auslösen können. Ich finde, diese Erkenntnis kann uns allen Mut machen, und die Kraft geben, an schwierigen Recherchen dranzubleiben, auch wenn es vielfältige Widerstände gibt.

Denn unsere Recherchen können etwas verändern, und sie tun es gar nicht so selten, selbst wenn das Echo nicht so gewaltig ist wie im Fall von Correctiv.

Eure
Cordula Meyer

 

 

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Newsletter Netzwerk Recherche 229 vom 26.01.2024

Liebe Kolleg:innen,

es ist die wichtigste Veröffentlichung seit Jahren, als Correctiv vor zweieinhalb Wochen über ein geheimes Treffen von Rechtsextremen und ihren menschenfeindlichen Überlegungen berichtete. Die Enthüllung zeigt, wie tief Extremismus in Teilen der politischen Landschaft verwurzelt ist – und das nicht nur innerhalb der AfD, sondern auch in Teilen der CDU.

Die Reaktionen auf diese Enthüllungen sind beispiellos. Hunderttausende sind seitdem auf die Straßen gegangen, auch die Umfragewerte der AfD sinken.

Als Journalist:innen ist es unsere Pflicht, solche Entwicklungen weiterhin genau zu beobachten und darüber zu berichten. Wir tragen Verantwortung, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Arbeit von Correctiv steht exemplarisch für den Wert und die Notwendigkeit von investigativem Journalismus. Umso mehr freut es uns, dass am 6. Februar Justus von Daniels, Anette Dowideit und Jonathan Sachse von Correctiv in einem NR-insights über ihre Recherche berichten werden.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft informiert, engagiert und vor allem frei von Extremismus bleibt.

Eure

Annelie Naumann

 

 

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Newsletter Netzwerk Recherche 228 vom 22.12.2023

Liebe Kolleg:innen,

ich hoffe für euch, dass ihr noch nie ein so ungeheuerliches, verfrühtes Weihnachtsgeschenk erhalten habt. Die Nachwuchsjournalistin Jana Ballweber schrieb Anfang Dezember auf Twitter: „Mein Arbeitgeber, die Frankfurter Rundschau, schenkt mir zu Weihnachten eine Kündigung zum 31.12. Probezeit macht’s möglich.“ Ballweber erntete viel Solidarität, insbesondere von FR-Leser:innen. Aber auch eine ganze Reihe von Internet-Trotteln, die ihr eigenes Zutun unterstellten: Mangels Kompetenzen oder weil sie angeblich am Warnstreik der FR-Belegschaft eine Woche zuvor teilgenommen haben soll. Betroffen von den Kündigungen sind auch Yağmur Ekim Çay und Maxi Arnhold. Drei junge Talente, die bei der FR exzellenten Digital-, Lokal- und Klimajournalismus lieferten.

Hintergrund ist der Tarifkonflikt der Belegschaft der FR mit dem Ippen Verlag: Die Bezahlung der FR-Redakteur:innen soll deutlich unter Tarif liegen, die Redaktion fordert schon lange einen einheitlichen Tarifvertrag. Die Verhandlungen mit der Geschäftsführung sind im Herbst ergebnislos abgebrochen worden. So kam es am 1. Dezember zu dem Warnstreik, an dem sich knapp 50 der insgesamt 85 Beschäftigten beteiligten.

Darunter waren nach eigenen Angaben allerdings weder Ballweber noch Çay oder Arnhold. Aber sie waren in der Probezeit. Daher waren sie diejenigen, an denen man offenbar am einfachsten ein Exempel statuieren konnte. Besonders bitter ist dabei, dass Çay ihr Volontariat sogar auf Bitten der Geschäftsführung verkürzt hatte, um Anfang Dezember als Redakteurin im Lokalteil anzufangen. Nach vier Tagen im Job wurde sie wieder gekündigt.

Meine Vorstandskollegin Elisa Simantke hat hier vor einigen Monaten darüber geschrieben, dass sie wieder zunehmend Zuspruch an Kolleg:innen verteilt, öffentlich auf Social Media oder privat in Mails oder Nachrichten. Ich habe mir das zu Herzen genommen und am Wochenende beispielsweise meiner SZ-Kollegin Dunja Ramadan geschrieben. Sie hat in der Süddeutschen Zeitung einen Text über die bei einem Bombenangriff in Gaza getötete deutsche Familie Abujadallah geschrieben (€), der mich in seinem nüchternen Ton zutiefst berührt hat. Allen Kolleg:innen, die sich mit diesem Krieg, aber auch dem in der Ukraine in ihrer täglichen Arbeit und sogar vor Ort beschäftigen, will ich an dieser Stelle einmal meinen Respekt für ihre Arbeit aussprechen.

Ich möchte euch dazu ermutigen, es Elisa ebenfalls gleich zu tun. Verteilt zum Jahresende noch mal tüchtig Lob und Anerkennung. Und noch viel dringender: Jobs an Jana Ballweber, Yağmur Ekim Çay und Maxi Arnhold. Weihnachtswunder soll es ja geben.

Eure
Lena Kampf

 

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Newsletter Netzwerk Recherche 227 vom 24.11.2023

Liebe Kolleg:innen,

der bekannte Journalist Hubert Seipel hat Recherchen zufolge 600.000 Euro von einem Putin-Freund bekommen, um ein Buch über Putin zu schreiben. Zusätzlich zu seinen Verlagshonoraren. Transparent hat er das offenbar nicht gemacht, weder intern bei seinen Arbeitgebern, noch öffentlich. Selbst auf explizite Nachfrage in einem Interview verschwieg er die Zahlungen.

Für uns im Vorstand des Netzwerk Recherche war natürlich schnell klar, dass diese Zahlungen allen Regeln der journalistischen Redlichkeit widersprechen. Und dass Seipel damit allen Journalist:innen schweren Schaden zugefügt hat. Deshalb haben wir gleich am Tag nach der Enthüllung eine E-Mail an Seipel geschrieben, ihn um eine Stellungnahme gebeten und ihm einen sofortigen Austritt aus dem Netzwerk Recherche nahegelegt.

Wir haben außerdem seine stimmberechtigte Mitgliedschaft ruhend gestellt. Dies können wir, weil wir seine Arbeit nach den von ihm eingeräumten Zahlungen als PR einstufen. Ein Mitglied aus dem Verein ausschließen kann jedoch nur die Mitgliederversammlung. Diese trifft sich jedoch das nächste Mal erst am 19. Juli 2024, bei der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche. Sollte Seipel bis dahin nicht selbst aus dem Verein austreten, werde ich als Vorsitzender dort seinen Ausschluss beantragen.

Seipel war in der Vergangenheit auch mehrfach Referent und Moderator auf unseren Jahrestagungen – vor allem in den Jahren 2007 bis 2012. Anfang Juni 2012 diskutierte er seinen Film „Ich, Putin“. In der Veranstaltung wurde den damaligen Berichten zufolge kontrovers über Seipels Nähe zu Putin diskutiert.

„Zwischenzeitlich kommt – auch bei den Interviewsequenzen des Films – der Verdacht auf, es handle sich mehr um ein Selbstportrait als um den kritischen Blick eines westlichen Journalisten auf den mächtigsten Mann Russlands“, heißt es in der Dokumentation zur Jahreskonferenz 2012.

Ich hoffe, dass der Fall Seipel zu einer kritischen Überprüfung der Russland-Berichterstattung in deutschen Medien führt. Und den Blick schärft für mögliche Abhängigkeiten, auch in weniger prominenten, weniger hoch dotierten Konstellationen.

Euer
Daniel Drepper

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Newsletter Netzwerk Recherche 226 vom 27.10.2023

Liebe Kolleg:innen,

Stress, Druck, arbeiten an der Belastungsgrenze: Journalismus kann krank machen. Kennt ihr das? Habt ihr Ärger mit euren Redaktionsleiter:innen? Mit Kolleg:innen? Rauben euch diese Probleme den Schlaf? Oder hat euch ein Erlebnis im Job traumatisiert? Dann ruft jetzt unsere Helpline an! Unser kostenloses und anonymes Beratungsangebot startet am 2. November. Ihr erreicht hier erfahrene Kolleg:innen, die selbst Journalist:innen sind. Unser Hilfsangebot ist natürlich keine Alternative, beispielsweise zu einer Therapie, aber vielleicht können wir Lösungswege für eure Sorgen aufzeigen. Unter www.journalisten-helpline.de bieten wir offene Sprechstunden und online buchbare Gesprächstermine an. Ein ganz herzlicher Dank geht an die Förderer, die dieses Projekt möglich gemacht haben. Die Finanzierung ist erst einmal für sechs Monate gesichert. Wir hoffen aber, dass wir die Helpline darüber hinaus weiterbetreiben können.

Jetzt wünsche ich euch eine gute, stressfreie Zeit!

Euer
Christian Esser

P.S.: Save the date! Seit ein paar Tagen steht der Termin für unsere nächste Jahreskonferenz fest: Wir sehen uns am 19. und 20. Juli 2024 beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg.

 

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Newsletter Netzwerk Recherche 225 vom 22.09.2023

Liebe Kolleg:innen,

bevor ich anfing, selbst bei einer Zeitung zu arbeiten, habe ich hin und wieder E-Mails an Journalist:innen geschrieben, wenn mich ein Text besonders beeindruckt hat. Einfach so, spontan, direkt nach dem Lesen, um mich zu bedanken. Später dann, im Job, hätte ich mich so etwas nicht mehr getraut. Ich hatte zu viel Sorge, es könnte anbiedernd oder gar überheblich rüberkommen. Dabei habe ich mich selbst immer unglaublich gefreut, wenn es Lob gab für Texte, gerade von Kolleg:innen.

In letzter Zeit verteile ich deshalb wieder aktiv Zuspruch, persönlich, schriftlich, und über die sozialen Medien, auch viel öffentlicher als früher. Ich mache das bewusst, weil ich mich oft genug über unsere Branche ärgere, die so unsolidarisch gegenüber Kolleg:innen sein kann. Natürlich ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig auf die Finger schauen, falschen Berichten widersprechen, auch inhaltlich öffentlich streiten. Aber wo Kolleg:innen Angriffen und Beleidigungen ausgesetzt sind, schlicht weil sie ihren Job machen, könnten wir viel klarer redaktions- und medienübergreifend zusammenstehen.

Wo sich Altrocker mit perversen Castingmethoden und Politiker mit Neo-Nazi-Vergangenheit statt an ihren Taten an der angeblichen „Hetze“ und „Kampagnen“ der berichtenden Medien abarbeiten und damit dann auch noch in den Kommentarspalten Widerhall finden, da schadet sich unsere Branche selbst. Wenn Kolleg:innen ihre Recherchewege transparent machen und offenlegen, was sie wissen und was sie nicht wissen (können), dann gehören sie dabei unterstützt und nicht zerfleischt.

In diesem Sinne: Seid solidarisch und hakt euch unter – virtuell oder auch persönlich bei einer der tollen Konferenzen/Treffen, von denen ihr auch in diesem Newsletter wieder lesen könnt – diese Gesellschaft braucht mutige und ermutigte Reporter:innen.

Eure

Elisa Simantke

 

P.S.: Ich bin für dieses Editorial sehr tief in mein E-Mail Archiv gestiegen, um die allererste E-Mail zu finden, die ich in dieser Art verschickt habe. Leider sind die frühen 2000er darin nicht mehr auffindbar. Ich weiß aber noch genau, dass ich zu meiner großen Überraschung noch am selben Tag eine überschwängliche Antwort zurückbekam, in der sich der Autor für das Lob bedankte. Allzu häufig scheint er solche Post wohl nicht bekommen zu haben.

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Newsletter Netzwerk Recherche 224 vom 30.08.2023

Liebe Kolleg:innen,

spürt ihr das auch? Die leichte Schwermut, weil der Sommer sich allmählich dem Ende zuneigt und die gleichzeitige Vorfreude auf die zahlreichen Veranstaltungen in den kommenden Wochen?

Den Anfang macht vom 11. bis 15. September die erste Hamburger Woche der Pressefreiheit mit einer ganzen Reihe Workshops. Auch das Netzwerk Recherche ist Partner und veranstaltet gemeinsam mit den „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ eine Diskussionsrunde zu Hass und Häme gegenüber Journalist:innen. Als Moderatorin der Runde freue ich mich auf spannende Panelist:innen.

Nur drei Tage später, am 19. September, startet die viertägige Global Investigative Journalism Conference (GIJC) in Göteborg – das wohl größte Zusammentreffen von Investigativjournalist:innen weltweit. Wenn die Konferenz nur annähernd so gut wird wie 2019 in Hamburg, wird sich die Anreise lohnen. Ein Höhepunkt damals war die Keynote der philippinisch-amerikanischen Journalistin und späteren Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa, die ihren Vortrag mit den Worten schloss: „An attack on one is an attack on all.

Nach der GIJC habt ihr immerhin sechs Tage Zeit, euch von dem vielen Input zu erholen und nach Dortmund zu reisen. Denn dort findet am 29. und 30. September die (noch nicht ausgebuchte!) NR-Fachkonferenz SciCAR statt. Vielleicht liegt es an meinen Ruhrpott-Wurzeln, aber ich mag den Veranstaltungsort, die rustikale Stahlhalle der DASA, sehr. Journalist:innen und Wissenschaftler:innen loten hier aus, wo gewinnbringende Schnittstellen sind. Es geht darum, wie man mit und über Daten und KI berichtet – ganz praxisnah. Für mich ein Highlight der diesjährigen SciCAR: Das legendäre KI-Pubquiz am ersten Konferenzabend.

Ich wünsche euch einen angenehmen Konferenz-Triathlon. Vielleicht sehen wir uns auf der einen oder anderen Teilstrecke.

Eure
Anna Behrend

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Newsletter Netzwerk Recherche 223 vom 28.07.2023

Liebe Kolleg:innen,

manchmal sind es ja die kleinen Dinge, bei denen es sich lohnt, genauer hinzuschauen. Mir ist in den letzten Monaten aufgefallen, dass sich bei Themen der Verdachtsberichterstattung hin und wieder ein Satz einschleicht, den ich problematisch finde. Der Satz geht (inhaltlich) ungefähr so: „Auf Anfrage schickte der Anwalt von XY ein fünfseitiges Schreiben, aus dem wir aber nicht zitieren dürfen.“

Ich frage mich dann: Warum eigentlich nicht? Anwaltskanzleien wissen sehr genau, wie sie Druck aufbauen können, sie sind, in aller Regel, medienerfahren. Sie wissen deshalb, dass sie nicht einfach festlegen können, wie (und ob) Journalist:innen Antworten auf eine Presseanfrage verwenden dürfen. Solange sich nicht beide Seiten im Vorfeld darauf verständigt haben, dass aus einer Antwort nicht zitiert wird, ist es vollkommen egal, was diese Kanzleien an Rahmenbedingungen zu diktieren versuchen (siehe auch: BGH, 26.11.2019 – VI ZR 12/19).

Ich weiß, angesichts der größeren Debatten in Sachen Verdachtsberichterstattung ist das hier fast schon marginal, aber mich persönlich würde es trotzdem freuen, in Zukunft solche Sätze (inhaltlich) zu lesen: „Auf Anfrage schickte der Anwalt von XY ein fünfseitiges Schreiben, aus dem wir angeblich nicht zitieren dürfen. So einem Deal haben wir nicht zugestimmt, also sehen wir uns nicht an die Auflagen gebunden. Hier also die Antworten.“

Euer
Hakan Tanriverdi

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Newsletter Netzwerk Recherche 222 vom 28.06.2023

Liebe Abonnent:innen,

unter dem Motto „Zeigen, was geht – Recherchen verändern” fand vor knapp zwei Wochen unsere diesjährige Jahreskonferenz beim NDR in Hamburg statt – mit 275 Referent:innen, 125 Panels und hunderten Teilnehmenden war sie größer als je zuvor.

Wir haben drängende Themen der Zeit besprochen: Es ging um Kriegsberichterstattung, Klimaberichterstattung und welche Auswirkungen Künstliche Intelligenz auf unsere Branche haben wird. Es gab spannende Panels zu den Hürden der Verdachtsberichterstattung, dem Umgang mit Quellen, möglichen Interessenkonflikten und fehlenden Perspektiven in den Medien. Großartige Referent:innen gaben spannende Einblicke in ihre Arbeit und stellten die neuesten Tools vor. In den Pausen und an den Abenden gab es Zeit für Kennenlernen und Austausch. Für diejenigen, die nicht an der Jahreskonferenz teilnehmen konnten, haben wir weiter unten ausgewählte Mitschnitte und die aktuelle Ausgabe der Konferenzzeitung „Nestbeschmutzer“ verlinkt.

Die Resonanz auf die #NR23 war äußerst positiv und wir haben viel wertvolles Feedback erhalten. Dennoch wollen wir die Konferenz weiter verbessern: Was lief nicht gut? Was sollten wir 2024 anders machen? Schreibt uns euer Feedback an info@netzwerkrecherche.de

Abschließend möchten wir noch einmal unserem Gastgeber, dem NDR, unseren Förder:innen und allen Beteiligten unseren herzlichen Dank aussprechen. Ohne ihre Unterstützung wäre die #NR23 nicht das geworden, was sie war – ein wichtiger Ort für den Austausch und die Weiterentwicklung des Recherche-Journalismus.

Wir freuen uns auf die #NR24 und darauf, weiter mit Euch im Austausch zu bleiben.

Mit herzlichen Grüßen Eure
Annelie Naumann

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Newsletter Netzwerk Recherche 221 vom 24.05.2023

Liebe Abonnent:innen,

in gut drei Wochen findet beim NDR in Hamburg endlich wieder unsere Jahreskonferenz statt, bei der wir in Dutzenden Workshops, Panels und Roundtables über Recherche sprechen – über das Handwerk, über die Rahmenbedingungen, über unsere Erfahrungen, Probleme und Lösungen.

Wie jedes Jahr bringen wir auch bei der #NR23 hunderte erfahrene Investigativ-Kolleg:innen mit jungen Menschen zusammen, die sich aufmachen auf den Weg in die Recherche. Und wie jedes Jahr freue ich mich sehr darüber, dass wir einen zentralen Ort anbieten können, an dem neben dem Handwerk selbst auch die Vernetzung unter den Kolleg:innen, das Kennenlernen, das Ansprechen möglich wird.

Investigative Recherche ist so gefragt wie selten. Und die Bedingungen für unabhängigen Recherche-Journalismus wurden zuletzt öffentlich intensiv verhandelt: die Recherchen zu Springer, mangelnder Quellenschutz, Interessenkonflikte durch Moderationen für Behörden und presserechtliche Grundlagen der MeToo-Berichterstattung.

All das wird uns nicht nur längere Zeit begleiten, wir werden es auch auf der Konferenz diskutieren. Auf diese Diskussionen freue ich mich.

Euer
Daniel Drepper

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Newsletter Netzwerk Recherche 220 vom 23.04.2023

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute vor 20 Jahren, am 23. April 2003, erschien der erste NR-Newsletter. Er machte unter anderem auf das zweite NR-Jahrestreffen aufmerksam. Jürgen Leinemann, Michael Jürgs, Frank Schirrmacher, Hellmuth Karasek, Günter Gaus… alle waren damals dabei (jedenfalls laut Einladungsflyer), sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder gab sich die Ehre. Das Programm, damals noch einspurig, bestand fast nur aus Podiumsdiskussionen – und nach Frauen in den Panels musste man schon etwas genauer suchen.

Das Netzwerk Recherche hat sich verändert – und mit ihm auch sein Newsletter. Entwickelt und jeden Monat geschrieben und redigiert wurde er 20 Jahre lang von Albrecht Ude – damals wie heute freier Journalist, Rechercheur und Recherche-Trainer. Der Newsletter trug seine Handschrift – in mehrfacher Hinsicht. Lange Zeit war es ein reiner Text-Newsletter, im Text E-Mail-Newsletter Standard (TEN), barrierefrei und nur unter Verwendung der ASCII-Zeichen 32–127, damit er von jedem Gerät auf der ganzen Welt fehlerfrei gelesen werden kann.

Inhaltlich setzte Albrecht – übrigens nicht nur im Newsletter, sondern über viele Jahre auch als kooptiertes Mitglied des Vorstands – wichtige Schwerpunkte: Überwachung ist eines seiner Herzensthemen – und das brachte er auch ins Netzwerk Recherche ein. Staatliche Eingriffe in den Informanten- und Datenschutz sowie der digitale Selbstschutz, zum Beispiel durch Verschlüsselungstechniken, waren von Beginn an immer ein zentrales Thema unseres Vereins. Schon der erste Newsletter berichtet über das „Abhoerurteil“ (ja, auch Umlaute waren tabu) des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2003. Ein interessanter Fall: Die Verbindungsdaten von Journalistinnen und Journalisten waren an Staatsanwaltschaften herausgegeben worden, um auf die Spur von Straftätern zu gelangen – das Gericht urteilte, dass dies rechtmäßig war. NR kommentierte im Newsletter: „Das schraenkt nach Ansicht des Netzwerk Recherche die journalistische Recherche unzulaessig ein und gefaehrdet daher die Pressefreiheit.“

Mit dem Redesign des Newsletters im Jahres 2023 und der Übergabe der Redaktion in die Hände von Greta Linde, die für NR und das Global Investigative Journalism Network (GIJN) zuvor als German Editor tätig war, hat sich der Newsletter noch einmal enorm verändert – optisch wie inhaltlich. Er ist kürzer und bunter geworden. Aber in einem Merkmal unterscheidet er sich von den Newslettern vieler anderer Organisationen, die oftmals nur die eigenen Projekte und Themen beleuchten: Veranstaltungstipps und Nachrichten aus der Welt des (Recherche-)Journalismus sind erhalten geblieben. Und an dieser Tradition, die Albrecht Udes Konzeption zu verdanken ist, wird auch nicht gerüttelt.

Danke, Albrecht, für 20 Jahre NR-Newsletter!

Euer

Günter Bartsch

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Newsletter Netzwerk Recherche 219 vom 21.03.2023

Liebe Abonnent*innen,

das hier ist eine dreifache Premiere: Wir enthüllen unser neues Logo, präsentieren den Newsletter in neuer Anordnung und haben eine neue alte Redakteurin. Aber der Reihe nach: Seit Monaten haben wir mit unserer Designerin Ute Lederer an einem moderneren Corporate Design getüftelt. Wir finden, die Arbeit hat sich gelohnt – in den nächsten Wochen passen wir unsere Website dann stückweise an. In welche Richtung es geht, könnt ihr hier schon mal erahnen.

Nun zur Redaktion: Ich freue mich sehr, diesen Newsletter zu übernehmen und mich euch vorzustellen. Ich bin Greta, war vorher German Editor für unseren Partner GIJN und somit für die Journalismus-Guides, Twitter und das Journalist Security Assessment Tool zuständig. „Leider“ bin ich im Februar für meinen Master in Creative Writing nach Sydney gezogen und schaffe es nebenbei nicht, der GIJN-Stelle ausreichend gerecht zu werden. Umso mehr freue ich mich, dass Netzwerk Recherche mir durch den Newsletter erhalten bleibt.

Wenn ihr Hinweise für den Newsletter habt, sendet sie gerne an info@netzwerkrecherche.de. Wir freuen uns über Feedback!

Viele Grüße aus der australischen Sonne,

Greta Linde

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Newsletter Netzwerk Recherche 218 vom 22.02.2023

Moin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Dieser Newsletter wird in Kürze zwei Jahrzehnte alt. Und mein ganz großer Dank an alle diejenigen, die in den vergangenen beiden Jahrzehnten zum Gelingen dieses Newsletters beigetragen haben. Ohne Euch hätte das nicht geklappt.

Danke Euch, jeder und jedem! Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 217 vom 24.01.2023

Liebe Kolleg*innen,

die Investigativjournalistin Maria Ressa hat in der vergangenen Woche einen wichtigen Prozess gewonnen. Ein Gericht in Manila hat die Friedensnobelpreisträgerin vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen. Ressa hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen und als politisch motiviert bewertet: „Ein schamloser Machtmissbrauch, um Journalisten von ihrer Arbeit abzuhalten.“ Auf ihrer Nachrichtenseite Rappler hatte die Journalistin immer wieder kritisch über den früheren philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte und dessen Todesschwadronen berichtet.

Es ist nur einer der dutzenden Versuche, Ressa zum Schweigen zu bringen. In einem anderen Verfahren wegen angeblich diffamierender Aussagen drohen ihr bis zu sieben Jahre Haft. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 216 vom 20.12.2022

Liebe Kolleg*innen,

wir wollen Eure besten Ideen! Vom 15. bis 17. Juni 2023 richten wir die #NR23 aus, unsere nächste Jahreskonferenz, endlich wieder im Sommer, wieder bei unserem langjährigen Partner und Gastgeber, dem NDR. Ab sofort könnt Ihr Vorschläge für Workshops, Diskussionen oder Roundtables einreichen. Worüber sollten wir sprechen, damit es mindestens genauso gut wird wie im vergangenen Jahr?

Bis Ende Januar könnt Ihr Euch hier bei uns melden. Wir lesen jeden Vorschlag und freuen uns auf Eure Ideen!

Ein Thema wird ganz sicher wieder die Bedrohung der Presse- und Meinungsfreiheit sein. Die hat es zunehmend schwer. Noch nie, berichtet Reporter ohne Grenzen, saßen so viele Journalist*innen im Gefängnis wie derzeit. Die meisten neuen Inhaftierungen von Journalist*innen gab es zuletzt im Iran, dort werden Kolleg*innen sogar mit Hinrichtung bedroht. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 215 vom 22.11.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Im Iran herrscht Krieg. Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Mit allen Mitteln versucht die Mullah-Diktatur den Kampf der Iraner*innen niederzuschlagen, die von der Bevölkerung ersehnte Revolution zu verhindern.

Waren die ersten Wochen des Protestes gegen die Mullah-Diktatur noch flankiert von Videos tanzender Frauen, von spielerischen Turbanwürfen, von hoffnungsvollen Tönen – so eskaliert es derzeit jeder Tag stärker. Das Regime rückt mit dem Militär vor, stellt Strom und Internet ab, verbreitet im Dunkel der Nacht Tod und Terror. Der Kampf um Freiheit geht in eine entscheidende Phase.

Es geht dabei nicht nur ums Kopftuch, nicht nur um die Gleichstellung der Frauen – sondern um die seit 43 Jahren andauernde Unterdrückung grundsätzlicher Menschenrechte. Die Menschen im Iran sterben auch für die Meinungs- und Pressefreiheit, für die Grundlagen von Journalismus und Demokratie.

Die Journalistin und die Fotografin, die über den Tod von Mahsa Amini aufklärten, der die Proteste auslöste, sie sitzen längst im Gefängnis – wie so viele ihrer Kolleg*innen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 214 vom 20.10.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es war im März, als wir – unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine – das passende Motto für unsere Jahrestagung beschlossen: „Hinschauen & dranbleiben – Recherche in Krisenzeiten“.

Auf dem Konferenzbanner dominieren deshalb (gezeichnete) Reporter*innen, die uns über die Brutalität dieses Krieges mitten in Europa informieren. Es war beeindruckend – und auch bedrückend – wie einige dieser Kollegen*innen zum Auftakt unserer Konferenz über ihre Erlebnisse im Kriegsgebiet berichteten.

Foto: Raphael Hünerfauth
Zeichnung: Vincent Burmeister

Über zerstörte Städte, Massengräber, Vergewaltigungen, Hinrichtungen, Angst, Ohnmacht und Verzweiflung. Sie zeigen mit ihrer mutigen und gefährlichen Arbeit in bewundernswerter Weise, was guten Journalismus ausmacht: Hinschauen und dranbleiben.

Unsere – übrigens von vielen sehr gelobte – Konferenz ist vorbei, der Krieg aber nicht. Deshalb gilt unser großer Respekt auch weiterhin den Kollegen*innen, die noch immer vor Ort in dieser gefährlichen Mission unterwegs sind, um uns alle zu informieren.

Doch „Hinschauen und Dranbleiben“ sollten wir auch bei anderen Themen, die es nicht mehr in die Schlagzeilen schaffen, aber dennoch nicht vergessen werden sollten. Deshalb gab es bei unserer Tagung auch Panels zum irritierenden Schweigen vieler Verlage zum aktuellen Schicksal von Julian Assange, von dessen Enthüllungen einst viele Magazine und Sender profitierten. Oder zur verweifelten Lage vieler Ortskräfte in Afghanistan, deren von der Bundesregierung versprochene Einreise nach Deutschland skandalös verschleppt und verzögert wurde und wird. Oder der immer nur gelegentlich zum Thema werdende Cum-Ex-Skandal, der viele Milliarden Steuerausfälle verursachte, dessen politische Aufbereitung aber auch durch den „Gedächtnisverlust“ des amtierenden Bundeskanzlers zunehmend zur Farce wird. Deshalb sollte unser Respekt auch all jenen Kollegen*innen gelten, die dafür sorgen, dass all diese Themen nicht in Vergessenheit geraten, weil sie eben weiter „hinschauen und dranbleiben“. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 213 vom 21.09.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Katrin Eigendorf, Steffen Klusmann, Isabell Beer, Johannes Boie, Aminata Touré, Joachim Knuth, Melissa Eddy, Bastian Obermayer, Anette Dowideit, Holger Stark, Julia Friedrichs, Hajo Seppelt, Birte Meier – diese und viele weitere Panelist:innen und mehr als 500 Reporter:innen aus allen möglichen Medien, in allen möglichen Erfahrungs- und Karrierestufen: Die Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche bringt uns, die sich für die Recherche einsetzen, endlich wieder alle zusammen. Und unser Treffen ist so spannend und gut besetzt, wie vor Corona. Wir sprechen in einem eigenen Track über Klimarecherchen. Wir gehen Schritt für Schritt durch die Techniken des klassischen Handwerks. Wir lernen neue Methoden der digitalen Recherche. Wir sprechen über die Fallstricke des Presserechts. Wir debattieren große Enthüllungen. Und wir diskutieren gleich in mehreren Veranstaltungen die aktuelle Berichterstattung rund um NDR, rbb & Co.

Ich bin sehr stolz darauf, dass wir nach zwei Jahren Pause ein Programm auf die Beine gestellt haben, das sich mit den besten Konferenzen der Vor-Corona-Jahre messen kann – und gleichzeitig die aktuellen Debatten und Probleme breit abbildet. Ganz vielen Dank dafür an unsere Geschäftsstelle, die vielen Mithelfenden und insbesondere an Kuno Haberbusch, der in diesem Jahr seine 20. Jahreskonferenz (!) mit und für uns organisiert. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 212 vom 24.08.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir machen uns beim Netzwerk Recherche seit einigen Monaten verstärkt Gedanken darüber, wie wir uns als Verein am sinnvollsten für den Journalismus engagieren können. Was ist der Kern unserer Arbeit? Wo können wir noch stärker werden? Was sollten wir Neues anschieben? Wo werden wir gebraucht?

Dafür haben wir als Vorstand und Geschäftsstelle gemeinsam ein neues Mission Statement für das Netzwerk Recherche entwickelt. Damit wir uns selbst in Zukunft noch besser fokussieren können. Und damit für Euch alle klarer wird, was wir eigentlich machen und machen wollen.

Das Mission Statement ist fertig und wird mit diesem Newsletter (endlich) zum ersten Mal öffentlich, Ihr findet es weiter unten. Mir ist jedoch wichtig, dass dieser Denkprozess weiter geht. Und dafür brauchen wir Eure Mithilfe.

Wir fragen uns: In welchen weiteren Bereichen sollten wir uns stärker einbringen? Welche Probleme sollten wir angreifen? Wo könnt Ihr unsere Unterstützung gebrauchen?

Wir freuen uns über Ihre Antworten unter diesem Link. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 211 vom 20.07.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

beim Blick zurück auf die vergangenen zwei Jahre fällt auf, wie krisenhaft diese Zeit war und besonders jetzt gerade ist: Pandemie, Klimakrise, Ukrainekrieg, Energiekrise. Für uns Journalistinnen und Journalisten hat das bedeutet, dass das Interesse an Informationen und an unserer Arbeit besonders hoch war. Die Krisen haben aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass es Kolleginnen und Kollegen mit profunder Sachkenntnis gibt, die helfen können, die Dinge einzuordnen.

Die Anforderungen an Journalistinnen und Journalisten haben sich parallel erhöht, viele freuen sich, neue Kanäle nutzen zu können, um die Ergebnisse ihrer Arbeit als Podcast, als Videostory und auf Instagram zu präsentieren. Inhaltlich aber ist es notwendig, dass Redaktionen sich Fachleute leisten, Expertinnen und Experten für Medizin, für den Klimawandel, für Osteuropa, Außenpolitik, Verteidigung und Militär. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche 210 vom 22.06.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es sind aufwühlende Zeiten – politisch, militärisch, menschlich und auch medial. Nahezu stündlich neue Appelle aus der Politik, neue Erkenntnisse zum Frontverlauf im Kriegsgebiet, erschreckende Details zu Kriegsverbrechen, verstörende Reportagen und Berichte von vor Ort. Und dazu das politische Krisenmanagement im Dauermodus: Welches Land liefert welche Waffen, welche Sanktionen sind sinnvoll, wie kann man die eigene Wirtschaft schützen, wie kann man gemeinsam den Druck auf den Aggressor erhöhen? Der enge Austausch unter den (westlichen) Partnerländern wird dabei immer wieder betont.

Doch dieser „enge Austausch“ ist offenbar unerwünscht, wenn es nicht den Krieg in der Ukraine betrifft. Wenn es zum Beispiel um das Schicksal von Julian Assange geht. Sein Vater und sein Bruder haben jetzt während ihres Berlin-Besuchs die deutsche Regierung (mal wieder) um Unterstützung gebeten. Sie solle doch bitte ihren Einfluss geltend machen, dass die britische Regierung Julian Assange nicht an die USA ausliefert, wo ihm wegen angeblicher Spionage bis zu 175 Jahren Haft drohen. Die Reaktion der Bundesregierung ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und auch entlarvend: Es handle sich um ein Rechtsverfahren in einem anderen Land, erklärt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Er wisse nicht, wie die Bundesregierung da auf politischer Ebene eingreifen könne. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 209 24.05.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es war ein großes Donnerwetter, als das “ZDF Magazin Royale” Anfang dieses Monats enthüllte, dass Fynn Kliemann, beliebter Influencer und erfolgreicher Musiker, wenig transparent über Herkunft von Schutzmasken und Umgang mit Spenden agierte. Weitere Veröffentlichungen bestätigten die Recherchen und brachten mehr Ungereimtheiten ans Licht.

Doch als Fynn Kliemann Tage zuvor Fragen des “ZDF Magazin Royale” in einem knapp 30-minütigen Video vermeintlich transparent auf seinem Instagram-Profil veröffentlichte – und diese nicht zuerst der Redaktion zukommen ließ, blieb das große Donnerwetter aus. Übermedien berichtete über dieses “Foul” und zitierte Netzwerk-Recherche-Geschäftsführer Günter Bartsch: Kliemann habe versucht, “die Veröffentlichung dieser Recherche durch eine Vorab-Veröffentlichung zu erschweren”.

Kliemanns Umgang mit Anfragen von Recherchierenden ist kein Einzelfall. Öffentliche Einrichtungen mauern teils wochenlang, wenn Journalistinnen und Journalisten ihnen ihre Fragen zusenden. Um in die Vorhand zu kommen, hat die AfD mehrfach auf Konfrontationen mit kurzfristigen Pressemitteilungen reagiert. Investigativreporter lesen die Antworten auf ihre noch unbeantworteten Fragen auf offiziellen Twitter-Accounts. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 208, 22.04.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Fake News boomen in jeder Krise – sei es eine Pandemie oder ein Krieg, wie wir ihn gerade in Europa erleben. Aber wie können wir die junge Generation, die gerade zur Schule geht, vor Manipulation und Desinformation schützen? Sie sind noch auf der Suche nach Orientierung und deshalb verwundbar.

Das war nur eine der Fragen, die Anfang April auf einer für unser Netzwerk sehr wichtigen Konferenz diskutiert wurde: Journalimus macht Schule. Das Projekt setzt sich dafür ein, dass Nachrichten- und Medienkompetenz stärker in deutschen Schulen unterrichtet wird. Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger räumte auf der sehr gut besuchten Veranstaltung ein, dass Deutschland bei der Vermittlung digitaler Kompentenzen aufholen muss.

Bei uns nehmen die Vorbereitung für die NR-Jahreskonferenz im Herbst jetzt Fahrt auf. Wir gestalten gerade das Programm und hoffen sehr, dass sie nach der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie wieder in gewohntem Umfang in Hamburg stattfinden kann. Die Anmeldung ist ab heute freigeschaltet. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 207, 22.03.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am 21.2. erschien unser letzter Newsletter, drei Tage danach begann der Überfall Russlands auf die Ukraine. Seitdem ist die Welt eine andere, auf so vielen Ebenen. Für uns heißt das sehr konkret: Unsere ukrainischen Kolleginnen und Kollegen berichten unter Lebensgefahr aus diesem entsetzlichen Krieg. Sie brauchen unsere Unterstützung. Wenn sie bleiben wollen, um zu dokumentieren, was in der Ukraine passiert. Und wenn Sie fliehen wollen, benötigen sie ebenfalls Hilfe, um ihre Arbeit aus dem Exil fortsetzen zu können.

Netzwerk Recherche hat zusammen mit seinen Partnern n-ost, FragDenStaat, Reporter ohne Grenzen und der taz Panter Stiftung eine Spendenaktion gestartet. Von diesem Geld werden Schutzausrüstungen für die Reporterinnen und Reporter gekauft, Unterkünfte bezahlt und eine psychologische Unterstützung organisiert. Es ist wichtig, die Kolleginnen und Kollegen sofort und unkompliziert zu unterstützen. Hier können Sie spenden:
https://www.betterplace.org/de/projects/106590-unterstuetzung-fuer-journalist-innen-in-der-ukraine

Aber die Hilfe darf dort nicht zu Ende sein. Verlage, Sender und Stiftungen müssen diesen Kolleginnen und Kollegen helfen, ihre Recherchen und ihre Arbeit sind von unschätzbarem Wert. Nicht zuletzt, weil sie diejenigen sind, die am ehesten in der Lage sind, ein realistisches Bild zu vermitteln, was in der Ukraine passiert. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 206, 21.02.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

endlich!

In diesem Jahr soll es wieder eine echte Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche geben. Wir als Vorstand haben gemeinsam mit der Geschäftsstelle beschlossen, alles dafür zu tun, damit wir uns im Sommer wieder persönlich treffen können.

Wir haben nun auch einen Termin: Wir laden Euch am 30. September und 1. Oktober wie gewohnt nach Hamburg zum NDR ein (vielen Dank an den NDR für die fortdauernde Unterstützung!).

Und jetzt seid Ihr dran. Wir wollen von Euch hören, worüber wir reden sollten. Welche Workshops wollt Ihr geben oder wollt Ihr andere Menschen geben sehen? Welche Panels dürfen auf keinen Fall fehlen? Was müssen wir für gute Recherchen unbedingt miteinander ausdiskutieren?

Hier geht’s zum Call for Ideas:
https://netzwerkrecherche.org/termine/konferenzen/jahreskonferenzen/nr-jahreskonferenz-2022/nr22-call-for-ideas/ Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 205, 20.01.2022

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ein neues Jahr hat begonnen. Wie es wird, weiß niemand. Aber einige Fragen werden uns ganz sicher auch im neuen Jahr beschäftigen. Es sind leider die gleichen wie im letzten.

Zum Beispiel: Werden viele von uns nicht nur bei “Spaziergängen” von sogenannten Freiheitskämpfern auch weiterhin als willfährige Unterstützer einer “korrupten Machtelite” attackiert? Werden einige von uns auch weiterhin mit Morddrohungen im Netz konfrontiert? Wird die Beschimpfung als “Lügenpresse” für immer mehr Demonstranten zur gängigen, sie verbindenden Parole?

Unser Respekt, unsere Solidarität gilt all den Kollegen:innen, die dennoch “weitermachen”, sich nicht einschüchtern lassen. Die vor Ort sind, diese “Spaziergänge” beobachten und darüber berichten. Die weiterhin über die Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppierungen recherchieren und damit Vernetzungen und Strukturen entlarven. Die kompetent und seriös aufzeigen, wie krude und absurd vieles vom dem ist, was da auf den Straßen gebrüllt und behauptet wird.

Doch viel zu wenig erfährt – abseits von Medienblogs wie Bildblog, Übermedien u.a. – eine breite Öffentlichkeit über ein Thema, was uns eigentlich alle beschäftigen sollte:

Was einige aus unserer Branche zur Vergiftung dieses Klimas beisteuern. Zum Beispiel Kai Wiese. Der BILD-Reporter analysiert in BILD TV die Corona-Maßnahmen so: „[Die Bundesregierung] arbeitet sich ab mit einem ungehörigen Spaß, die Leute zu knechten, bei denen sie vorher das Vertrauen zerstört hat.“ Und der damalige BILD-Chef Julian Reichelt: “Der Staat behandelt uns wie Verfügungsmasse.“ Und deren oberster Chef vom Springer-Verlag schreibt, wie er betont ganz “privat”, in einer SMS: „Er [Reichelt] ist halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt.“ Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 204, 21.12.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

unsere Vorstandsklausur vor wenigen Tagen war allein der Frage gewidmet, wohin sich das Netzwerk Recherche weiterentwickeln soll. Welche Aktivitäten stärken wir zukünftig und wie beteiligen wir unsere Mitglieder auf dem Weg dorthin? Darüber hätten wir gern ein ganzes Wochenende diskutiert; letztlich ließen die Umstände immerhin einen virtuellen Klausurtag zu. Einen konzentrierten Workshop also, mit Kaffee aus der eigenen Küche, digitalen Whiteboards und viel Abstand zum Tagesgeschehen – dachten wir.

Denn wie so oft kamen die Nachrichten dazwischen. Am Vormittag wurde einmal mehr deutlich: Die Pressefreiheit steht akut unter Druck, auch in westlichen Demokratien. In London hatte der britische Gerichtshof entschieden: Julian Assange darf an die USA ausgeliefert werden, wo ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen. Weltweit arbeiten Journalist:innen zunehmend vernetzt und stützen ihre Recherchen auf internationale Quellen. Für sie, für uns alle ist das Urteil ein gefährliches Signal – und zugleich ein Antrieb für unsere Arbeit im Netzwerk Recherche. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 203, 25.11.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in dieser Ausgabe des Newsletters geht es um Sie, die Leser des Newsletter Netzwerk Recherche.

Wir möchten wissen, wie Ihnen unser Newsletter gefällt. Welche Anregungen Sie haben und welche Kritik. Damit wir den Newsletter verbessern können und ihn so gestalten, dass er Ihnen hilft.

Dazu laden wir Sie zu einer Umfrage ein. Die Beantwortung der Fragen dauert nur wenige Minuten. Wir vom Netzwerk Recherche würden uns sehr freuen, wenn Sie sich diese Zeit für uns nehmen.

Zur Umfrage:
https://forms.gle/tatGgeVnJyV8uTFr5

Es grüßen

Frederik Richter,
Albrecht Ude Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 202, 28.10.2021

Liebe Kolleg:innen,

nichts ist wichtiger für den Journalismus als seine Unabhängigkeit. Wir als Netzwerk Recherche wollen diese Unabhängigkeit stärken. Wir wollen Kolleg:innen unterstützen, die für ihre konkreten Recherchen kämpfen. Und wir wollen dabei helfen, die Strukturen für Recherche ganz grundsätzlich zu verbessern.

Anfang Oktober haben die Mitglieder des Netzwerk Recherche einen neuen Vorstand gewählt. Ich freue mich sehr, dass ich nicht nur der neue erste Vorsitzende dieses wunderbaren Vereins sein darf, sondern dass ich diese Arbeit auch noch gemeinsam mit einem großartigen Team angehen darf [siehe Punkt 02].

Noch nie war Recherche so wichtig wie heutzutage, noch nie hatte Recherche so viele Möglichkeiten, noch nie war Recherche aber auch so unter Druck. Wir wollen mit dem Netzwerk Recherche weiterhin unsere Kernaufgaben wahrnehmen und dabei unsere Stärken ausspielen. Als Knotenpunkt, der Kolleg:innen vernetzt – nicht nur über unsere Jahreskonferenz. Als Lobbyverein für bessere Recherchebedingungen. Als Förderer von vielversprechenden Stipendiat:innen. Als Mahner und Kritiker, wenn wir die Investigation in Gefahr sehen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 201, 23.09.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute schreibe ich zum letzten Mal an dieser Stelle – denn bei unserer nächsten Mitgliederversammlung werde ich nicht mehr zur Wahl antreten. Sechs Jahre lang war ich Erste Vorsitzende des Netzwerk Recherche, zwei Jahre davor zweite. Nun ist meine Zeit vorbei – wenn ich mich auch immer wieder mit ganzem Herzen fürs Netzwerk engagieren werde.

Wenn ich zurückschaue, kommen mir sogleich unendlich viele Bilder und Begegnungen in den Sinn. Von Kolleginnen und Kollegen, die für ihre Arbeit brennen. Vor allem aber hat sich ein ganz bestimmtes Gefühl eingeschrieben und wird für mich immer mit dem Netzwerk verbunden sein: der Drang und die Lust, etwas gemeinsam hinzubekommen.

Ich denke an meine ersten Jahrestagungen vor mehr als 15 Jahren, die ich damals aufgesogen habe wie ein Schwamm. Die Recherchen der anderen, die eigenen Themen, das Ringen um Positionen und die Freude, viele Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen und wiederzusehen – das hat mich begeistert. Ich habe alle Jahre wieder mitorganisiert. Es waren Extremsituationen und dennoch war es nicht zehrend, sondern am Ende immer inspirierend und kraftspendend. Danke, lieber Kuno Haberbusch und danke an alle, die Kolleginnen und Kollegen vom NDR, an alle in unserer Geschäftsstelle, die uns immer wieder aufs Neue fantastische Erlebnisse beschert haben. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 200, 25.08.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es sind verstörende Bilder, die uns täglich die unerträgliche Situation am Flughafen in Kabul vor Augen führen: Wir sehen das Chaos und die Verzweiflung, fühlen die Ohnmacht und die Panik, hören die Schüsse, erfahren von Toten. Und das inmitten von weinenden Kindern und mitfühlenden, aber offenbar überforderten Soldaten. Wir sind weit weg vom Geschehen, aber – wegen der Wucht der Schreckensbilder – gefühlt doch ganz nah dabei.

Doch was wissen wir eigentlich tatsächlich? Die Emotionen sind gewaltig, die überprüfbaren Fakten sehr gering. Das beginnt schon mit den Bildern: Wer hat sie gedreht, wer hat sie bearbeitet, wer hat entschieden, was uns gezeigt werden soll – und was nicht? Quellenangaben (z.B. US-Armee oder Bundeswehr) gibt es nur ganz selten. Die Einordnung der Bilder, die Kommentierung der Lage (nicht nur) für das deutsche Fernsehen erfolgt in aller Regel durch Journalisten, die sich in Taschkent, Dehli oder Istanbul aufhalten. Und auch die Printkollegen sind weit weg. Dies ist kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung. Aber führt dennoch zur Frage: Sind wir wirklich ganz nah dabei? Stimmt das alles, was wir sehen, lesen und hören? Oder – noch nachdenkenswerter – was sehen, lesen und hören wir nicht?

“THE WORLD NEEDS JOURNALISTS” – das stand für alle sichtbar auf dem Shirt von Clarissa Ward. Diese mutige Kollegin blieb auch nach dem Sturm der Taliban in Kabul, berichtete mit ihrem Team unerschrocken über all das, was sich außerhalb des Flughafens ereignete. Ihre Bilder zeigten Straßenszenen, wo es praktisch keine Frauen mehr gab. Schaufenster, die von eventuell zu freizügigen Motiven “gereinigt” wurden. Einwohner, die aus Angst nicht mehr reden wollten. Alles kontrolliert von schwer bewaffneten Milizen der Taliban. Doch dann wurde es ihrem Haussender CNN zu gefährlich, er zog sie ab. Also verließ wohl die letzte Journalistin aus dem Westen das Land. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 199, 27.07.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vielleicht gehörten Sie bis vor kurzem zu jenen Menschen, die meinten, sie seien ausreichend geschützt vor Cyberangriffen. Eine SMS oder eine E-Mail versehen mit einem Link versendet von einer vermeintlich bekannten Absenderin würden Sie vermutlich nicht mehr ungeprüft öffnen. Doch gegen gezielte, lautlose Angriffe – sogenannte Zero-Click-Software – können sich Betroffene kaum wehren. Diese Malware lässt sich auf Mobiltelefonen installieren, allein, weil sich die Person mit einem Netzwerk verbindet.

Vorvergangene Woche machten mehrere Reporter bekannt, dass weltweit Regierungsvertreter und Menschenrechtsaktivisten durch die Überwachungssoftware Pegasus ausgespäht werden. Die zugespielten Daten – 50.000 Telefonnummern aus rund 50 Ländern – die Journalisten koordiniert von dem Verein Forbidden Stories und Mitarbeitern von Amnesty International auswerten konnten, stammen zu großen Teilen aus Staaten wie Aserbaidschan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien, Marokko, Mexiko – und dem EU-Mitgliedsland Ungarn. Unter den potenziellen Zielen der Malware befanden sich auch Journalisten. Pegasus kann mithören, mitgucken und selbst vermeintlich sichere Messengerdienste auslesen. Pegasus ist, wie mein Kollege Albrecht Ude in einer E-Mail formulierte: “ein privatwirtschaftlich betriebener Trojaner im Staatsauftrag”. Die Spyware zeigt: Wir, die Mobiltelefone nutzen, sind schutzlos. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 198 vom 24.6.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Freier Recherchejournalismus ist Selbstausbeutung. Und weil dem so ist, ist die Investigation in Deutschland schlechter, als sie sein könnte. Was kann man dagegen tun? Und welche Rolle könnte das Netzwerk Recherche dabei spielen?

„Hab eben die Buchhaltung für ein Projekt zu Ende gemacht & es ist wie oft: Reise- und Übersetzungskosten fressen das komplette Stipendium, Arbeitszeit ist nicht eingerechnet, vorab Support von Redaktionen gibt es keinen. D.h. wir haben de facto 4 Monate für umsonst gearbeitet“, schrieb die freie Reporterin Pascale Müller vor wenigen Tagen auf Twitter. Und weiter: „Alle wollen die großen Recherchen. Niemand will sie bezahlen.“

Beim Netzwerk Recherche machen meine Kollegin Annelie Naumann und ich immer wieder ganz ähnliche Beobachtungen. Wir haben die Aufgabe, alle Bewerbungen für Recherchestipendien des nr zu sichten, bevor der Vorstand über deren Förderung entscheidet. In fast jeder Bewerbung heißt es, dass große Redaktionen zwar Interesse bekunden würden, aber keine Reise- und keine Recherchekosten zahlen.

Wer als freie:r Journalist:in ähnlich verdienen und leben möchte, wie fest angestellte Kolleg:innen (inklusive Urlaub und der Möglichkeit, auch mal krank zu sein), braucht Tagessätze von mindestens 300 Euro, eigentlich sogar mehr. Für jeden Tag, auch für Tage, an denen Vorrecherchen stattfinden. Das ist angesichts der Honorare, die mir erzählt werden (und die ich früher als freier Journalist erhalten habe) viel zu häufig völlig illusorisch. Eine Ausnahme sind vielleicht einige fest-freie Konstellationen, vor allem beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es gibt nur wenige Redaktionen in Deutschland, die für Recherchen überhaupt vierstellige Honorare anbieten. Und selbst mittlere, vierstellige Honorare lassen aufwändigere Recherchen nur zu, wenn umfassende Vorrecherchen in der Freizeit gelaufen sind. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 197 vom 25.5.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

was am Pfingstsonntag an Bord eines Ryanair-Fluges im Luftraum über Belarus geschah, betrifft nicht nur das Schicksal eines Journalisten und Bloggers. Es ist ein Schlag gegen die Pressefreiheit in ganz Europa. Ein belarussisches Kampfflugzeug zwang die Ryanair-Piloten ihren Kurs zu ändern und nötigte sie, in Minsk zu landen. Offenbar unter dem Vorwand einer Bombendrohung und auf direkte Anweisung des Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko. Ziel dieser Operation war Roman Protasewitsch, 26 Jahre alt, der seit zwei Jahren im Exil lebte. Er befindet sich in einem belarussischen Gefängnis, wie es ihm derzeit geht, ist bei Redaktionsschluss des Newsletters unklar, die Lage ist unübersichtlich und verändert sich schnell.

Protasewitsch hatte in seiner Heimat als Journalist gearbeitet und den Telegram-Kanal Nexta mitgegründet. Nexta berichtet über Polizeigewalt gegen Demonstranten und Oppositionelle, dokumentiert Misshandlungen, zeigte mit Drohnenaufnahmen, wie viele Menschen in Belarus gegen ihre Regierung protestierten. Der Kanal half auch, Proteste gegen das Regime von Alexander Lukaschenko zu organisieren, indem er Orte bekannt gab, an denen Versammlungen stattfinden sollten. Inzwischen arbeitet Protasewitsch für einen anderen regierungskritischen Telegramkanal.

Dass ein Journalist, der bereits im Exil lebt, aus einem Flug zwischen zwei europäischen Hauptstädten entführt und ins Gefängnis gebracht wird, ist ungeheuerlich. Lukaschenko will damit offenbar nicht nur Protasewitsch zum Schweigen bringen. Er sendet auch ein Signal an alle seine Gegner, an Oppositionelle und an kritische Journalisten, dass diese sich nirgends mehr sicher fühlen sollen. Dagegen muss der Westen, die EU, Deutschland und die Zivilgesellschaft ein noch deutlicheres Signal setzen. Nämlich, dass sie ein solches Verhalten von Belarus nicht tolerieren. Und dass sie nicht hinnehmen, dass ein Reporter, der in einem EU-Staat lebt, auf diese Weise eingeschüchtert wird. Protasewitsch muss sofort freigelassen werden. Denn sein Fall betrifft eben nicht nur die Pressefreiheit in Belarus, ein Land, das auf der Rangliste von Reporter ohne Grenzen auf Platz 158 von 180 steht. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 196 vom 22.4.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir haben uns in unserem 20. Jubiläumsjahr auf die Suche nach uns selbst begeben – mit einer kleinen Rechercheübung: Wer sind wir eigentlich und wer sind unsere Mitglieder? Sehr viele kennen wir seit Jahren persönlich, weil sie sich immer wieder zu Wort melden mit ihren starken Recherchen und sich gemeinsam mit uns engagieren, bei unseren Tagungen und unseren Projekten. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Aber einige kennen wir nur namentlich, aus unserem Mitgliederverzeichnis.

Unsere Vorstandskollegen Christina Elmer und David Hilzendegen haben unsere Kartei geplündert und jede Menge Erkenntnisse gewonnen. Zum Beispiel, dass wir maximal viele Andreas‘ bei uns haben. Genauso wie Michaels und Christians. Ziemlich banal, natürlich, aber es entsteht ein bestimmter Eindruck und er trügt nicht. Wir sind tatsächlich mehr Männer als Frauen. Fast sechzig Prozent unserer Mitglieder sind Männer, rund vierzig Prozent sind Frauen. Tendenz: Der Anteil der Frauen wächst, auch wenn die Männer noch eine ganze Weile in der Mehrheit sein dürften. Natürlich ist das nicht schlimm. Eigentlich ist es sogar gar keine schlechte Quote, wenn man bedenkt, wie gering der Anteil der Frauen in den Rechercheressorts doch immer noch ist. In jedem Fall haben wir uns in den letzten Jahren ziemlich verändert. Denn in den Anfängen waren 75 Prozent unserer Mitglieder Männer und nur 25 Prozent Frauen.

Wir haben nun auch unsere Foto-Archive geplündert und dank unserer Kollegen Manfred Redelfs, Günter Bartsch und Franziska Senkel Schätze gehoben. Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit stand allen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben, als damals das Netzwerk Recherche in Simmerath-Erkensruhr gegründet wurde. In einem sagenhaft schmucklosen Ambiente. Gemeinsam richtete man den Blick auf ein damals visionäres Ziel. Denn erstmals schlossen sich Journalisten zu einem Netzwerk zusammen, um gemeinsam die eigenen Interessen durchzusetzen: bessere Rahmenbedingungen für Recherchen, eine Klärung, welchen Stellenwert Recherche hat, ein Verständnis des Handwerks und eine Verabredung darüber, es zu vermitteln und gemeinsam strukturiert zu recherchieren. Von Beginn an spielte Selbstkritik der eigenen Arbeit und Zunft eine große Rolle. Die Ziele von damals, sie gelten bis heute. Auch wenn sich so vieles verändert hat – auch wir uns, das Netzwerk Recherche. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 195 vom 24.3.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir alle kennen die “Medienmetropolen” – also z.B. Berlin, Köln, München, Leipzig oder Hamburg. Doch kaum jemand kennt Simmerath-Erkensruhr. Aber eben dort, also in der tiefen Provinz, trafen sich vor 20 Jahren Journalistinnen und Journalisten aus der gesamten Republik und gründeten das “Netzwerk Recherche”. Spötter behaupten, das Auffinden dieser Gemeinde – damals war das “Navi” noch keine Selbstverständlichkeit – sei der Beweis, dass all jene, die es geschafft hatten, ernsthaft an Recherche interessiert waren.

Natürlich gab es schon vor der Gründung von “Netzwerk Recherche” Kollegen, die durch hartnäckiges Nachfragen, durch gutes Handwerk und mit viel Leidenschaft Missstände und Skandale enthüllten, die der “Wächterfunktion” der Presse durch ihre Arbeit gerecht wurden. Und die, das kann man in Zeiten wie diesen nicht oft genug betonen, unverzichtbar waren und sind für eine lebendige Demokratie.

Diese Lust und Leidenschaft an Recherche noch mehr zu fördern, den Austausch zu pflegen, die Vernetzung zu ermöglichen – das waren die Motive all jener, die sich Ende März 2001 in Simmerath-Erkensruhr trafen. Und es ist spannend zu lesen, wie damals über den Stellenwert der Recherche in den Redaktionen diskutiert wurde. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 194 vom 23.2.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vergangene Woche haben wir in gemütlicher Runde über lokale Recherche gesprochen. Bei unserer neuen Reihe „nr-insights“ gaben vier Lokaljournalist:innen Auskunft, wie sie für die Heidenheimer Zeitung, für die Aachener Zeitung und für die Sächsische Zeitung aufwändige Recherchen möglich machen.

Im Gespräch berichteten die vier von Unternehmern und Behördenchefs, die sich bei Chefredaktion und Verlag beschweren; von Drohungen; von Rechtsanwaltsschreiben. Und von Zerreißproben für persönliche Freundschaften. Denn wer seinen Protagonisten im Alltag immer wieder über die Füße läuft, sie aus der Schule oder dem Fußballverein kennt, der hat es sehr viel schwieriger als diejenigen, die über ferne DAX-Unternehmen oder Bundespolitiker berichten.

Alle vier waren sich einig, dass es für lokale Recherchen vor allem zwei Dinge braucht: Zeit. Und eine Verlagsleitung mit Rückgrat. Wer keine Zeit hat, Akten zu lesen und Protagonisten zur Not auch fünf-, sechs- oder siebenmal zu treffen, der kann keinen Machtmissbrauch aufdecken. Und wer keine Manager und Juristen hinter sich hat, denen bewusst ist, wie zentral gute Recherchen für ein lokales Medium sind, steht beim ersten Gegenwind schnell alleine da.

Die „nr-insights“ sind mein neues Lieblingsformat beim Netzwerk Recherche. Um der Vereinzelung während der Pandemie etwas entgegen zu setzen, organisieren meine Kollegen seit Januar ein monatliches Gespräch, für das sie kluge Reporter von ihrer Arbeit erzählen lassen. Durch den späten Beginn (immer 20:15 Uhr) kommt Wohnzimmer-Atmosphäre auf. Eine kleine Ersatzdroge für alle, die unsere Jahreskonferenz (die letzte ist jetzt schon 20 Monate her!) so vermissen wie ich. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 193 vom 27.1.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vergangene Woche kündigte der Verlag Gruner + Jahr an, die Politik- und Wirtschaftsredaktionen von Stern, Capital und Business Punk in Berlin zusammenzulegen. Die Redakteurinnen und Redakteure in Hamburg, die bislang in diesen Bereichen arbeiten, sollten andere Aufgaben übernehmen. Die Chefredaktion wird damit zitiert, man wolle die journalistische Kraft zweier befreundeter journalistischer Marken ballen. Es ist die neueste Spar-Nachricht nach einem Jahr voller solcher Ankündigungen. Und ihrer schnellen Umsetzung in großen und kleineren Verlagen und Sendern. Der Medienökonom Frank Lobigs von der TU Dortmund sagte im Deutschlandfunk sogar, er rechne damit, dass künftig auch „konzernübergreifend“ Zentralredaktionen gebildet werden würden. In denen unter dem Strich dann weniger Journalisten arbeiten werden.

Selbstverständlich funktioniert Journalismus nur, wenn er nachhaltig finanziert werden kann, das ist klar. Weltweit suchen Redaktionen und Verlage, aber auch Stiftungen und Gründer nach Wegen, um Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Dass Abo-Modelle im Netz zunehmend besser funktionieren, ist ein Hoffnungsschimmer und zeugt auch von einem Umdenken der Leserinnen und Leser, denen offenbar bewusst wird, dass guter Journalismus nicht umsonst ist. Aber wird das reichen, um Qualitätsjournalismus auf eine hinreichend solide monetäre Basis zu stellen? Wieviele Kollegen werden überhaupt noch rechercheintensiv arbeiten können?

Seit knapp einem Jahr leben wir jetzt mit dem Coronavirus. Die durch die Pandemie ausgelöste Krise hat einen Widerspruch unserer Branche weiter zugespitzt. Die schon vorher angespannte finanzielle Lage der Medienhäuser hat sich durch das Wegbrechen von Anzeigenerlösen verschärft. Gleichzeitig wird noch deutlicher, wie wichtig vielfältiger, recherchierender Journalismus ist. Verlage wie Sender registrieren einerseits das gewaltige Interesse an einer seriösen, faktenbasierten und kritischen Corona-Berichterstattung. Es ist aber auch deutlich sichtbar, wie viele Bürger sich von einem evidenzbasierten Diskurs abgewendet haben, seien es Querdenker oder Anhänger des QAnon-Kultes. Und dass es eine nicht so kleine Gruppe gibt, die mit manchen Ansichten von Querdenkern liebäugelt, aber für Argumente noch erreichbar ist.

Wohin es führt, wenn sich eine Gesellschaft nicht mehr auf die grundlegendsten Fakten einigen kann, hat zuletzt der entsetzliche Sturm auf das US-Capitol gezeigt. Man kann davon ausgehen, dass etliche der Beteiligten ernsthaft davon überzeugt waren, Trump habe die Wahl gewonnen. Und das wiederum hängt auch damit zusammen, dass ein nicht kleiner Teil der US-Bevölkerung den in den Sozialen Netzwerken verbreiteten Lügen lieber glauben möchte als den Ergebnissen der Arbeit von Journalisten. Je weiter eine derartige Zersplitterung der Öffentlichkeit voranschreitet, umso stärker gefährdet sie auch die Demokratie.

Qualitätsjournalismus steht also unter einem enormen finanziellen Druck, während die Erkenntnis, dass er für eine funktionierende plurale Gesellschaft zentral ist, immer deutlicher wird. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 192 vom 17.12.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

nun sind wir doch wieder zurück im Lockdown. Und alles ist genauso gekommen, wie es ausdrücklich nicht kommen sollte. Welcome back in der Welt der wenigen Kontakte, in der Atmosphäre des Rückzugs und zuweilen auch der Skepsis. Leider ist das eine Welt, in der auch unsere Arbeit komplizierter wird, weil wir die Dinge und das Leben weniger in Augenschein nehmen können. Dabei wäre es gerade jetzt umso wichtiger.

Medien haben in diesen Tagen viel darüber berichtet, was Politiker alles falsch gemacht haben in den vergangenen Monaten, welche Entscheidungen sie verpasst haben. Dass sie die zweite Welle nicht richtig ernst genommen haben, zu viel gestritten und schließlich zu spät halbherzige Maßnahmen ergriffen haben. Dass sie die Sommermonate nicht noch intensiver genutzt haben, eine Software zu entwickeln, die die zeitraubende Fax-Korrespondenz der Gesundheitsämter ersetzt. Dass sie die Schulen nicht mit Hochdruck fit gemacht haben für die zweite Welle. Und auch, dass es ihnen nicht gelungen ist, die Überbrückungshilfen weder technisch noch politisch schnellstens zu regeln. Selbst wenn sie die Warnungen der Virologen nicht glauben konnten, hätten sie all das vorbereiten können. Sie haben versprochen, dass es keinen zweiten Lockdown geben würde und sie haben versprochen, dass selbst, wenn es einen Lockdown geben würde, die Schulen und Kitas nicht wieder geschlossen würden. Nun ist all das eingetreten – und genau diesen Widerspruch haben Medien Politikern zurecht vorgehalten in diesen Tagen.

Aber was haben WIR eigentlich falsch gemacht in diesem Jahr? Was hätten wir mindestens besser machen können? Das haben wir uns bislang nicht wirklich gefragt, jedenfalls war davon nicht viel zu lesen, zu hören oder zu sehen. Haben wir die richtigen Fragen gestellt? Haben wir unsere Rolle in der Pandemie gefunden – kritisch und so unabhängig wie möglich? Wie haben wir unsere Haltung entwickelt im Spannungsfeld zwischen Regierenden und Querdenkern? Zwischen diesen Virologen und jenen Virologen? Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 191 vom 24.11.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute schon eine “Schalte” – oder gleich mehrere – absolviert? Zu Beginn des Jahres nannte man das noch “Konferenz”. Viele Leute in einem Raum, die konzentriert und diszipliniert die Themen und Ideen für die nächste Ausgabe, die nächste Sendung besprechen. Bisweilen aber auch – denn das gehört dazu – heftig gestritten über die Relevanz, die Einordnung oder die Stoßrichtung all dessen, was so täglich passiert und über das berichtet werden soll. Unmittelbarer Augenkontakt, spontane Reaktionen. Ist es nicht diese Atmosphäre, die wir alle brauchen, um eine “Haltung” zu unserem Produkt zu entwickeln, um täglich bestmöglichst unser Verständnis von Journalismus zu präsentieren?

Heute stellen sich für viele Redaktionen ganz andere Herausforderungen: Klappt die Technik, reicht das WLAN, ist die Stummtaste zum richtigen Zeitpunkt gedrückt, gibt es zu viele störende Hintergrundgeräusche, bin ich zu hören (und auch zu sehen)? Wie reagieren die anderen spontan auf meine Worte, entsteht so etwas wie eine konstruktive Atmosphäre für unser gemeinsames Anliegen?

Die Erfahrungsberichte sind sehr unterschiedlich. Manche meinen, der Austausch per Video sei wesentlich konzentrierter, die Kommunikation sei völlig ausreichend, nichts bleibe “auf der Strecke”. Andere vermissen den unmittelbaren Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen, den direkten und auch spontanen Austausch, die Gespräche am Kaffeeautomaten oder beim gemeinsamen Mittagessen. ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo formulierte es so: “Eine Zeitung muss gemeinsam erquatscht werden”.

Auch wir bei Netzwerk Recherche müssen uns in dieser “neuen Zeit” zurechtfinden. Schmerzhaft die Entscheidung, unsere diesjährige Jahrestagung absagen zu müssen. Stattdessen eine Webinar-Reihe mit vielen Panels zu wichtigen Themen. Ja, wir haben dafür viel Lob und Anerkennung erhalten (vielen Dank dafür), aber auch viele Reaktionen, die einen Tenor hatten: Nichts kann die vielen Gespräche, Kontakte, Diskussionen ersetzen, die viele während unserer mittlerweile 18 Jahrestagungen beim NDR (und vielen Fachkonferenzen) erlebt haben. Und immer wieder fiel das Stichwort vom offenkundig schmerzlich vermissten “Quatschen am Pommesstand”. Wir scheinen also in all den Jahren vieles richtig gemacht zu haben. Das zumindest hat uns gefreut in dieser schwierigen Zeit. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 190 vom 27.10.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vor den US-Wahlen reden alle über die Enthüllungen von New York Times oder Washington Post, über die Berichterstattung bei CNN, ABC oder Fox News. Dabei ist guter Lokaljournalismus für die Wähler mindestens genauso wichtig.

Der liegt in den USA längst am Boden: Lokales Fernsehen produziert selten eigene Recherchen und große Teile werden von der oft einseitig konservativ berichtenden Sinclair-Gruppe kontrolliert. Lokalradio existiert zwar, muss aber zu großen Teilen über Spenden finanziert werden. Und Zeitungen brechen in manchen Regionen gar komplett weg. Viele große Städte wie Denver oder Cleveland haben oft nur noch wenige Dutzend Journalisten, die das Geschehen vor Ort recherchieren und einordnen können – wenn überhaupt. (Eine Buchempfehlung hierzu: “Ghosting The News” von Margaret Sullivan).

Diese Lücke wird mittlerweile von Webseiten ausgenutzt, die bestellte Artikel für Unternehmen und Politiker veröffentlichen – vor allem für konservative Republikaner – und diese gekauften Texte als Journalismus verkleiden. 1300 solcher Lobby-Seiten soll allein ein einziges Unternehmen betreiben, recherchierte die New York Times vor Kurzem. Das klingt nach Dystopie, ist aber längst Realität.

In Deutschland ist es noch nicht so schlimm, aber die USA sollten uns eine Warnung sein. Ein Beispiel hat mich vor kurzem ins Grübeln gebracht. Mit Karsten Krogmann und Tobias Großekemper sind zwei ausgezeichnete Reporter von der Nordwest-Zeitung beziehungsweise den Ruhr-Nachrichten zum “Weißen Ring” gewechselt, einer NGO, die sich für Kriminalitätsopfer einsetzt. Krogmann hatte unter anderem die Mordserie des Pflegers Niels Högel mit aufgedeckt und dafür einen Nannenpreis erhalten. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 189 vom 24.09.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in diesem Monat hat die Journalistin Sarah Schurmann einen offenen Brief zur Berichterstattung über den Klimawandel veröffentlicht, den etliche Journalisten unterschrieben haben (s. #12). Sie ruft darin dazu auf, die Klimakrise “endlich ernst zu nehmen” und die immer deutlicher sichtbaren Konsequenzen der Erderwärmung mit größerer Dringlichkeit zum Thema zu machen. Eine der Kernaussagen des Briefes ist, der Journalismus verharre trotz der Dramatik der Klimakrise viel zu sehr im Normalmodus.
Schnell begann daraufhin eine Debatte über die angemessene Rolle von Journalisten: Sollen, dürfen oder müssen sie auch Aktivisten sein?

Es ist eine für den Journalismus alte Frage, aber eine sehr wichtige, und eine extrem umstrittene. Schurmann und ihre Mitunterzeichner schreiben: “Solange eine kritische Masse an Journalisten” nicht verstehe wie unumkehrbar die Erderwärmung sei, dass sofortiges Handeln notwendig sei und ihre Arbeit danach ausrichte, “solange werden auch Politiker nicht entsprechend handeln”.

Der Brief ist getragen vom Zutrauen in den eigenen Einfluss und von der Gewissheit, was das Ziel der Berichterstattung sein soll. “Die kommenden Monate sind unsere wohl letzte Chance, genug Druck auf die Regierungen dieser Welt aufzubauen, um sie zu Maßnahmen zu bewegen, um unter 1,5 Grad zu bleiben.” Das ist keine Berichterstattung, die darauf abzielt, auf Missstände hinzuweisen, sondern die sich der Umsetzung eines politischen Ziels verschrieben hat.
Welche Probleme das mit sich bringt, und warum eine ganze Reihe Journalisten meinen, diese Art des Aktivismus sei nicht nur kein Problem, sondern notwendig, darüber müssen wir immer wieder diskutieren.
Aber der offene Brief enthält eine weitere Botschaft, er ruft nämlich dazu auf, immer wieder Abstand vom Tagesgeschäft zu gewinnen und sich die richtigen Fragen zu stellen. Schurmann schreibt über unsere routinierte Berichterstattung mit all den Meldungen zur Klimakrise: “Viele von uns scheinen das Gesamtbild gar nicht mehr zu sehen, das diese Meldungen ergeben. Wir machen uns – und anderen – gar nicht klar, was all diese Entwicklungen zusammengenommen für die Welt bedeuten, in der wir leben. Doch genau das wäre unser Job.” Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 188 vom 28.08.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

neulich sollte Markus Söder nach Schleswig-Holstein kommen: das hat mir wieder vor Augen geführt, wie doof ich unseren Journalismus manchmal finde. Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident, der so ist, wie er ist, wollte zur Wattwanderung kommen, um sich dort von Journalisten fotografieren und filmen zu lassen. Und rund siebzig Journalisten fanden das offenbar eine wirklich gute Idee und wollten in jedem Fall zum Fotografieren und Filmen dabei sein.
Vor ein paar Jahren war Markus Söder schon einmal mit Journalistentross im Watt herumspaziert und offenbar hat es ihm schon damals so gut gefallen, dass er es just jetzt noch einmal machen wollte. Frische Bilder, um sich ein bisschen selbst zu inszenieren, als vielleicht-Kanzler-Kandidat oder einfach auch als Markus Söder.

So durchschaubar, aber zugleich so gerne genommen von uns Medien, die dann vorgeben, es natürlich alles zu durchschauen. Immer wieder hält man es für witzig und unterhaltsam, wenn Politiker sich so zeigen und sieht darin dann einen Anlass für eine besondere und auch total kritische Berichterstattung. Dass Medien meinen, dort würden interessante Beobachtungen von Markus Söder oder von Markus Söder und den Medien gelingen, ist eigentlich eine Farce. Am Ende drehen und beobachten wir uns alle gegenseitig, um zu analysieren, wie verrückt das alles ist, dass Markus Söder sich im Watt filmen lässt und wir Medien es bereitwillig berichten. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 187, 27.07.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Skandalfirma Wirecard kennt mittlerweile jeder. Und auch deren “Spitzenleute” sind in aller Munde: Markus Braun (sitzt aktuell im Gefängnis) und Jan Marsalek (ist noch auf der Flucht).

Doch nur ganz wenige kennen Dan McCrum und Stefania Palma. Das ist schade. Beide recherchieren und schreiben für die Financial Times. Auch über Wirecard. Und das schon seit 2016 (!). Als Wirecard in Deutschland noch als Börsenliebling gefeiert und von Politikern hofiert wurde, lieferten sie immer wieder verstörende Einblicke in den Wirecard-Sumpf.

Doch offenbar waren Behörden, Kontrolleure oder Politiker hierzulande nicht an Aufklärung all der Vorwürfe interessiert. Stattdessen wurden Dan McCrum und Stefania Palma für ihre Enthüllungen über die Betrügereien bei Wirecard bedroht, diffamiert und sogar verklagt. Mit dabei: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Eine Behörde mit rund 2.700 Mitarbeitern, für deren Rechts- und Fachaufsicht das Finanzministerium zuständig ist, machte sich also zum Büttel von Wirecard. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 186, 15.06.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

unser Journalismus hat sich verändert. Wir gehen weniger raus, wir berichten seit Monaten fast ausschließlich über die Coronavirus-Pandemie, wir sind selbst von Kurzarbeit, Auftragsverlusten oder Kündigungen betroffen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns austauschen; dass wir darüber nachdenken, wie es weitergehen kann; dass wir uns Techniken aneignen, um diese neuen Herausforderungen zu meistern.

Wir haben uns beim Netzwerk Recherche dazu entschlossen, unsere Jahreskonferenz trotz allem durchzuführen, online, mit weniger Veranstaltungen – aber es gibt sie und wir können gemeinsam über guten Journalismus und Recherchen reden. Unser Programm spiegelt dabei die aktuellen Herausforderungen. Wir reden über Daten- und Wissenschaftsjournalismus zu Corona-Themen, über neue Medienformate in der Krise – und über Recherche-Grundlagen, online wie offline.

Vielleicht ist die Krise auch eine Chance, neues Vertrauen in uns Journalisten zu schaffen.

Zum einen, indem wir unsere Arbeit transparenter machen, indem wir Quellen – wenn möglich – verlinken, indem wir Recherchewege erklären und insgesamt wissenschaftlicher arbeiten. Eine zentrale Frage an unsere Artikel können wir aus der Wissenschaft ableiten: Können Kollegen, können meine Nutzer meine Arbeit nachrecherchieren? Und würde dasselbe Ergebnis dabei herauskommen? Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 185, 25.05.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist eine für den Journalismus ambivalente Zeit und auch für Netzwerk Recherche.
Wir lernen ja gerade, dass diejenigen, die Ambivalenz besser aushalten, also das gleichzeitige Vorhandensein widersprüchlicher Informationen und Gefühle, besser durch Krisen kommen. Das erfahren wir von den Psychologen, die wir dieser Tage über den richtigen Umgang mit Corona befragen. Das gilt für Menschen, aber vielleicht gilt es auch für Organisationen.

Wir freuen uns einerseits, dass wir anstelle unserer Jahreskonferenz eine virtuelle Konferenz, Webinare planen [1]. Dort wollen wir uns über all die professionellen Fragen austauschen, die uns gerade beschäftigen, die Fragen, über die man im Home Office weniger debattiert. So ein virtueller Austausch funktioniert oft erstaunlich gut.
Aber, und auch das ist uns natürlich klar, die Webinare werden nicht den Charakter eines Klassentreffens haben können, den viele an der Jahreskonferenz so geschätzt haben: Die Gespräche am Rande, die Kollegen, die man zufällig kennenlernt oder jedes Jahr nur hier wiedertrifft, die Leidenschaft, die eine tolle Diskussion vermitteln kann. Dass es das in diesem Jahr nicht geben wird, ist bitter, für uns alle im netzwerk, und fühlt sich um so trauriger an, je näher der Termin rückt.

Eine Ambivalenz, die jetzt, im dritten Monat der Coronakrise, sehr viele beschäftigt, ist der Widerspruch, wie sehr unsere Arbeit gerade von vielen anerkannt wird, aber wie brüchig das wirtschaftliche Fundament ist, auf dem sie steht. In vielen Verlagen und Sendern gibt es Sparprogramme und Kurzarbeit, die Situation für Freie und Berufsanfänger ist noch schwieriger geworden. Gleichzeitig wird unsere Arbeit in der Krise stärker gelesen, gehört und angesehen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 184, 28.04.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich bin voller Anerkennung für Deutschland. Dass wir 47 Flüchtlingskinder aus dem griechischen Lager in Lesbos aufnehmen, war eine gute Nachricht in diesen Tagen. Ohne viel öffentliches Gezank der Politiker, ohne übermäßige Profilierungsgelüste und ohne hörbare rechte Misstöne hat Deutschland diese Flüchtlinge nun zu sich geholt. Dass Medien derzeit wenig Aufmerksamkeit für politischen Zwist haben, ist dabei ein echter Vorteil.

Deutschland hätte viel mehr Kinder und Jugendliche holen können und müssen, sagen und denken wiederum viele. Denn es ist eine Schande und schmerzvoll, dass es ein solches Lager in Europa überhaupt gibt. Was wir darüber wissen, haben wir wenigen Journalisten zu verdanken, die dort unbeirrt und trotz heftiger Bedrohungen ihre wichtige Arbeit verrichten. Nur, wenn ihre Bilder und Beschreibungen um die Welt gehen, erhöht sich der Druck für die anderen Staaten. Ich hoffe, dass noch viele Kinder und Jugendliche nach Deutschland kommen werden und dass andere Länder Deutschland und Luxemburg folgen werden.

Ich denke, wir haben das nicht gemacht, weil es uns gut geht. Sondern es geht uns gut, weil wir das so gemacht haben.

Denn tatsächlich haben wir ja gerade jetzt zu kämpfen. An allen Ecken und Enden geht es um die Substanz. Und auch im Journalismus setzt uns Corona übel zu. Jedes Medium ist betroffen, ob groß oder klein, überregional oder lokal. Das unsichtbare Virus wütet und hinterlässt eine Schneise der Verwüstung in unserer Medienlandschaft. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 183, 26.03.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

jetzt also – in der Krise – ist unsere Arbeit plötzlich “systemrelevant”. Ganz offiziell. Beschlossen und verkündet von den Behörden in NRW und Berlin. Andere Bundesländer werden sich dieser Einordnung sicherlich anschließen. Dies erleichtert vielen Kollegen ihre Arbeit, da sie Anspruch auf eine Notfallbetreuung ihrer Kinder haben. “Systemrelevant” bedeutet aber nicht, dass wir wieder als “Systempresse” (oder “Staatsmedien”) diffamiert werden. Dies nur als vorsorglicher Hinweis für all jene, die schon seit geraumer Zeit mit solch populistischen Parolen unsere Unabhängigkeit in Frage stellen.

Noch gehören wir nicht zu den “Helden des Alltags”, die zu Recht durch großflächige Plakate, seitenfüllende Zeitungsanzeigen, Danksagungen im Netz und gemeinsamen Klatschen von Balkonen gefeiert werden. Aber immer mehr Menschen erkennen, dass auch unsere Arbeit “unverzichtbar” ist für eine demokratische Gesellschaft. Rekordquoten für Informationssendungen, riesige Zuwächse im Netz für Nachrichtenangebote von Verlagen und Sendern. Und so mancher macht beim Zeitungsladen die gleiche Erfahrung wie bei der Suche nach Klopapier im Supermarkt:
Zeitungen leider ausverkauft. Wir gehören mit unserer Arbeit – so zynisch das auch klingen mag – zu den “Gewinnern” der Krise.

Aber viele von uns sind auch “Verlierer”. Das sollte uns gerade jetzt auch bewusst sein. Unzählige freie Kollegen haben aktuell keine Einkommen, weil fest verabredete Beiträge storniert werden. Weil viele Themen abseits von Corona nicht mehr gefragt sind. Weil viele Fernsehmagazine vorübergehend pausieren, Drehs für Dokumentationen nicht möglich sind, viele Zeitungsbeilagen nicht gedruckt werden. Über “Solidarität in der Krise” wird allüberall geschrieben – und sie wird auch immer wieder eingefordert. Sender und Verlage sollten klar signalisieren, dass diese “Solidarität” auch ihren freien Mitarbeitern zuteil wird.

Gerade in Krisenzeiten haben Medien, also wir, eine große Verantwortung. Gefordert sind kompetente und einordnende Berichte und Analysen statt reißerische Schlagzeilen für hohe Klickzahlen und hohe Auflagen. Ein erster – und sicherlich nur vorläufiger – Befund: Die meisten Medien werden dieser Verantwortung gerecht. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 182, 20.02.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Rheinzeitung hat angekündigt, ihre Lokalredaktionen zu schließen. Stattdessen soll es nur noch drei sogenannten Regionaldesks geben [1]. Und die Westdeutsche Zeitung will in Zukunft ihre Inhalte für den Düsseldorfer Lokalteil nicht mehr selbst produzieren [2].

Zwei Meldungen aus den vergangenen vier Wochen, die – sollten die Einsparungen nicht für neue Recherche-Teams genutzt werden – einen seit Jahren andauernden Trend fortsetzen: Es gibt immer weniger Journalismus im Lokalen, von Recherche gar nicht erst zu reden. Das ist bitter, denn im Lokalen ist unsere Arbeit besonders direkt erleb- und überprüfbar. Wo, wenn nicht dort, sollen wir Vertrauen in unsere Arbeit bewahren oder wieder erkämpfen?

Wer investiert überhaupt noch in Recherchen vor Ort? Welche Modelle haben Zukunft? Das Netzwerk Recherche hat vor kurzem mit einer Reihe von Partnern das “Forum Gemeinnütziger Journalismus” mitgegründet [3]. Aber reicht das?

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass wir mit weniger Inhalten am Ende mehr Leser an uns binden können – wenn die Inhalte gut genug sind [4]. Für mich ist das eine unglaublich ermutigende Nachricht. Was folgt darauf? Warum probieren wir nicht mehr aus, veröffentlichen nur noch sehr viel weniger Artikel, schaffen Print ab und verschicken nur noch einen ausführlichen Newsletter? Wo sind die radikalen Modelle im Lokalen? Vielleicht ist der Druck auch einfach noch nicht groß genug.

Wer Ideen für Recherchen im Lokalen hat, aber keine redaktionelle Unterstützung dafür: Wir beim Netzwerk Recherche fördern nichts lieber als gute Ideen für lokale Recherchen. Egal ob Umweltkriminalität, Arbeiterausbeutung, extremistische Zellen oder eine illegale Postenvergabe im Landratsamt – meldet Euch gerne bei uns, wir unterstützen Eure Ideen mit bis zu 5000 Euro [5].

Und: Auch auf unserer Jahreskonferenz werden wir wieder ausführlich über Recherche im Lokaljournalismus diskutieren. Bis zum 29. Februar gibt es die Tickets für die Konferenz noch zum vergünstigten „Early Bird“-Tarif [6].

Und: Unterstützt Reporter*innen, die zu Rechtsextremismus recherchieren.

Es grüßen

Daniel Drepper,
Albrecht Ude Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 181, 27.01.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

seit siebeneinhalb Jahren lebt Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht mehr in Freiheit. Im Juni 2012 floh er aus Furcht vor einer Auslieferung in die USA in die ecuadorianische Botschaft in London. Nachdem Ecuador 2019 den Aufenthalt in der Botschaft beendete, nahm die britische Polizei ihn fest, er sitzt im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, bis vor wenigen Tagen offenbar in Einzelhaft. Die USA verlangen seine Auslieferung, in wenigen Wochen, Ende Februar, soll die Verhandlung darüber vor einem Londoner Gericht beginnen. Schweden hat die Ermittlungen wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen Assange im November 2019 eingestellt, weil sich die Beweislage deutlich abgeschwächt habe, da die Vorwürfe schon so lange zurückliegen.

Die US-Regierung hat Assanges Auslieferung schon länger betrieben. Nach seiner Verhaftung wurde die bis dahin geheime Anklageschrift der USA bekannt. Zunächst ging es um den Vorwurf, er habe dem Whistleblower Chelsea Manning geholfen, Passwörter zu überwinden.

Im April erhob die US-Regierung 17 weitere Vorwürfe nach dem sogenannten Espionage Act von 1917. Im Kern drehen sich diese Punkte darum, dass Assange amerikanische Geheimdokumente erhalten und veröffentlicht haben soll. Auch die New York Times, der Guardian und Der Spiegel veröffentlichten damals Dokumente, aus denen etwa hervorging, dass die USA die Zahl der zivilen Opfer im Irak als deutlich zu niedrig angegeben hatten und die Kriegsverbrechen nahelegten. Ein Video zeigt die Tötung unbewaffneter Zivilisten aus einem Hubschrauber heraus. Assange wird also etwas vorgeworfen, das die Aufgabe investigativer Reporter ist: Informationen zu beschaffen und zu veröffentlichen, die zeigen, dass die Regierung ihren Bürgern nicht die Wahrheit sagt.

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 180, 19.12.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

als vor gut zwei Jahren die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia nahe ihres Hauses mittels einer Autobombe ermordet wurde, war das ein Schock. Besonders für andere Journalisten: In der Europäischen Union wurde eine Reporterin wegen ihrer Arbeit getötet, ein barbarisches Verbrechen. Vier Monate später starb der slovakische Journalist Jan Kuciak, der zur organisierten Kriminalität in seinem Heimatland recherchiert hatte, er wurde zusammen mit seiner Freundin erschossen.

Die beiden Fälle zeigten, wie sehr auch in Europa die Pressefreiheit bedroht ist, dass auch hier Journalisten um ihr Leben fürchten müssen, weil sie ihre Arbeit gut machen. Welchen Preis sie für ihre Arbeit gezahlt haben, kann nur Ansporn für uns in Deutschland sein, unsere Aufgabe als Recherchejournalisten ernst zu nehmen und die Möglichkeiten, die wir haben, zu nutzen, um wichtige Themen in Angriff zu nehmen. Es muss uns motivieren, gegen Einschränkungen der Pressefreiheit gemeinsam vorzugehen und solidarisch mit denjenigen zu sein, die in Gefahr sind. Hierzulande sind das etwa Kolleginnen und Kollegen, die über Rechtsradikale, Pegida oder die NPD berichten. Und viel zu viele andere Kollegen in Europa und weltweit.

Dass die Solidarität von Kollegen etwas bewirken kann, auch dafür ist der Fall Daphne Caruana Galizia ein Beleg. Achtzehn Medienorganisationen vor allem aus Europa haben sich, unter der Führung der gemeinnützigen Rechercheplattform “Forbidden Stories” zusammengeschlossen, um die Arbeit von Galizia weiterzuführen, und zu zeigen, dass brutale Gewalt, einen einzelnen Reporter zum Schweigen bringen kann, nicht aber die Recherchen stoppt, die diese Journalisten gemacht haben. In den vergangenen Wochen ist überdeutlich geworden, welchem Ausmaß an Korruption in Malta Daphne auf der Spur war und dass der Büroleiter des Premierministers zum Kreis der Verdächtigen in ihrem Mord gehört. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 179, 20.11.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

schweigen oder berichten? Soll man eine Provokation der NPD durch Berichterstattung relevant machen oder durch Nichtbeachten ins Leere laufen lassen? Eine Frage, die in den letzten Tagen in mancher Redaktion diskutiert wurde. Es geht um den Aufruf der NPD zu einer Demonstration gegen missliebige Journalisten, die nächsten Samstag (23. November) in Hannover stattfinden soll. Deren Motto lautet:
“Schluss mit steuerfinanzierter Hetze! Feldmann in die Schranken weisen!”

Dazu ein Foto des NDR-Journalisten Julian Feldmann, der u.a. für das Politikmagazin PANORAMA in den Themenfeldern Innere Sicherheit, Terrorismus und Rechtsextremismus recherchiert. Namentlich erwähnt wird auch David Janzen, der u.a. für den “Störungsmelder” von Zeit Online über die rechte Szene schreibt.

Dass die Rechtsradikalen ihre empörende Menschenjagd mit dreisten Lügen begründen, sei nur am Rande erwähnt. Einige wurden mittlerweile von Gerichten untersagt, andere finden sich noch immer auf der Homepage der NPD Niedersachsen. Dass sie in ihrer Attacke speziell gegen die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Kampfbegriff “steuerfinanzierte Hetze” verwenden, dokumentiert nicht nur ihre Ahnungslosigkeit, sondern belegt auch ihre grundsätzliche Verachtung für seriösen Journalismus. Aber damit sind sie leider nicht allein, wie etliche Reden, Tweets und Auftritte u.a. auch von AfD-Politikern erschreckend zeigen. Das “Feindbild Journalismus” gehört in diesen rechten Kreisen längst zum Mainstream.

Viele Medien haben sich entschieden, im Vorfeld dieser NPD-Demonstration nicht zu schweigen, sondern zu berichten. Wissend, dass dies auch eine ungewollte PR für die NPD sein kann.

Aber zu schweigen wäre falsch. Es könnte missverstanden werden. Nämlich dass es uns nicht interessiert, uns nicht tangiert. Das Gegenteil ist richtig: Es empört uns! Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 178, 23.10.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ein Editorial ist ja eher ein Ort, an dem es darum geht, nach vorn zu blicken. Aber dieses Mal lohnt es sich, in die Vergangenheit zu schauen: Unsere große globale Konferenz liegt hinter uns, 1700 Journalisten aus 130 Ländern waren da, mehr als 400 Referenten berichteten von ihrer Arbeit und teilten ihre Erfahrungen. Für uns als Geschäftsstelle und Vorstand von Netzwerk Recherche war es ein einmaliges Erlebnis, so eine Riesenveranstaltung auszurichten – und wir sind überwältigt von den begeisterten Rückmeldungen, die wir bislang bekommen haben. Besonders froh waren wir, dass auch viele Vereinsmitglieder und regelmäßige Gäste unserer Jahreskonferenz dabei waren, als Referenten und als Teilnehmer.

Jeder Konferenzbesucher hat wohl Momente, die ihn besonders bewegt haben. Von den Kolleginnen und Kollegen aus den Philippinen und aus Pakistan, aus Osteuropa, aus Lateinamerika zu hören, mit welchen Problemen sie kämpfen, wie sie mit Rechtspopulisten, Autokraten und Regierungen umgehen müssen, die die Pressefreiheit mit Füßen treten und die recherchierende Journalisten diffamieren, macht zwei Dinge klar: Einerseits, unter welchen ungleich schwierigeren Umständen viele Kollegen arbeiten müssen, etliche in berechtigter Sorge um die eigene Sicherheit. Und dass andererseits die Struktur der Probleme, mit denen die Kollegen kämpfen, durchaus denen ähnelt, mit denen der Journalismus auch in Deutschland konfrontiert ist: ein Vertrauensverlust in Medien, gezielte Desinformation, eine auch durch soziale Medien fragmentierte Öffentlichkeit.

Die charismatische philippinische Chefredakteurin Maria Ressa sprach in ihrer Rede zur Verleihung des Shining Global Light Award über die großen Fragen, die unsere Branche berühren: “den Kampf um die Wahrheit, die Rolle der amerikanischen Plattformen der sozialen Medien und was wir tun können”. Der Kampf um die Wahrheit, so sagte Ressa, sei der Kampf unserer Generation, einer in dem es letztlich darum gehe, die Demokratie zu bewahren. “Mit Technologie als Beschleuniger wird eine Lüge, die eine Million Mal erzählt wird, zur Wahrheit.” Sie erklärte, dass Philippinos mehr Zeit in sozialen Medien verbrächten, als Bürger aller anderen Nationen und man deswegen dort etwas über “die dystopische Zukunft der Demokratie” lernen könne. Es lohnt sich diese Rede zu lesen oder noch besser anzuschauen, weil es klar macht, wo auch für deutsche Journalisten eine ganz große Frage liegt.

Eine zweite wichtige Erfahrung der Konferenz: Uns verbinden weltweit nicht nur die Probleme, uns verbindet auch unser Handwerk. Das wurde zum Beispiel klar, als Musikilu Mojeed, Chefredakteur der Premium Times aus Nigeria, darüber sprach, was einen guten Ressortleiter ausmacht und wie man eine investigative Geschichte druckreif bekommt. Oder als Marina Walker vom Konsortium ICIJ, das die Panama Papers enthüllte, auf demselben Panel erzählte, welche Fragen sie stellt, um herauszufinden, ob es sich lohnt, eine aufwendige Recherche zu beginnen. Unsere Werte und Grundprinzipien sind überall auf der Welt gleich und es begeistert, an den Erfahrungen der Kollegen teilhaben zu können. Und nicht zuletzt hat angespornt, wie viele kleine Redaktionen, manche mit weniger als zehn Journalisten, von ihren großartigen Enthüllungen berichten konnten.

Beim netzwerk machen wir jetzt weiter mit unserer Fachkonferenz am 29. und 30. November in Tutzing, “Was Journalismus aus den Täuschungsfällen lernen muss”. Dort wollen wir den Blick auf unsere eigenen Schwachstellen lenken und diskutieren, was wir aus den Skandalen in der Branche lernen können. Anmeldungen sind noch willkommen.

Es grüßen

Cordula Meyer,
Albrecht Ude Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 177, 20.09.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

nun sind es nur noch wenige Tage und Nächte, dann endet ein langer Weg für uns, alle Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder von Netzwerk Recherche.

Mehr als 1500 Investigativ-Journalisten aus der ganzen Welt kommen dann nach Hamburg zur Global Investigative Journalism Conference, um gemeinsam Neues zu lernen, sich auszutauschen und um bei 250 Panels und Workshops handwerklich noch besser zu werden. Wir freuen uns auf jede Kollegin und jeden Kollegen!

Mit diesen Andrang – geradezu einem Ansturm – hatte keiner gerechnet, auch nicht unsere erfahrenen Partner vom Global Investigative Journalism Network (GIJN). Alle zwei Jahre richten sie diese Konferenz irgendwo auf der Welt aus, mit ortsansässigen Partnern, dieses Mal also mit der Interlink Academy und dem Netzwerk Recherche. Nie war die Nachfrage so groß. Die GIJC war quasi in Null Komma nichts ausverkauft, schon in der Early-Bird-Phase gingen die Karten aus. Mehr als 400 Kolleginnen und Kollegen standen zuletzt noch auf der Warteliste. Es brach einem das Herz, wie GIJN-Executive Director Dave Kaplan sagte, sie abweisen zu müssen, denn eigentlich wollen wir ja Rechercheure zusammenbringen und vernetzen, – so steht es geschrieben auch in unserem Namen.

Die guten Nachrichten aber überwiegen: Aus Entwicklungs- und Schwellenländern kommen mit Hilfe von Stipendien 450 Journalistinnen und Journalisten zur Konferenz, ausgewählt aus 1800 Bewerbungen. Möglich ist das dank einer überwältigenden Unterstützung von 65 Stiftern, Partnern und Sponsoren. Allen möchten wir herzlich danken – auch dafür, dass wir irgendwann keine schlaflosen Nächte mehr hatten, weil wir fürchten mussten, dass irgendwann das Geld nicht reichen würde. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 176, 27.08.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wieviele Adapter halten wir bereit für all diejenigen Journalisten, die sich in Deutschland plötzlich wundern, dass ihr Stecker gar nicht passt? Müssen wir zu jeder Mahlzeit Reis anbieten, wo doch ein großer Teil unserer Gäste aus Asien kommt? Und – wird es den ausländischen Journalistinnen und Journalisten gelingen, sich frei in Hamburg von A nach B zu bewegen, ohne durchgehend im Bus durch die Gegend gekarrt zu werden?

Es sind nicht unbedingt Fragen der Recherche und des Journalismus, mit denen wir uns gerade vorrangig beschäftigen, in unserer Netzwerk Recherche-Geschäftsstelle. Die Vorbereitung der Global Investigative Journalism Conference (GIJC19) vom 25.-29. September in Hamburg ist dennoch ein Abenteuer und lehrreich. Es ist kurios, welches Journalistenbild hinter all den Fragen steckt, die uns auch mal von unseren erfahrenen Konferenzpartnern des Global Investigative Journalism Network gestellt werden. Journalisten in der Gruppe scheinen demnach nicht unbedingt die Besten darin, sich in der Fremde oder mit Veränderungen zurecht zu finden. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 175, 25.07.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Zitate verfälschen, Fakten verdrehen, Argumente unterschlagen und Artikel manipulieren – das ist die (eigentlich vernichtende) Bilanz eines Journalisten, der von 1989 bis 1994 als Korrespondent des “Daily Telegraph” aus Brüssel berichtete. Und dessen journalistische Karriere danach nicht etwa zu Ende ging, sondern bis 1999 als Herausgeber des konservativen Wochenblatts “The Spectator” eine unrühmliche Fortsetzung erfuhr. Der Name des (ehemaligen) Journalistenkollegen: Boris Johnson.

Mit den gleichen Methoden wie damals als Journalist – also lügen, fälschen, manipulieren – gelang ihm der Aufstieg als Politiker. Seit dem 24. Juli ist er britischer Premierminister.

Da können wir nur hoffen, dass solche Karrieren die absolute Ausnahme sind und bleiben. Doch gefährliche Populisten wie Johnson sind auch in Deutschland allgegenwärtig – und manche mittlerweile auch sehr erfolgreich. Irritierend und frustrierend, dass sich so viele (ehemalige) Journalisten, also angebliche Kollegen von uns, in diesem rechten Lager tummeln. Vielleicht aber auch erklärbar: Journalisten mit den gleichen Methoden wie Boris Johnson gibt es leider auch bei uns. Nicht nur in politischen Redaktionen.

Zum Beispiel in der Branche der sogenannten Regenbogenpresse. Auch sie nennen sich Journalisten, missachten aber allzu oft alle ethischen und juristischen Maßstäbe. Erfundene Interviews, falsche Behauptungen, irreführende Schlagzeilen, reißerische Aufmacher – das alles sind die üblichen Zutaten für die Jagd nach Käufern am Kiosk und Klicks im Netz. Ein Blick auf die online auffindbaren Titel zeigt häufig gerichtlich verfügte schwarze Flächen, wo zuvor knallige Titelgeschichten um Aufmerksamkeit buhlten. Schmerzensgelder und Gerichtskosten sind für die Verlage offenbar kein Anlass, ihr offenbar sehr lukratives Geschäftsmodell zu überdenken.

Johnson-Methoden aber auch in vielen Blogs der rechten Szene. Egal ob Journalistenwatch (bis vor kurzem gemeinnützig) oder PI-news (Politically Incorrect) und wie sie alle heißen: Verbale Tiraden gegen seriöse Kollegen, die “Gesicht zeigen”, ihre Haltung gegen rechts nicht verbergen. Hetze gegen Sendungen, Beiträge und Redaktionen, die den selbsternannten (rechten) Gesinnungswächtern missfallen. Keine Verschwörungstheorie ist ihnen zu abstrus, keine Lüge zu dreist, um sie nicht gegen Andersdenkende zu benutzen. Wer dies alles als das Werk von einigen “rechten Spinnern” kleinreden will, täuscht sich gewaltig. Es sind solche (häufig sehr erfolgreiche) Blogs, die wesentlich zum immer wieder kritisierten Klima von “Hass und Hetze” im öffentlichen Diskurs beitragen. Und die Betreiber und Autoren dieser Blogs – auch sie nennen sich “Journalisten”.

Die Liste der Bereiche, wo Journalisten mit den Johnson-Methoden erfolgreich sind, lässt sich um einige verlängern. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 174, 24.06.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

nach der Konferenz ist in diesem Jahr vor der Konferenz. Gerade sind wir gemeinsam durch das “Abenteuer Recherche” gegangen, unsere Jahreskonferenz in diesem Sommer. Wir haben darüber gestritten, was Haltung im Journalismus bedeutet, überlegt und diskutiert, was man aus den Fälschungsfällen im Journalismus lernen muss. In vielen Veranstaltungen zum journalistischen Handwerk haben wir Anregungen bekommen, wie wir besser werden können, so dass Fehler am besten gar nicht erst passieren. Uns freut besonders, dass gut ein Drittel der Teilnehmer der Konferenz Nachwuchsjournalisten in der Ausbildung waren. Es ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich die jungen Kollegen für unsere Inhalte interessieren.

Für die angeregten Diskussionen, die lebhafte Beteiligung und auch die Angebote, bei der nächsten Jahreskonferenz mit anzupacken, vielen Dank.

Aber davor gibt es in diesem Jahr ja noch ein ganz besonderes Ereignis: die Global Investigative Journalism Conference vom 26. bis 29. September in Hamburg. Die Konferenz ist die weltweit größte Zusammenkunft investigativ arbeitender Journalisten und wir sind sehr stolz, dass wir sie in diesem Jahr in Hamburg mit unseren Partnern ausrichten. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 173, 27.05.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

“Wir suchen nach einer Frau mit Kind. Sie kommt idealerweise aus einem absolut verschissenen Land. (…) Die Figur für den zweiten Konflikt beschreibt Claas. (…) Dieser Typ wird selbstverständlich Trump gewählt haben.”

“Ein anderer Dokumentar schilderte der Kommission, dass ‘nicht selten’ kurz vor Druck Fakten vom Dokumentar so hingebogen werden sollten, dass ein Text ‘gerade eben nicht mehr falsch ist’, um eine These zu retten, die in einer Konferenz vorgestellt wurde.”

Der Spiegel hat am Freitag seinen 17-seitigen Relotius-Report veröffentlicht. Die oben zitierten Stellen sind für mich zwei der erschreckendsten Passagen. Weil sie zeigen, wie wenig Respekt einige beim Spiegel vor dem haben, was Carl Bernstein einmal “the best obtainable version of the truth” genannt hat – und dass Sound offenbar vor Fakten geht.

Jede Journalistin und jeder Journalist sollte den Relotius-Report lesen (oder zumindest die Zusammenfassung von Stefan Niggemeier). Nicht nur, weil der Report detailliert und schonungslos den Totalschaden Relotius nachzeichnet. Sondern weil er darüber hinaus viele weitere Probleme des Spiegels seziert – und damit auch von Teilen des Journalismus. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 172, 23.04.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

was war das wieder kompliziert. Ein einziger Quälkram, mit viel zu vielen Mails und Missverständnissen.

Dabei haben wir nur ein Motto für unsere Jahrestagung gesucht. Möglichst nur drei Worte, kurz und knapp. Zum Beispiel: “Haltung und Handwerk”. Großes Gemurre: Nicht schon WIEDER was mit Haltung. Lieber sowas wie “Schwere Fracht – Recherche mit klarem Kompass”. Wieder Gemurre: Viel zu lang. Immer so belehrend. So negativ und irgendwie auch altbacken.
Es folgte noch ein Vorschlag und noch ein Vorschlag und noch ein Vorschlag.
Aber nicht einmal darin waren wir uns einig, dass es all das noch nicht war.

Parallel dazu: haben wir nach dem entsprechenden Motiv gesucht, das uns alle Jahre wieder der Illustrator Vincent Burmeister zeichnet. Auch das fast immer ein zermarternder Prozess – vor allem für Günter Bartsch, unseren nr-Geschäftsführer, der unermüdlich zwischen Vorstandsverteiler und Vorstandsverteiler und Vorstandsverteiler und Vincent Burmeister moderiert. Eigentlich ist es ein Wunder, dass Vincent alle Jahre wieder für Netzwerk Recherche am Start ist, denn wir quälen uns auch auf seine Kosten. Indem wir kaum ein Ende finden in unserem Ringen, WAS die Illustration WIE ausdrücken soll.

Am Ende aber finden wir immer das Glück. In einer großartigen Illustration. Und in der richtigen Erkenntnis. Auch dieses Mal. Für unsere diesjährige Jahrestagung am 14. und 15. Juni in Hamburg stürzen wir uns nun ins “Abenteuer Recherche”. Die Illustration führt uns durch den Urwald, wir bahnen uns unseren Weg durchs dichte Grün. Die Reporter sind auf Spurensuche und dokumentieren, was sie finden und sehen. Noch nie war unser nr-Motto in Wort und Bild so farbenfroh, so aufbrechend und kraftvoll. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 171, 27.03.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Oslo, München, London oder (zuletzt) Christchurch. Städte, die weltweit für Eilmeldungen und Sondersendungen sorgten. Der SPIEGEL listet diese und andere Städte auf dem Titel seiner aktuellen Ausgabe. Dazu die Schlagzeile, die all diese Orte unfreiwillig verbindet: “Die braune Verschwörung – Das globale Netzwerk rechter Terroristen”

Nach jedem dieser furchtbaren Verbrechen Schockzustände, Verzweiflung, Anteilnahme und auch Ohnmachtsgefühle. Und für uns Journalisten und Journalistinnen immer wieder die große Herausforderung: Wie sollen, wie können wir darüber berichten? Was haben wir aus den Erfahrungen nach all den vergleichbaren Verbrechen der vergangenen Jahre gelernt?

Nach dem letzten Terrorakt in Christchurch lautet die bittere Antwort leider mal wieder: Manche Journalisten/innen und manche Medien haben überhaupt nichts gelernt. Die Gier nach hohen Auflagen, Einschaltquoten und Klickzahlen ist größer als der immer wieder postulierte Anspruch vom seriösen und verantwortungsvollen Journalismus.

Der Täter in Christchurch wollte, dass die Welt bei seinem Verbrechen zuschauen konnte. Deshalb der Livestream im Netz. Er wollte, dass alle von seiner irren Gedankenwelt erfahren. Deshalb stellte er sein 70 Seiten langes “Manifest” ins Netz. Er suchte die Öffentlichkeit.

Und viele Medien erfüllen seinen Wunsch, machen sich zu seinem Handlanger. Sie zeigen Ausschnitte des Videos. Und liefern dafür auch noch eine Begründung. Unter anderem der Chefredakteur der BILD-Gruppe, Julian Reichelt: “Erst die Bilder verdeutlichen uns die erschütternde menschliche Dimension dieser Schreckenstat”. Tatsächlich? Brauchen wir zu dieser Erkenntnis dieses Video? Doch damit nicht genug: “Durch Journalismus wird aus einem Ego-Shooter-Video ein Dokument, das Hass demaskiert und aufzeigt, was der Terrorist von Christchurch ist: Kein Kämpfer, kein Soldat. Sondern bloß ein niederträchtiger, feiger Mörder, der unschuldige, wehrlose Menschen massakriert hat.” Eine Rechtfertigung für die Publizierung des Videos, eine Definition von Journalismus, die viele – nicht nur Journalisten/innen – irritiert und verwirrt. Und auch wütend macht. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 170, 20.02.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wo werden wir in zehn Jahren noch Recherchen lesen? Und wer wird es sich noch leisten können, diese Recherchen zu lesen? Das frage ich mich seit einigen Wochen immer häufiger. In den USA haben innerhalb weniger Tage mehr als 2000 Journalisten ihren Job verloren. Und auch in Deutschland kürzen die Verlage, zuletzt zum Beispiel die Funke Mediengruppe.

Besonders problematisch finde ich die vielen Entlassungen bei BuzzFeed, bei Vice und bei der HuffPo. Nicht, weil ich selbst für BuzzFeed arbeite oder den Journalismus der drei Genannten besser fände als den anderer Medien. Sondern weil die Probleme dieser drei Digital-Angebote zeigen, wie schwierig es ist, im Internet (vor allem) mit Anzeigen genug Geld für teuren Journalismus zu verdienen.

Im Gegensatz zu anderen großen Medien stellen BuzzFeed, Vice und HuffPo ihren Journalismus weiterhin frei ins Netz. Immer mehr andere Medien machen dagegen dicht, verlangen von den Nutzern Geld für ihre Arbeit. Das ergibt aus Sicht der jeweiligen Medien Sinn. Doch wenn immer weniger Medien ihre Recherchen für alle zugänglich machen, haben viele Menschen irgendwann überhaupt keinen Zugriff mehr auf guten Journalismus. Menschen, die sich 19,99 Euro im Monat für Spiegel+ nicht leisten können.

Ein mögliches Gegenmittel ist der gemeinnützige Journalismus. Für diesen setzt sich auch das Netzwerk Recherche mit seiner Non-Profit-Initiative ein. Ich habe als Mitgründer und ehemaliger Reporter des Recherchezentrums Correctiv viel Sympathie für gemeinnützigen Journalismus und finde, dass er noch viel stärker gefördert werden sollte – aber er wird wohl niemals all das ersetzen können, was schon weggebrochen ist und noch wegbrechen wird.

Anzeigen finanzieren weniger Journalismus als erhofft. Verlage legen ihre Recherchen zunehmend hinter Bezahlschranken. Gemeinnütziger Journalismus ersetzt keine wegbrechenden Institutionen. Was bleibt? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 169, 24.01.2019

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

2019 wird ein besonderes Jahr für Netzwerk Recherche, wir arbeiten nicht nur auf unsere Jahreskonferenz im Juni hin, sondern auch auf die Global Investigative Journalism Conference im September, die wir zusammen mit dem GIJN (Global Investigative Journalism Network) und der Interlink Academy in Hamburg ausrichten. Es sind also gleich zwei große Projekte in diesem Jahr. Vergangenes Wochenende haben wir im Vorstand, mit Partnern und interessierten Kollegen zusammengesessen und über die Programme für beide Konferenzen gesprochen. Für die Jahreskonferenz sind schon einige Themen eingeplant.

Beschäftigt hat uns natürlich auch der Fall Claas Relotius und welche Lehren nicht nur der SPIEGEL daraus ziehen muss. Die Affäre könnte auch ein Moment für die Branche sein, Entwicklungen zu hinterfragen: Dass viele Zeitungen unter finanziellem Druck ihre Auslandskorrespondenten eingespart haben, dass die packende Reportage in etlichen Redaktionen mehr zu gelten scheint als die Enthüllungsgeschichte, wie groß der Druck auf freie Journalisten ist.

Auch internationale Kooperationen und die extrem schwierigen Bedingungen, unter denen viele Kolleginnen und Kollegen etwa in Osteuropa arbeiten müssen, waren Gesprächsthemen bei und am Rande unserer Vorstandssitzung. Die Stipendiaten von Netzwerk Recherche und der Olin-Stiftung recherchieren ihre Projekte oft in fernen Ländern – sehr häufig geht es darum, dass Entscheidungen in  Unternehmen und Regierungen in Industrieländern wie Deutschland Auswirkungen auf das Leben der Bürger dort haben. Das sind wichtige Geschichten. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 168, 20.12.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

eigentlich sollte an dieser Stelle, passend zum Jahresende, eine kleine Bilanz über unsere Branche gezogen werden. Über tolle Recherchen, die durch die vertrauensvolle Kooperation verschiedener Medien eine besonders große Aufmerksamkeit erregten. Egal ob MeToo, Football-Leaks, der Skandal um gefährliche Implantate und viele andere Enthüllungen – all das hat eindrucksvoll bewiesen, wie wichtig seriöser Journalismus ist, was er bewirken kann.

Zu dieser Bilanz hätte natürlich auch gehört, wie Verlage nach erfolgreichen Geschäftsmodellen für die Zukunft suchen, wie sich viele Kolleginnen und Kollegen angesichts sinkender Auflagen und Werbeeinnahmen um ihre Zukunft sorgen oder wie man auf die immer aggressiveren Beschimpfungen gegen unsere Arbeit angemessen reagieren kann.

Ja, so war es eigentlich gedacht. Und hätte sich auch gelohnt. Aber dann verkündete der SPIEGEL “in eigener Sache” am Mittwoch eine Affäre, die nicht nur ihn noch auf lange Zeit beschäftigen wird: Ihr Autor Claas Relotius hat in mehreren Reportagen Interviews mit Protagonisten frei erfunden, Erlebnisse beschrieben, die es nicht gab, Personen beschrieben, die er nie getroffen hat – er hat gelogen und das, wie der SPIEGEL schreibt, auch mit “krimineller Energie”.

Ausgerechnet Claas Relotius. Der 33-Jährige war einer der Besten nicht nur beim SPIEGEL. Mit Preisen und Ehrungen überhäuft, von vielen Kolleginnen und Kollegen geachtet und geschätzt. Trotzdem immer bescheiden und zurückhaltend, sympathisch und gewinnend. Kein Wichtigtuer oder Besserwisser wie manch anderer in unserer Zunft. Von einem “Schock” schreibt der SPIEGEL, von einem “Tiefpunkt” der SPIEGEL-Geschichte. Er will jetzt aufklären, warum die zahlreichen – und immer wieder als vorbildlich geltenden – Kontrollmechanismen versagt haben.

Er wird auch Antworten liefern müssen, warum er frühzeitige Hinweise auf die Lügengeschichten des Kollegen ignorierte, den Tippgeber abkanzelte und ihn behandelte wie einen lästigen Störenfried. Denn es gibt in diesem ganzen Skandal einen Aufrechten, dem die Wahrheit wichtiger war als die toll geschriebene Reportage für den nächsten Journalistenpreis. Es ist der SPIEGEL-Autor Juan Moreno. Er hat, wie der SPIEGEL zugeben muss, unter “Gefährdung seines Jobs” auf eigene Faust und Kosten unermüdlich recherchiert, bis auch die SPIEGEL-Verantwortlichen endlich aktiv wurden. Der Rest ist bekannt: Claas Relotius gestand seine Erfindungen. Sein (angebliches) Motiv: Angst vor dem Versagen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 167, 26.11.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

das Netzwerk Recherche hat einen Konferenz-Marathon hinter sich – und noch vor sich! Gerade erst haben wir in Berlin zur Fachkonferenz zum Verbraucherjournalismus eingeladen, wenige Wochen vorher hatten wir ebenfalls in Berlin unsere Tagung zum Nonprofit-Journalismus mit der Vergabe der Grow-Stipendien realisiert. Und zu Beginn des kommenden Jahres beginnen wir mit den Planungen für unsere Jahreskonferenz in Hamburg (14./15. Juni). Zwischen alldem geht es nun bald jeden Tag um die Vorbereitung der Global Investigative Journalism Conference 2019 im kommenden September. Es sind Zeiten voller Tatkraft für unseren Verein, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und den Vorstand.

Bei der GIJC19 wird sicher auch eine Rolle spielen, warum im Journalismus für diejenigen, die unsere Gesellschaft größtenteils ausmachen, häufig kein Platz ist.

Als Journalist strengt man sich stets an, mehr zu wissen als andere. Man strebt zudem danach, sprachlich brillant zu sein, handwerklich herausragend und besonders gut und vielfältig verbunden zu sein. Damit darf man keinen Tag aufhören.

Allerdings: Diejenigen, die unsere Gesellschaft auch ausmachen, sind vielleicht sprachlich nicht brillant. Nicht besonders gut verbunden. Nicht Teil dieser intellektuellen Elite. Sie finden kaum Zutritt in die Medienwelt.

Jeder vierte Mensch in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Das sind 19,3 Millionen. Sie selbst oder mindestens eines ihrer beiden Elternteile wurde ohne deutsche Staatsangehörigkeit geboren. Diese Zahlen, zuletzt im August dokumentiert vom Bundesamt für Statistik, sind gestiegen mit der Ankunft der Flüchtlinge 2015.

Nicht jeder vierte Journalist hat einen Migrationshintergrund. Natürlich nicht. Es liegen also Welten zwischen unserer Medien-Elite und den Menschen, die hier leben. Zwischen der Medien-Elite und der Gesellschaft, die wir sind.

Das zu ändern, ist gar nicht so leicht. Denn es ist im Grunde schon ewig so, Deutschland ist ja nicht erst seit 2015 ein Einwanderungsland. Und wenig haben wir dafür getan, dass mehr Kollegen mit Migrationshintergrund in unseren Redaktionen Fuß fassen. Lange Zeit war es gar kein Thema für uns. Genauso wie wir hingenommen haben, dass Journalisten aus Ostdeutschland kaum eine Chance hatten, in überregionalen Medien etwas zu erreichen. Anders als westdeutsche Journalisten, die selbstverständlich immer das Sagen hatten. Und auch mit den Frauen und der Gleichberechtigung an den Redaktionsspitzen war und ist es ein ziemlich zäher Kampf. Medien sind nicht der Schmelztiegel des gesellschaftlichen Fortschritts. Sie haben viel zu große Angst vor Veränderungen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 166, 25.10.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

belohnt wird, wer dranbleibt, am Besten über Jahre. So wie die Kolleginnen und Kollegen von Panorama, ZEIT und Correctiv, die vergangene Woche gemeinsam mit Partnerteams aus zwölf Ländern aufgedeckt haben, dass Anwälte, Bänker und Superreiche in Europa mindestens 55 Milliarden Euro Steuern erstattet bekommen haben, die sie nie gezahlt hatten.

Die “Cum-Ex-Finanztricks” sind seit Jahren immer wieder Thema von Recherchen, doch politisch hat sich wenig verändert. Im Gegenteil: offenbar laufen ähnliche Tricks unter neuen Namen einfach weiter. Wohl auch deshalb haben sich über Jahre immer wieder Quellen an die Reporter Christian Salewski und Oliver Schröm gewandt. Und Ihnen schließlich einen Stick mit 180.000 Seiten Material übergeben. Die Recherche zeigt, wie wichtig es ist, dass Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit bekommen, über Jahre zu Themen zu recherchieren – und nicht nach der ersten Story weiterlaufen müssen.

Wer mit seinen Recherchen zeigt, dass er mit Informationen verantwortungsvoll umgehen kann – und genug Biss hat, auch über Jahre gegen große Widerstände anzulaufen – der macht es potentiellen Quellen leichter, Informationen weiterzugeben. Ich glaube, dass es häufig nicht an Quellen mangelt, sondern an Reporterinnen und Reportern, denen Quellen ausreichend Kompetenz im Umgang mit ihrem Material zuschreiben. Und die gleichzeitig als Person sichtbar und ansprechbar sind für potentielle Hinweisgeber.

Recherchiert und verbreitet hat die Recherche ein internationales Team aus 19 Redaktionen, koordiniert wurde die Recherche von Correctiv. Das freut mich nicht nur für meine früheren Kolleginnen und Kollegen, sondern zeigt auch: Nicht jede große Recherche-Kooperation muss über das ICIJ laufen. Es gibt jetzt Konkurrenz, wenn es um internationale Kooperationen geht. Konkurrenz belebt auch in diesem Fall hoffentlich die Recherche.

In diesem Sinne grüßen
Daniel Drepper,
Albrecht Ude Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 165, 26.09.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vor einigen Tagen gab es in Deutschland die Aktion “Deutschland spricht”, bei der Bürger aus Deutschland zusammenkamen, und zwar immer zwei, die zu gesellschaftlichen und politischen Fragen ganz unterschiedliche Ansichten haben. Die Aktion, ins Leben gerufen von “Zeit Online” und unterstützt von mehreren Verlagen, scheint zunächst banal: Sind wir in einer pluralen Gesellschaft nicht dauernd umgeben von Leuten, die andere Ansichten haben als wir selbst? Aber offensichtlich ist diese Idee heute geradezu revolutionär, jedenfalls so sehr, dass immerhin der Bundespräsident die Sache unterstützt hat.

Womöglich gibt es die vielbesprochenen Filterblasen nicht nur unter Journalisten, sondern auch Bürger umgeben sich lieber mit Menschen, die denken wie sie. Wahrscheinlich suchen und konsumieren etliche dieser Menschen vor allem Informationen, die ihr Weltbild bestätigen. Insofern ist es eine tolle Idee, ins Gespräch zu kommen mit jenen, die anders sind als man selbst, und die Ansichten vertreten, die man vielleicht nicht immer sympathisch findet. Dabei kann man herausfinden, dass es für einen selbst nicht gefährlich ist, erstmal zu versuchen zu verstehen, wie der andere zu seiner Position kommt. Wenn man zugehört hat, bleibt ja Zeit für die eigenen Gegenargumente.

Eine solche Art des Diskurses scheint aus der Mode gekommen zu sein, dafür sind Pöbeleien, Hass und Beschimpfungen häufiger geworden. Kolleginnen und Kollegen werden Zielscheibe solcher Angriffe, manchmal sogar tätlicher Angriffe. Gegen solche Straftaten muss der Staat entschieden vorgehen und Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes schützen.
Wir als Journalisten, die es sich zum Beruf gemacht haben, mit anderen zu reden, müssen uns aber auch fragen, ob wir unseren Ansprüchen gerecht geworden sind. Haben wir genug gefragt, erstmal wissen wollen, was los ist, bevor wir Urteile gefällt haben? Haben wir uns überhaupt genug interessiert für die Situation und Stimmungslage anderer? Waren wir überhaupt vor Ort?

Ohne dass es hingeschrieben ist, werden die meisten an die AfD denken und an die Frage, wie Journalisten mit Wählern und Politikern der Partei umgehen sollen. Das ist nicht leicht zu beantworten, die bisherigen Erfahrungen zeigen nur, dass Ignorieren und Zurückpöbeln wenig hilfreiche Strategien sind. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 164, 27.08.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

“Sie begehen eine Straftat, sie begehen eine Straftat!” Der Demonstrant, der das ZDF-Team um Arndt Ginzel erst bepöbelt und dann die Polizei eingeschaltet hat, arbeitet also selbst bei der Polizei. Und die Polizei, die die Journalisten rund 45 Minuten lang mit Ausweiskontrollen schikaniert hat, steht nun noch dümmer da, als sie es von Beginn an tat. Die Aufnahmen, wie die Beamten mehrfach den Presseausweis kontrollieren und feststellen, er sei “in Ordnung” offenbaren eine sonderbare Hilflosigkeit der Polizisten. Denn sie wissen nicht genau, was sie tun sollen, außer die Journalisten von der Arbeit abzuhalten. Und dass ein Presseausweis, der fast für jeden zugänglich ist, als Beleg dafür herhalten muss, dass es sich um “echte” Journalisten handelt, ist auch nicht ohne Komik. Andererseits ist die Unsicherheit der Beamten das Schlimme an der Situation. Denn natürlich sind sie qua Amtes am längeren Hebel und haben die Macht, die Arbeit der Kollegen einfach zu stoppen, trotz ihrer offenkundigen Hilflosigkeit.

Warum sind Journalisten ausgerechnet während einer Pegida-Demonstration für die Polizei das glaubwürdigere Feindbild als pöbelnde Demonstranten? Das ist die Frage, die durch die Äußerungen des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, CDU, noch verstärkt wird. Denn auch für ihn war der Fall sofort klar und er twitterte: “Die einzigen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.” Gerade weil das nicht stimmte, ist es eine sonderbare Bekräftigung. Dass nun ausgerechnet ein LKA-Mann in seiner Freizeit der Auslöser des Gemenges war, lässt den Tweet erst recht absurd erscheinen. Der Innenminister hat klare Worte gefunden für das Verhalten des LKA-Beschäftigen: Er erwarte von allen Bediensteten ein korrektes Verhalten, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhielten. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 163, 31.07.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Was lernen wir aus Mesut Özils vorläufigem Rücktritt und dem unter #MeTwo geteilten Alltagsrassismus? Ich lerne vor allem, dass wir zwar viel Meinung zu lesen bekommen, dass wir aber noch immer viel zu wenig zu Rassismus im Alltag recherchieren. Das liegt daran, dass es in Deutschland zu wenige Kollegen im investigativen Journalismus gibt, die das könnten. Weil zu wenige von uns solche Alltagserfahrungen machen.

#MeTwo zeigt genau wie #MeToo, wie viele Geschichten seit Jahren unter der Oberfläche schlummern, aber von Medien bisher nicht Ernst genommen wurden. Diese Themen beschäftigen viele Menschen jeden Tag, sie betreffen ganz besonders ohnehin benachteiligte Gruppen – und sie können schwere Schäden hinterlassen. Genau das, wonach investigative Reporter bei Themen stets suchen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 162, 25.06.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am kommenden Freitag ist es mal wieder soweit: Bereits zum 17. Mal treffen sich hunderte Journalistinnen und Journalisten zur Jahrestagung von Netzwerk Recherche. Was im Jahr 2002 unter dem Motto “Wege zu einer neuen Recherche-Kultur” ganz klein begann, hat sich längst zu einem der wichtigsten Medienkongresse entwickelt. Gab es zu Beginn einen Raum und sechs Panels, gibt es heute 10 Räume und 110 Panels. Gab es damals 18 Referenten, gibt es heute rund 250 Referenten und Referentinnen.

Unverändert geblieben ist das NDR-Gelände als Veranstaltungsort und der NDR als großzügiger Gastgeber. Unverändert auch der Anspruch, den das Netzwerk Recherche als Veranstalter hat: Die Förderung des Recherche-Journalismus. Der konstruktive Streit um aktuelle Probleme, aber auch Chancen unserer Branche. Die Vermittlung von Handwerk und Haltung. Wir wollen motivieren und neue Impulse geben. Und noch etwas hat sich nicht verändert: Diese Konferenz wird ehrenamtlich organisiert: Von Journalisten. Mit Journalisten. Für Journalisten.

Doch etwas hat sich verändert: 2002 gab es 16 männliche Referenten, lediglich zwei Kolleginnen waren auf den Podien vertreten – Susanne Fischer und Patricia Schlesinger. Solch männerlastige Podien gibt es bei vielen, leider zu vielen Medientagungen auch heute noch. Umso erfreulicher die (vorläufige) Bilanz unserer jetzt beginnenden Tagung: Rund 40 Prozent der ReferentInnen sind Frauen, gar mehr als 80 Prozent der Moderationen liegen in weiblicher Hand. Vergleichbare Werte gab und gibt es auf keinem anderen Medienkongress. Zugegeben: Es war nicht ganz einfach. Noch immer gibt es nach unseren Anfragen mehr Absagen von Kolleginnen – aus sehr unterschiedlichen Gründen – als von Kollegen. Deshalb dauert die “ausgeglichene” Besetzung vieler Panels meist sehr viel länger, die Bemühungen sind viel größer. Es lohnt sich, darüber mal zu reden. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 161, 22.05.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die #MeToo-Debatte wird in Deutschland nicht mehr nur abstrakt geführt. Nach den Enthüllungen über Dieter Wedel in der “Zeit” berichten unsere Kollegen auch über andere Fälle – in der Kulturbranche und im Journalismus. Es ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass sexuelle Belästigung nicht länger als Bagatelle abgetan wird und dass Journalisten Hinweise auf solche Vorfälle sorgfältig recherchieren. Aber es brauchte vorher den Fall Weinstein. Also vor allem mutige Frauen, die bereit waren, ihre Vorwürfe öffentlich zu erheben. Und Journalistinnen und Journalisten, die aus deren Aussagen, aus Schweigevereinbarungen, aus vielen Interviews ein Bild zusammensetzten, das Verhaltensmuster von Belästigern offenbarte.

Einige der jetzt beschuldigten Männer haben sich teils jahrzehntelang auffällig verhalten, ohne dass Vorwürfe laut wurden. Es waren offenbar Führungskräfte in den Redaktionen nötig, die Recherchen über Belästigung und Missbrauch ermutigen und unterstützen, es war eine Kampagne von Frauen auf Twitter nötig, die ihrer Empörung Ausdruck verliehen und es war offenbar ein verändertes Verständnis davon nötig, was sexuelle Belästigung ausmacht und wie sie zu ahnden ist.

Die Gesellschaft blickt heute anders auf das Thema sexuelle Belästigung als noch vor einem Jahr. Das ist auch das Verdienst von Journalisten, die solche Recherchen betrieben haben, aber es ist gleichzeitig ein bisschen entmutigend, dass die Zeit für diese Veränderung erst jetzt zusammen mit der #MeToo-Welle reif war. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 160, 19.04.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist schon ein paar Jahre her, aber heute kommt es mir plötzlich vor, als sei es gestern gewesen: Auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses wurden die Großen des Journalismus geehrt. Die besten Schreiber, die besten Reporter, die besten Rechercheure, sie alle wurden ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis. Im Jahr 2012, also vor sechs Jahren ergab sich dabei ein Bild, was schon damals nicht mehr ganz zeitgemäß wirkte: Ein Mann nach dem anderen betrat die Bühne und bekam die Trophäe. In der Kategorie Dokumentation wurden sogar gleich zwölf Kollegen, also zwölf Männer, ausgezeichnet. Unter Frauen schwankten wir im Small-Talk danach zwischen Wüten und Witzeln: ein Mann hätte es wohl alleine nicht geschafft, es mussten gleich zwölf sein. Aber genau das war das Bittere: es wirkte wie ein closed shop, als würden die Männer es im Vorfeld unter sich ausmachen. Frauen gehörten einfach nicht dazu, keine Chance.

Heute ist das anders. Denkt man. Dachte ich. Nach dem Nannen-Preis aber bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob und was genau eigentlich anders ist. Dabei hat sich der Preis seit 2012 geschüttelt und grundlegend verändert: Frauen in der Jury, weniger Chefs, mehr Macher und Macherinnen, vor allem in der Vorjury. Es gab ja auch in diesem Jahr wie in anderen Jahren zuvor überragende Frauen unter den Preisträgerinnen. Herzlichen Glückwunsch, Caterina Lobenstein! Herzlichen Glückwunsch, Souad Mekhennet! (Und herzlichen Glückwunsch allen anderen 15 ausgezeichneten Kollegen!)

Aber: im Investigativen waren es wieder fast ausschließlich Männer unter den letzten dreien. Es waren immerhin insgesamt 17 nominiert in der Sparte “Investigative Leistung” – 16 Männer, eine Frau. Es liegt nicht an der Jury, es fehlt schon an den Einreichungen. Viel weniger Frauen reichen ihre Arbeiten ein. Und noch davor: Viel weniger Frauen arbeiten überhaupt in den investigativen Teams. Warum bloß?

Wir haben so viele Frauen im Journalismus. Es starten mehr Frauen in den Beruf als Männer, weil beim Nachwuchs die Frauen besser sind als Männer. Es gibt ganz und gar überragende Investigativ-Frauen, die in der Spitze mitspielen. Auch können wir regelmäßig lesen, wie froh Medien sind, Frauen in der Führung vorzuzeigen. Aber in der Breite der Investigativ-Ressorts ändert sich letztlich offenbar wenig. Warum bloß? Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 159, 26.03.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist wieder passiert. Mitten in Europa – im EU-Land Slowakei. Ein Journalist wird ermordet. Ján Kuciak mit einem Schuss in den Bauch, seine Freundin Martina Kusnirova mit einem Schuss in den Hinterkopf. Es war eine Hinrichtung.

Ján Kuciak recherchierte – wie auch seine im Dezember letzten Jahres im EU-Land Malta ermordete Kollegin Daphne Caruana Galizia – über Korruption und organisierte Kriminalität in den politischen Führungszirkeln. Auch wenn in beiden Fällen weder Auftraggeber noch alle Details der Morde feststehen, ist eines gewiss: Weder Daphne Galizia noch Ján Kuciak sind “Zufallsopfer” eines schlimmen Verbrechens. Beide sind tot, weil sie manchen Leuten wohl zu neugierig waren. Weil sie mutige Journalisten waren. Weil sie ihren Beruf liebten.

Einen Beruf, den der langjährige – mittlerweile zurückgetretene – Ministerpräsident der Slowakei, Robert Fico, verachtete und bekämpfte. Kritische Journalisten waren für ihn “schleimige Schlangen”, “dreckige Huren” oder “dumme Hyänen”. Der Sozialdemokrat (!!!) attackierte verbal, andere (vielleicht dadurch ermutigt?) jetzt mit tödlicher Gewalt.

Diese verbalen Brandstifter gibt es in vielen Ländern. Regierungen in Polen, Ungarn, Russland oder den USA und vielen anderen Ländern haben keinerlei Skrupel, wenn sie gegen Journalisten hetzen. Und auch bei uns gehört diese Hetze offenkundig zur politischen DNA einiger Kreise – u.a. der AfD (“Lügenpresse”) oder Pegida (“Regierungshuren”). Erschreckend, dass sich auch einige (nicht nur ehemalige) Journalisten an dieser Treibjagd beteiligen.

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 158, 21.02.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am 4. März will die SPD verkünden, ob sie eine GroKo möchte. Die Inhalte sind längst auf dem Tisch, der 177-seitige Entwurf für einen Koalitionsvertrag ist öffentlich; er wird das Leben von mindestens 80 Millionen Menschen für die nächsten vier Jahre bestimmen. Doch wer sich die Berichterstattung der vergangenen Wochen ansieht, der liest, hört, sieht vor allem Beiträge über Posten und Personen, nicht über Inhalte.

Wer bei den Verhandlungen den Längeren zieht, wie der neue Finanzminister heißt, wer Vorsitzende wird – das betrifft die meisten Bürger kaum. Viel spannender wären Recherchen und Analysen zu den großen Projekten der GroKo. Was wird für wen besser, was schlechter? Dieser Fokus auf den Bürger ist aufwändig, er braucht Fachwissen, Ausdauer und Recherche. Diesen Fokus gibt es viel zu selten.

Wie wichtig es ist, dass (Recherche-)Redaktionen sich auf die Anliegen aller Bürger konzentrieren, dass sie divers aufgestellt sind, dass sie nicht von weißen, in der Oberschicht sozialisierten Männern dominiert werden – das zeigt auch #metoo. In Deutschland reden wir fast ausschließlich über den Fall Dieter Wedel. Die Diskussion zu sexualisierter Gewalt ist verglichen mit den USA meilenweit zurück. Das liegt auch daran, dass hier bislang kaum jemand harte Recherchen dazu veröffentlicht hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies anders wäre, hätten wir mehr Frauen im investigativen Journalismus – und mehr Frauen in journalistischen Führungspositionen. Auf der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche werden wir uns am 29./30. Juni diesen Herausforderungen widmen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 157, 24.01.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ging mal wieder alles rasend schnell – die Nachricht von Thomas Leifs Tod, sie zischte durch die Medien. In die Welt gesetzt durch einen Tweet – ausgerechnet. Hauptsache Erster sein, eine Todesnachricht zu verbreiten? Es ist befremdlich, erst recht, weil der Tod von Thomas Leif ja schon ein paar Tage zurücklag und nichts näher lag als die Frage, warum die Information darüber bislang nicht veröffentlicht worden war. Alle, die frühzeitig vom Tod erfahren hatten, schwiegen und respektierten den Wunsch der Familie, den Zeitpunkt der Nachricht selbst zu bestimmen. Das Gute ist – am Ende ist der Tweet unwichtig und vergessen. Was dagegen hängen bleibt, sind wie immer die wahren Würdigungen und die präzisen Porträts, die wir lesen durften.

Wir trauern um Thomas Leif, unseren Gründer, der uns mit dem Netzwerk Recherche etwas Großes hinterlassen hat. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 156, 20.12.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist zwar nur eine kleine Geste, hat aber dennoch eine große Symbolkraft: “Saal Daphne Caruana Galizia” – so heißt jetzt der Raum, in dem sich das Europäische Parlament den Fragen der Journalisten stellt. So soll die Erinnerung an unsere Kollegin aus Malta wachgehalten werden, die durch eine Autobombe ermordet wurde. Sie recherchierte seit vielen Jahren über Korruption in ihrem Heimatland, prangerte auf ihrem Blog immer wieder Filz und Amtsmissbrauch nicht nur der Regierenden im EU-Land Malta an. Furchtlos und ausdauernd. Es war beeindruckend und auch bewegend, wie die Abgeordneten im EU-Parlament parteiübergreifend ihre Arbeit würdigten und mit harschen Worten von Maltas Regierung die Aufklärung dieses Verbrechens forderten.

Daphne Caruana Galizia ist eine von 52 Journalisten, die bislang in diesem Jahr ermordet wurden – weil sie Journalisten waren. 179 sind aktuell im Gefängnis – weil sie Journalisten sind. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 155, 23.11.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es liegen aufregende Tage hinter uns: bei der Global Investigative Journalism Conference in Johannesburg hat sich Netzwerk Recherche gemeinsam mit der Interlink Academy und Correctiv für die Austragung der nächsten Global Conference 2019 in Hamburg beworben. Und: Wir haben gewonnen! Schon lange hat ein kleines Team des Netzwerks daraufhin gearbeitet, diese Konferenz nach Deutschland zu holen. Jetzt hat es geklappt, wir freuen uns sehr und starten in eine Phase neuer Arbeit. Vielen Dank an all diejenigen, die uns unterstützt haben auf diesem Weg bis hierhin!

Dass sich Dranbleiben lohnt, zeigen auch die „Paradise Papers“: Stimmt, nicht jeder Reporter bekommt große Leaks mit geheimen Steuerdaten auf den Tisch. Aber von der Geschichte hinter der Recherche können wir alle lernen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 154, 26.10.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in den vergangenen Wochen haben “New York Times” und “New Yorker” enthüllt, dass der Filmmogul Harvey Weinstein über Jahrzehnte hinweg offenbar Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hat. Mehrere Frauen haben den Vorwurf erhoben, Weinstein habe sie vergewaltigt. Einige haben, so das Ergebnis von Recherchen, bis zu sechsstellige Summen bekommen, damit sie über Begegnungen mit Weinstein schweigen. Die US-Kollegen haben diese Vorwürfe gesammelt, dokumentiert, es ist frappierend, wie sich all diese Geschichten ähneln. Es gibt sogar einen Mitschnitt, auf dem zu hören ist, wie Weinstein agiert – die New Yorker Polizei hatte ein Model, das Weinstein beschuldigte, mit einem verdeckten Mikrofon ausgestattet.

Es ist dem Mut der Frauen, sich zu äußern, zu verdanken, dass diese Geschichte öffentlich geworden ist, es ist auch eine journalistische Leistung. Weinstein wurde entlassen, er wolle nun versuchen, seine “Dämonen in den Griff zu bekommen”, erklärte er, die Vergewaltigungsvorwürfe dementiert er. Ob alles so war wie beschrieben, wird nun wohl auch Gerichte beschäftigen.

Die Enthüllung schmückt die Reporter, aber die Geschichte lässt den Journalismus nicht nur gut aussehen. Offenbar war Weinsteins Verhalten jahrzehntelang ein offenes Geheimnis in Hollywood. In einer Branche, die vom Tratsch lebt, in der es eine Nachricht ist, wenn eine Top-Schauspielerin sich eine Bluse eines neuen Designers kauft, muss es viele Mitwisser gegeben haben. Der Moderator der Oscar-Verleihung Seth Mac Farlane witzelte vor vier Jahren gerichtet an die Nominierten als beste Nebendarstellerin: “Glückwunsch, Ihr fünf Damen müsst nicht mehr so tun, als fühltet Ihr Euch von Harvey Weinstein angezogen.” Wissendes, lautes Gelächter im Publikum. Danach passierte: Nichts. Jetzt wird gerätselt, ob Weinsteins Anwälte Medien gedroht hatten, die vor den aktuellen Enthüllungen Vorwürfe publizieren wollten. Der Sender NBC hatte zunächst abgelehnt, die Story jenes freien Autors zu veröffentlichen, die der New Yorker dann brachte. NBC rechtfertigte sich, es hätten da noch nicht alle Fakten vorgelegen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 153, 19.09.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vor ein paar Tagen waren wir in Dortmund, beim ersten Campfire-Festival fuer Journalismus, das vom gemeinnuetzigen Recherchezentrum Correctiv organisiert wurde. Das Festival war der Gegenentwurf zu steifen Fachkonferenzen: Auf einer Campus-Wiese stand ein Zeltdorf, Gummistiefel und Regenjacke waren unentbehrlich, die Workshops waren kostenlos und offen fuer alle. Das Festival war ein Experiment, aus dem vielleicht tatsaechlich ein Lagerfeuer des Journalismus werden kann. Ein Ort, an dem Geschichten erzaehlt, wo Plaene geschmiedet werden, wo der Journalismus sich von seiner besten Seite zeigt.

Klar, wir sind befangen, wir engagieren uns ja selbst fuer den Non-Profit-Journalismus. Netzwerk Recherche hatte deshalb sechs Medienprojekte nach Dortmund eingeladen, die sich zuvor um ein Grow-Stipendium fuer Gruender im gemeinnuetzigen Journalismus beworben hatten. In einem Pitch traten sie gegeneinander an, unsere Jury kuerte vor Ort drei Stipendiaten. Ihre Projekte sind so vielfaeltig wie der gemeinnuetzige Journalismus: Das Projekt “MedWatch” will medizinische ‘Fake News’ entlarven, das “Ihme-Zentrum” moechte Buerger fuer sein Medienprojekt in Hannover gewinnen, und das Portal “120minuten” will mehr Recherche zum Thema Fussball ermoeglichen. Mehr zu den Vorhaben unserer Stipendiaten im Newsletter weiter unten.

Die Finanzierung durch Stifter und Spender ist aber laengst nicht mehr nur ein Geschaeftsmodell fuer kleine Journalismus-Projekte und Medien-Start-ups. Juengst haben die altehrwuerdige New York Times und der britische Guardian angekuendigt, mit eigenen gemeinnuetzigen Organisationen in den USA um das Geld der Foerderer zu werben. Sie wollen sich so eine weitere Geldquelle erschliessen. Gruenden nun bald auch “Der Spiegel” oder die “Sueddeutsche Zeitung” gemeinnuetzige Tochter-Organisationen? Natuerlich, die Rahmenbedingungen in Deutschland unterscheiden sich stark von den USA. Aber wir sind sicher, dass deutsche Medienhaeuser und Stiftungen nun sehr genau beobachten werden, welche Erfahrungen die neuen Akteure in Amerika machen werden. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 152, 18.08.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich komme nicht hinweg ueber eine Geschichte, die Ende Juni fuer ein paar kleine, aber immerhin bundesweite Schlagzeilen gesorgt hat: Eine franzoesische Familie, im Wohnmobil in Schleswig-Holstein unterwegs, wollte gern nach Sylt fahren. Statt den Zug zu nehmen, entschieden sich die vier, lieber selbst mit dem Fahrrad zu fahren. Der Fahrradweg ueber den Hindenburgdamm war immerhin bei Google Maps angegeben. Quasi einmal durchs Meer radeln, was fuer ein Abenteuer! Auch als die Familie ihre Mountainbikes ueber das Zufahrtstor der Strecke hieven musste, wunderte sie sich kaum. Selbst dann nicht, als sie auf dem mehr als 11 Kilometer langen Betriebsweg gar keine anderen Fahrradfahrer trafen. Sondern erst, als sie in Westerland von der Bundespolizei begruesst wurden. Smartphone ist Smartphone. Was kuemmert einen da die Realitaet?

Was hat das mit Journalismus zu tun? Natuerlich nichts, ausser, dass das auf den ersten Blick eine lustige Geschichte ist, die erzaehlt werden will. Bei der man kurz im Internet versackt, weil man auf viele weitere ulkige Google-Fehler und Anekdoten stoesst: Offenbar ist es naemlich gar nicht so aussergewoehnlich, dass Menschen dem Smartphone oder Google mehr Vertrauen schenken als ihrem gesunden Menschenverstand. Und als ihren eigenen Augen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 151, 18.07.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

der Gipfel in Hamburg ist vorbei – endlich!
Die politische und juristische Aufarbeitung des Desasters beginnt – hoffentlich!

Es liegt auch an uns Journalisten, dass dieses Thema auf der Agenda bleibt und nicht im Sommerloch verschwindet oder von den verantwortlichen Politikern in Hamburg und Berlin durch Nichtstun oder gegenseitigen Vertrauensbekundungen “beerdigt” wird. Zu viel ist passiert, zu viele Fragen sind laengst nicht beantwortet, manche noch nicht einmal gestellt. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen – dranbleiben!

“Lieber Olaf, wir muessen reden”. Dieses Transparent auf einem Balkon in der Hamburger Schanze kennt mittlerweile jeder. Aber Redebedarf sollte es auch bei und unter uns geben. Denn da ist auch vieles passiert, was diskutiert werden muss.

Dass viele Medien gegen den ploetzlichen Entzug der Gipfel-Akkreditierung fuer 32 Kollegen protestieren – das ist gut. Dass man sich mit den eher hilflosen und vernebelnden Erklaerungen des Bundespresseamtes nicht abspeisen laesst, auch das ist voellig richtig. Allerdings sollten wir vor einem endgueltigen Urteil versuchen, weitere Hintergruende zu recherchieren, Widersprueche aufzudecken, die Verantwortlichen mit bohrenden Nachfragen unter Druck zu setzen. Solidaritaet ja, aber bitte keine vorschnellen Urteile. Unsere Empoerung ersetzt keine Recherche. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 150, 29.06.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Noch 87 Tage bis zur Bundestagswahl, gut zwoelf Wochen, der Wahlkampf laeuft an. Und wie jedes Mal wird die Politik in den Wochen vor der Wahl versuchen, uns Journalisten ihre Themen aufzudruecken. Mit Pressekonferenzen, mit inszenierten Hausbesuchen, mit Reformkonzepten.

Dem Programm der Politiker zu folgen, das ist einfach, das ist der Weg des geringsten Widerstandes. Und manchmal laesst es sich auch nicht vermeiden. Aber je oefter es uns gelingt, eigene Themen zu setzen, umso besser. Dafuer braucht es Recherche. Dafuer braucht es Haltung. Und dafuer braucht es das Verstaendnis, dass wir als Reporter nicht die Ueberbringer politischer Botschaften sind, sondern die Stellvertreter unseres Publikums.

Armin Wolf zeigt, wie dieses Verstaendnis in der Praxis aussehen kann. Der oesterreichische Fernsehmoderator hat in diesem Jahr vom Netzwerk Recherche den “Leuchtturm fuer besondere publizistische Leistungen” verliehen bekommen. Wolf erklaert seine Arbeit in einfachen Worten. Er “konfrontiere Politiker mit kritischen Fragen, Gegenargumenten und Widerspruch. Danach sind wir im Idealfall alle informierter: ueber das Thema und auch den Politiker”. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 149, 19.05.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die US-Fernsehserie “The Wire” gehoert zu den grossartigsten Gesellschaftsportraets ueberhaupt. Die fuenfte Staffel aus dem Jahr 2008 handelt vom Niedergang der Zeitungen. In einer Schluesselszene der ersten Folge ruft der Redaktionsleiter die Mitarbeiter im Newsroom zusammen. Er spricht von den sinkenden Anzeigenerloesen, den sinkenden Auflagen, den Sparvorgaben der Eigentuemer. Dann zaehlt er die Auslandsbueros auf, die geschlossen werden, und erwaehnt, dass man in der Personalabteilung Details der Abfindungsangebote erfahren kann. Zum Schluss sagt er: “Wir muessen ganz einfach Wege finden, mehr mit weniger zu tun.”

Der Autor der Serie, David Simon, ein ehemaliger Polizeireporter der “Baltimore Sun”, hat dazu einmal gesagt: “You don’t do more with less. You do less with less.”

Sehr viele Kollegen haben in den vergangenen zehn Jahren deprimierende Situationen wie diese erlebt: Vollversammlungen, auf denen Entlassungen, Stellenkuerzungen, Bueroschliessungen verkuendet wurden, erst kuerzlich beim Focus, bei der Berliner Zeitung und beim Berliner Kurier. Manche Redaktionen sind kaputtgespart worden, und dann ist es kein Wunder, dass Leser wegbleiben.

Keine guten Zeiten fuer guten Journalismus. Erst recht nicht fuer Journalismus, der noch besser werden will. Oder doch?

Weniger Ressourcen bedeutet: weniger Reporter, weniger Freiraum fuer Recherchen, gerade im Lokalen, wo es oft nur noch eine Zeitung vor Ort gibt. Weniger Ressourcen bedeutet auch: weniger Honorare fuer Freie, weniger Zukunftschancen fuer Berufseinsteiger. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 148, 28.04.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Tuerkei ist einsame Spitze: Kein Land scheint verirrter – wenn es um die Pressefreiheit geht. Denn in keinem Land sitzen mehr Journalisten in Gefaengnissen ein. Es ist ein Rekord der Ungerechtigkeit und er offenbart die Brutalitaet der Tuerkei: Von weltweit etwa 200 inhaftierten Journalisten sitzen nach den Zahlen von Reporter ohne Grenzen allein ein Viertel in einem tuerkischen Gefaengnis.

Deniz Yuecel ist einer von ihnen und er bringt uns diesen Wahnsinn zum Verzweifeln nah: Denn er ist einer von uns! Aber es ist alles noch viel schlimmer und eigentlich unvorstellbar: Deniz Yuecel ist “nur” einer von etwa fuenfzig in der Tuerkei inhaftierten Journalisten. Und vielleicht sind es sogar viel mehr. Denn in Dutzenden weiteren Faellen laesst sich nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ein direkter Zusammenhang der Haft mit der journalistischen Taetigkeit zwar nicht nachweisen, ist aber mehr als wahrscheinlich. Weitere Menschenrechtsorganisationen gehen von 140 inhaftierten Journalisten aus.

Der internationale Tag der Pressefreiheit, alle Jahre wieder der 3. Mai, ist schon lange ein Mahnmal fuer das Unrecht gegen Journalisten. Vor 24 Jahren hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Welttag der Pressefreiheit bestimmt. Er soll der Presse- und Meinungsfreiheit einen Status als Menschenrecht geben. Jede Journalistin, jeder Journalist – so die Forderung – muss das Recht haben, frei und ohne Angst berichten zu koennen. Seit es den Tag der Pressefreiheit gibt, werden wir einmal im Jahr darauf gestossen, wo dieses Menschenrecht missachtet wird oder wo es besonders gefaehrdet ist. Dieses Jahr ist eines der unheilvolleren Jahre. Auch oder gerade weil wir an Deniz Yuecel denken. Aber je schlechter die Nachrichten an diesem Tag, desto groesser auch die Dringlichkeit, die Pressefreiheit, dort, wo sie nicht gefaehrdet ist, auch zu nutzen! Naemlich bei uns. Vor der eigenen Haustuer. In der eigenen Redaktion. Gerade weil wir in Deutschland, einem Paradies der Pressefreiheit, leben! Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 147, 24.03.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es sind absurde, auch verstoerende Zeiten: Die dpa-Journalistin Kristina Dunz stellt auf der Pressekonferenz von Donald Trump und Angela Merkel in Washington zwei kritische Fragen – und wird dafuer von vielen Medien gelobt, im Netz gar richtig gefeiert.

Deniz Yuecel stellt im Februar 2016 auf einer Pressekonferenz von Angela Merkel und dem tuerkischen Ministerpraesidenten Ahmet Davutoglu in Ankara ebenfalls kritische Fragen. Er wird deshalb von der tuerkischen Regierung und ihren regierungstreuen Medien heftigst attackiert, geraet endgueltig ins Visier. Das Ergebnis ist bekannt: Seit Wochen sitzt er im Gefaengnis.

Seine erste Festnahme erfolgte bereits im Juni 2015 – ebenfalls wegen kritischer Fragen. Er hatte sie auf einer improvisierten Pressekonferenz am tuerkisch-syrischen Grenzuebergang Akcakale gestellt. Auf Anordnung des Gouverneurs der Provinz wurde er danach – zusammen mit drei anderen Journalisten – verhaftet.

Ermutigend zumindest, dass sich (nicht nur in Deutschland) so viele doch sehr unterschiedliche Verlage und Sender fuer die Freilassung von Deniz Yuecel engagieren. Und auch die deutsche Regierung lautstark protestiert.

Ermutigend auch, dass dabei immer wieder an die vielen anderen Journalisten nicht nur in der Tuerkei erinnert wird, die in vielen Laendern verfolgt, verhaftet oder gar ermordet werden. Und noch etwas ist gerade in diesen Tagen ermutigend: Dass es hierzulande Journalisten gibt, die sich in Organisationen wie (nicht nur) “Reporter ohne Grenzen” engagieren. Die sich immer wieder weltweit auch um das Schicksal all jener Kollegen kuemmern, die gerade nicht in den Schlagzeilen sind, die aber ihre Freiheit, ihr Leben riskieren, weil sie Journalisten sind, weil sie Fragen stellen. Wir alle sollten solche Organisationen mehr unterstuetzen und deren Arbeit nicht nur routiniert zur Kenntnis nehmen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 146, 15.02.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

gelegentlich sieht man die Gegenwart klarer, wenn man in die Vergangenheit blickt. Volker Ullrich von der “Zeit” hat das dieser Tage getan und beschrieben, wie deutsche Journalisten im Jahr 1933 die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler kommentiert haben. Die Parallelen zu heute sind frappierend: Die meisten Medien rieten zum “ruhigen Abwarten”, Hitler werde sich einhegen lassen, das neue Amt werde einen maessigenden Einfluss ausueben.

Theodor Wolff zum Beispiel, Chefredakteur des “Berliner Tageblatts” und einer der hellsichtigsten Koepfe seiner Zeit (nach dem auch heute noch ein renommierter Journalistenpreis benannt ist), schrieb am 31. Januar 1933: Die Deutschen seien stolz auf “die Freiheit des Denkens und des Wortes”, deshalb werde sich “seelischer und geistiger Widerstand” regen und Hitler in die Schranken weisen. Der Chefredakteur der arbeitgebernahen “Deutschen Allgemeinen Zeitung”, Fritz Klein, schrieb: Der Fuehrer der NSDAP muesse nun beweisen, “ob er das Zeug zum Staatsmann besitzt”. Die meisten dachten und schrieben, die konservativen Buendnispartner haben ihn im Griff, man solle sich von Hitlers radikaler Rhetorik nicht blenden lassen. Selbst der Centralverein deutscher Staatsbuerger juedischen Glaubens erklaerte, nun gelte “ganz besonders die Parole: Ruhig abwarten!”

Die Diplomaten lagen kaum weniger daneben. So erklaert der US-amerikanische Generalkonsul in Berlin, George S. Messersmith, dass die Hitlerregierung nur eine Uebergangserscheinung hin zu stabileren politischen Verhaeltnissen darstelle. Dem franzoesischen Botschafter Andre Francois-Poncet erschien der neue Reichskanzler gar “matt und mittelmaessig”, eine Art Miniaturausgabe Mussolinis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 145, 20.01.2017

## Inhaltsverzeichnis.
Abschnitt Eins: In Eigener Sache
02: nr-Jahrestreffen am 9./10. Juni in Hamburg
03: Keine freie Hand fuer BND im neuen Bundesarchivgesetz!

Abschnitt Zwei: Veranstaltungen
04: Umfrage: Will die Bevoelkerung mehr Massenueberwachung?
05: Workshop “RADO – Ran an die Ostsee”
06: DFN-Workshop “Sicherheit in vernetzen Systemen”
07: Integration durch Medien – Aufgabe oder Auslaufmodell? Jahrestagung des Netzwerks Medienethik
08: “Alphabet des Ankommens” – Workshop Comicjournalismus in Hamburg
09: Surveillance Studies Preise
10: Suchmaschinen-Kongress 2017
11: Dataharvest / EIJC 2017

Abschnitt Drei: Nachrichten
12: Spendenaktion und Crowdfunding-Projekt fuer Honkonger Snowden-Helfer
13: Security Without Borders will Journalisten und Menschenrechtlern helfen
14: US-Medien ruesten auf
15: US-Stiftungen profitieren indirekt von Trump-Wahl
16: Zwei neue Reuters-Publikationen
17: Konzernatlas von Germanwatch zum Download
18: OBS-Festrede von Mely Kiyak

Abschnitt Vier: Seminare, Stipendien, Preise
19: Vorschlaege fuer die Dart Awards gesucht
20: Theodor-Wolff-Preis 2017: Populismus
21: Journalismfund foerdert grenzueberschreitende Recherchen
22: Recherchepreis Osteuropa
23: Seminare mit Recherchebezug

Abschnitt Fuenf: Pressespiegel
24: Journalismus
25: “Fake-News”
26: Journalismus und PR
27: Informationsfreiheit
28: Bundesarchivgesetz
29: Ueberwachung

30: Link-Index
31: Technische Hinweise
32: Impressum

Nr. 145 vom 20.01.2017

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 144, 21.12.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am Ende des Jahres bin ich ratlos. Denn es faellt mir wirklich schwer, zu erkennen, was nun im Rueckblick das wichtigste war im Journalismus. Worauf kommt es wirklich an in unserer Zeit, wo stehen wir. Dabei ist genau das doch tagein tagaus unsere Aufgabe: immer zu sagen, was das wichtigste ist und war.

Am Montagabend, als ein LKW in den Weihnachtsmarkt raste und zwoelf Menschen mit sich riss, ist es den Medien relativ gut gelungen – zu sagen, was war.  Weil sie naemlich auch gesagt haben, was sie nicht wissen. Jede Krisenlage, jeder Grosseinsatz, jeder Anschlag ist eine Herausforderung fuer unsere Glaubwuerdigkeit.

Wir sind in einer Phase, in der wir uns viel mit unserem Beruf und dessen Bedeutung beschaeftigen. Denn uns wird ein Spiegel vor Augen gehalten, in dem wir uns allerdings nicht wiedererkennen moegen. Die Luegenpresse, das sind wir doch gar nicht! Aber der Begriff klebt seit nunmehr einigen Jahren an uns und verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Vielleicht weniger, weil er uns immer wieder neu entgegengehalten wird, sondern weil wir selbst nicht aufhoeren, uns mit ihm zu beschaeftigen – zurecht! Weil wir nicht aufhoeren, uns den Kopf darueber zu zerbrechen, wie wir das Vertrauen der Leser, Zuschauer und Hoerer wieder zurueckgewinnen koennen. Wie wir wieder “glaubwuerdig” werden – denn wir sind uns doch ziemlich sicher, dass wir doch vor allem: glaubwuerdig sind!

Haette die Tagesschau ueber den mutmasslichen Vergewaltiger aus Freiburg berichten muessen, eben weil er ein Fluechtling ist? Oder hat die Tagesschau zu Recht nicht berichtet, weil es nur einer von vielen vergleichbaren Faellen war, dieses Mal eben der eines Fluechtlings. Die Tagesschau hat sich dazu ausfuehrlich und mehrfach erklaert. Aber sie kann vermutlich erklaeren, was sie will. Sie wird diejenigen, die davon ueberzeugt sind, dass hier absichtlich totgeschwiegen werden sollte, im Leben nicht ueberzeugen.

Wir werden die Menschen, die uns Journalisten verachten, derzeit nicht erreichen – auch mit Engelszungen nicht. Tatsaechlich gibt es wenig gesellschaftliche Beruehrungspunkte zwischen uns und denjenigen, die sich von uns abgewendet haben. In unserer journalistischen Blase und Mediengesellschaft sind wir doch meist weit weg von Wutbuergern, sogar von ganz normalen Buergern. Wahrscheinlich waren es auch nicht die Wutbuerger allein, die den ersten Schritt zur Distanz gemacht haben, sondern auch die Journalisten selbst.

Nehmen wir Trump. Viele Journalisten in Deutschland erklaerten sich nach dessen Wahl “unter Schock”. Diese Empathie und Sorge will ich niemandem absprechen.

Aber es ist auch sonderbar, dass Journalisten monatelang intensiv versuchen, alles Boese rund um Trump zu erklaeren und aufzuklaeren. Damit jeder versteht: Den darf niemand waehlen, Achtung! Und dann gewinnt er und dann sind wir “unter Schock”. Wohl auch, weil wir uns nicht erklaeren koennen, dass unsere Aufklaerungen alle nicht richtig angekommen sind. Wir haben es doch gesagt, wir wussten es doch besser, warum hoert uns denn niemand? Auch zur AfD haben viele Kolleginnen und Kollegen recherchiert und publiziert. Es hat nichts daran geaendert, dass sich diese Partei flaechendeckend etabliert hat. Wer hat sie gewaehlt? Unter anderem diejenigen, denen wir fremd sind – vielleicht auch, weil ihnen unsere ewige Besserwisserei, unser zuweilen wohl auch elitaeres Gehabe auf den Geist geht.

Wir bewerten viel und beschreiben weniger. Es gibt eigentlich vergleichsweise wenig Journalisten, die in ihrem Alltag viel mit verschiedensten Menschen zu tun haben, sie treffen, zuhoeren und die versuchen, ihr Leben zu verstehen. Die Gruende sind vielfaeltig, vor allem aber hat sich unsere journalistische Kultur geaendert: Vom Beobachten und Beschreiben zum schnellen Bewerten. Der wirtschaftliche Druck und Sparzwang ist dabei sicher unser groesstes strukturelles Problem.

Rechercheprogramm unterstützen auf betterplaceEs fehlt an unvoreingenommenen Recherchen und an der Finanzierung fuer ebendiese. Netzwerk Recherche will kuenftig mehr solcher unabhaengiger Recherchen mit Hilfe unseres Stipendienprogrammes ermoeglichen. In den vergangenen Jahren konnten wir unser Stipendienprogramm sukzessive ausbauen. Im 2015/2016 haben wir 19 Stipendien gefoerdert – die spannenden Ergebnisse finden Sie auf der nr-Website. Derzeit sind sieben weitere Recherchen in Arbeit – und neue Bewerbungen liegen bereits vor. Fuer einen Teil der Stipendien konnten wir Partner finden: die Olin gGmbH und die Karl-Gerold-Stiftung foerdern Umweltthemen bzw. reiseintensive Recherchen.

Wenn wir aber weiterhin alle Recherchen unterstuetzen wollen, die wir fuer foerderungswuerdig halten, brauchen wir zusaetzliche Mittel. Daher moechten wir Sie heute um Ihre Unterstuetzung bitten: Wenn jeder Newsletter-Abonnent mindestens 10 Euro spendet, koennten wir naechstes Jahr zusaetzliche 14 Stipendien vergeben!

Zum sofortigen Spenden bitte hier entlang:
http://nrch.de/woohoo17

Uebrigens koennen Sie die Spende steuerlich geltend machen, da nr als gemeinnuetzig anerkannt ist. Ueber die Finanzierung unseres Vereins koennen Sie sich unter
http://nrch.de/transparenz informieren.

Wir freuen uns auf Ihren kleinen oder grossen Beitrag zu moeglichst grossen Recherchen!
Und jetzt wuenschen wir Ihnen frohe Feste und eine schoene mail-arme Zeit,

es gruessen
Julia Stein ,
Albrecht Ude

Tagesschau.de : Der Mordfall von Freiburg
http://blog.tagesschau.de/2016/12/04/der-mordfall-von-freiburg/

Das nr Stipendienprogramm:
http://nrch.de/stipendien

 

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 143, 29.11.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

fuer Monika Baeuerlein, CEO des US-amerikanischen Non-Profit-Magazins Mother Jones, war es nicht leicht, wenige Tage vor der Wahl in den Vereinigten Staaten nach Deutschland zu kommen. Weil ihr, der gebuertigen Muenchnerin, die Entwicklung des gemeinnuetzigen Journalismus in Deutschland am Herzen liegt, kam sie trotzdem: Als Keynote-Rednerin eroeffnete Monika Baeuerlein den “Tag des Non-Profit-Journalismus” Ende Oktober in Berlin, die juengste Fachkonferenz von Netzwerk Recherche.

Inzwischen haben die USA gewaehlt, Donald Trump wird Praesident. “This is a dark hour, and to say otherwise would be a lie”, schrieb Mother Jones in einem Kommentar zum Ausgang der Wahl. Welchen Anteil hatten die Medien am Erfolg von Donald Trump? Welche Zukunft hat der Watchdog-Journalismus in den USA? Diese Fragen muessen uns umtreiben, denn nicht ohne Grund hat die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen den kuenftigen Praesidenten der USA nach seinem Wahlsieg umgehend aufgefordert, die Pressefreiheit zukuenftig zu respektieren. Das ist eine kleine Meldung, die das ganze Ausmass der Erschuetterung unserer Branche in ein paar Zeilen verdichtet.
Monika Baeuerlein hat die Fragen zur Freiheit und Verantwortung der Medien in ihrer Berliner Rede bereits aufgeworfen. “Dieser Wahlkampf zeigt uns, was passiert, wenn der Journalismus seine gemeinnuetzige Aufgabe, die er immer hatte, nicht mehr ausreichend wahrnehmen kann.” In den USA kompensieren hier und da Non-Profit-Medien die Defizite, indem sie Aufklaerung und investigative Recherchen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Viele von ihnen haetten allerdings nur wenige Mitarbeiter und ein schmales Budget, da gebe es “room to grow”, so Baeuerlein. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 142, 19.10.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

der Soziologe Wilhelm Heitmeyer hat vergangene Woche im “Freitag” den Aufstieg der Rechtspopulisten und das Zusammenspiel mit den Medien versucht zu erklaeren.

Laut Heitmeyer erklimmen AfD und Co. die erste Stufe ihres Erfolgs immer durch “Provokationsgewinne”. Was ist damit gemeint? Die Rechtspopulisten wissen sehr genau, wie sie provozieren muessen, damit wir Journalisten darauf anspringen und ueber sie berichten. Heitmeyer schreibt:

“Das entspricht der eigenen Verkaufslogik der Medien und die wird sich nicht aendern. Deshalb wird von den populistischen Mobilisierungsexperten sorgsam darauf geachtet, dass nicht ‘mehr vom gleichen’ geboten wird. Denn darauf reagieren Medien in der Regel nicht mehr. Stattdessen wird eine zunehmende sprachliche Aggression geboten, die spaeter – von welchen Akteuren auch immer – eingeloest werden muss, um nicht als ‘Maulhelden’ dazustehen.” Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 141, 26.09.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vor kurzem jaehrte sich Angela Merkels Entscheidung, die Fluechtlinge vom Budapester Hauptbahnhof nach Deutschland zu holen – die Entscheidung fuehrte dazu, dass die Grenze monatelang offen war und im vergangenen Jahr wohl um die 800.000 Fluechtlinge nach Deutschland kamen.

Wie es dazu kam, haben etliche Medien aufgearbeitet: Schiffsungluecke auf dem Mittelmeer mit mehreren hundert Toten hatten die Oeffentlichkeit, Politiker und Journalisten aufgeschreckt. Dann wurden 70 Menschen von Schleusern in einen Kuehllaster gepfercht, sie erstickten qualvoll. Und es gab das kaum zu ertragende Bild des Fluechtlingsjungen Aylan Kurdi tot am tuerkischen Strand. Es schien damals, als koennten wir in Deutschland all das nicht ertragen, es war eine humanitaere Notwendigkeit zu helfen, auch den Menschen, die im Dreck am Bahnhof Keleti gestrandet waren.

Und heute?

Wir Journalisten berichten nun viel ueber die Fluechtlingsdebatte:
Wie die AfD die Zahl der Fluechtlinge fuer ihre Zwecke nutzt, wie CSU und Teile der CDU einen Kotau der Kanzlerin erzwingen wollen. Sie soll ihre Fluechtlingspolitik als Fehler bezeichnen, eine Abkehr auch in Worten vollziehen, denn in der Sache hat sie die Abkehr laengst vollzogen.

Wenig berichten wir ueber das Schicksal der Menschen, die heute aus Syrien fliehen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 140, 17.08.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich wuenschte, es gaebe noch das Sommerloch. Denn in Zeiten des Sommerlochs war es doch einfacher, das Wichtige und Richtige vom Unwichtigen und Falschen zu trennen. Heute ist das nicht mehr so, denn es gibt schlicht keine Pause mehr. Weil sich eine solche Pause niemand mehr leisten kann. Weil eine solche Pause dem System widerspricht, in dem wir alle arbeiten.

Politiker lassen sich ihre Pausen moeglichst gar nicht erst anmerken: Kommentieren weiterhin, allzeit bereit, oder laden sich die Journalisten gleich direkt an ihren Urlaubsort ein. Als sei die mediale Praesenz die einzige Waehrung ihres politischen Geschaefts. Und die Medien koennen sich in Live-Ticker-Zeiten einen Stillstand oder eine Themenflaute noch viel weniger erlauben. Unsere digitale DNA macht ein Sommerloch unmoeglich.

Also laeuft die Maschine, tagein, tagaus. Und wir stuerzen uns auf das, was uns wichtig erscheint, natuerlich. Berichten in Echtzeit und nahezu ungefiltert ueber alles rund um die Amoklaeufe – und begeben uns dabei auch noch in einen medialen Wettkampf, wer die meisten Details zutage foerdert. Aus dem Privatleben des Amoklaeufers. Ueber die Verbindungen zum Terrorismus und zum IS. Oder ueber einige Jugendliche, die sich im Internet “auf das Morden vorbereiten” wie die FAS vor einigen Wochen in ihrem Aufmacher enthuellte. Was wir aber mit diesen zuweilen nur vermeintlich relevanten Recherchen bewirken, was fuer eine Aufmerksamkeit wir damit schaffen, darueber diskutieren wir wie immer erst hinterher. Immerhin tun wir es gerade jetzt ausgiebig und kontrovers. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 139, 25.07.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es sind turbulente, auch erschuetternde Tage, die uns alle in den Wochen nach unserer Jahrestagung in Hamburg aufwuehlen: Attentat in Muenchen, Terror in Nizza, Putschversuch in der Tuerkei, toedliche Schuesse in den USA, der Dopingskandal in Russland oder das Erschrecken ueber die Gewalttat in einem Zug bei Wuerzburg. Und dazu die wichtigen, uns noch lange beschaeftigenden Themen wie Brexit, Fluechtlingspolitik, IS-Terror, Dieselaffaere, TTIP und viele mehr. Wir Journalisten sind gefordert. Wir muessen recherchieren, berichten, einordnen und sollen erklaeren, was manchmal nicht erklaerbar ist. Und das immer ganz schnell, bisweilen viel zu schnell.

Gleichzeitig kaempfen wir um unsere Glaubwuerdigkeit, sind konfrontiert mit Hetzparolen (nicht nur) im Netz, sorgen uns um Finanzierungsmodelle fuer den Journalismus der Zukunft.

Was also tun? Eigentlich ganz einfach: Unseren Job. Wissend, dass in all der Hektik auch Fehler passieren koennen – die wir dann auch transparent korrigieren sollten.
Wissend, dass viele unserer Arbeit misstrauen – aber da geht es manch anderer Berufsgruppe nicht anders. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 138, 27.06.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir erleben seit Jahren eine Krise nach der anderen. Krisenzeiten sind eigentlich gute Zeiten fuer Journalisten, weil die Menschen informiert sein wollen, wenn die Welt sich aendert. Doch der Journalismus steckt selbst in der Krise – in einer oekonomischen und in einer Vertrauenskrise. Das Geschaeftsmodell von immer mehr Printmedien zerbroeselt, ohne dass erkennbar waere, was an die Stelle des alten treten koennte. Gleichzeitig nehmen mehr Menschen als frueher uns Journalisten als Teil von “denen da oben” wahr und kuendigen ihr Interesse an unserer Arbeit.

“An der Grenze” heisst deshalb das Motto der Jahrestagung von Netzwerk Recherche, die in zwei Wochen wie immer auf dem Gelaende des NDR in Hamburg stattfindet.

“An der Grenze” waren manche von uns, die ueber Fluechtlingscamps und Fluchtrouten berichteten. An der Grenze der Ratlosigkeit sind manche Kollegen aber auch im Umgang mit den Rechtspopulisten der AfD. Viele Kolleginnen und Kollegen vor allem in Regional- und Lokalzeitungen schliesslich sind an der Grenze, was ihre Arbeitsbedingungen angeht. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 137, 25.05.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in den vergangenen Monaten haben wir Journalisten viel ueber unsere Haltung debattiert, untereinander und auch mit Lesern, Hoerern und Zuschauern. Es ging um die Berichterstattung ueber Fluechtlinge und die Frage, wann es richtig und wichtig ist, Haltung zu zeigen. Es ging auch darum, ob eine politische Einstellung den Blick auf die Wirklichkeit verengen kann. Es gab die “Luegenpresse”-Choere und einen Vertrauensverlust in die Medien, leider bei mehr Menschen als den Pegida-Anhaengern.

Die Ankunft einer grossen Zahl von Fluechtlingen in Deutschland war eine besondere Situation, in der viele Journalisten auf neue Art und Weise ihre Rolle gesucht, ueberdacht und hinterfragt haben.

Es gibt aktuell ein weiteres, verwandtes Thema, das uns dazu bringt, ueber unsere Rolle nachzudenken: Wie umgehen mit Rechtspopulisten? Das ist kein Problem, das nur deutsche Journalisten haben: In den USA ist der republikanische Praesidentschaftsbewerber Donald Trump auf dem Vormarsch, in Oesterreich die rechte FPOe und in Deutschland ist die AfD bereits in acht Landesparlamenten vertreten.

Journalisten wurde bereits der Vorwurf gemacht, sie haetten geholfen, die AfD gross zu machen, schon weil deren Politiker haeufig in Talkshows eingeladen wurden. Also besser ignorieren?

Dass das keine Loesung ist, merkten Politiker der etablierten Parteien als sie vor den Landtagswahlen im Maerz TV-Gespraechsrunden mit AfD-Politikern boykottierten. Das kam beim Publikum nicht gut an. Auch die Strategie, AfD-Vertreter mit ‘knallhart’ gefuehrten Interviews entlarven zu wollen, funktionierte nur selten. Im Gegenteil, manchmal gewannen AfD-Leute noch Sympathien, weil sie von Journalisten so deutlich aggressiver angegangen wurden als andere Gespraechspartner. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 136, 21.04.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Hinter uns liegen verrueckte Tage: der islaendische Ministerpraesident ist zurueckgetreten. In England kaempft David Cameron um seine politische Zukunft. Gegen den argentinischen Praesidenten ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die UEFA-Zentrale wurde durchsucht. In China arbeitet die Zensurbehoerde auf Hochtouren, damit niemand mitbekommt, dass die chinesische Elite zu den Stammkunden Mossack Fonsecas zaehlt, der nunmehr beruehmten Kanzlei in Panama. Und vermutlich war das noch lange nicht alles an Reaktionen und Ermittlungen, die die PanamaPapers hervorgerufen haben. Wahnsinn.

All das vollzog sich schlagartig, wie beim Domino. Ein Stein folgte auf den naechsten, schneller als man gucken konnte. Taeglich gab es neue Nachrichten zu dem Datenleck. Am allerschnellsten aber hatten sich die Kritiker zu Wort gemeldet. Die PanamaPapers waren noch nicht einmal 24 Stunden lang veroeffentlicht, da wurde schon gemeckert, ob das jetzt schon alles sei, warum es so intransparent laufe, warum nicht einfach alle Daten sofort vollstaendig veroeffentlicht wuerden, warum man ueberhaupt Namen nenne, warum, warum, warum. Auf dem direkten Weg erreichten uns diese Fragen allerdings nicht.

Zur Transparenz: Ich bin befangen, denn ich habe mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen mitgearbeitet an der Auswertung der PanamaPapers in Deutschland. Als ich die Kritik im Netz erst Tage spaeter realisierte, habe ich gestaunt: Wie schnell einige Kollegen in der Lage sind, ihr Urteil zu faellen. Wie reflexhaft in der Sekunde der Veroeffentlichung schon bewertet wird. Daumen hoch, Daumen runter. Es ist offenbar ein Wert, sofort alles besser zu wissen. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 135, 21.03.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

sind ja “nur” Umfragen, wird schon nicht so schlimm kommen. So dachten viele vor der Wahl am letzten Wochenende. Es kam, wir wissen es jetzt alle, noch schlimmer. Es sei ein Schock fuer die etablierten Parteien, ein Denkzettel, ein Fanal. So die Botschaft der Politik. Ratlosigkeit macht sich breit. Garniert mit wuetenden Kommentaren und gelegentlicher Nachdenklichkeit.

Was also tun? Diese Frage richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an uns, die Medien. Wie umgehen mit einer Partei, deren Funktionaere und auch Waehler oftmals nicht nur die in der Verantwortung stehenden Parteien verachten, sondern auch uns als “Luegenpresse” beschimpfen. Oder – um es mit Frauke Petry zu sagen – als “Pinocchio-Presse”. Macht es nicht besser. Es bleibt perfide. Umso irritierender, dass ausgerechnet sie sich in festlicher Robe als Gast auf dem Bundespresseball praesentieren darf – umringt von Journalisten und im Blitzlichtgewitter der Fotographen. Vielleicht sollten auch einige von uns sich mal ueberlegen, mit wem man feiert, wem man eine solche Buehne bereitet. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 134, 24.02.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

diese Woche koennen wir alle ins Kino gehen und uns exakt 40 Jahre nach dem Watergate-Film “All the Presidents Men” erneut fuer einige Helden des investigativen Journalismus begeistern: “Spotlight” laeuft in Deutschland an, der Film ueber die investigative Einheit der US-Tageszeitung “Boston Globe”, die im Jahr 2001 damit begann, den Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche von Boston aufzudecken. Ausgehend von einer kleinen Nachricht ueber einen paedophilen Priester hat der neue Chefredakteur, der nicht mit den Honoratioren verbandelt war, das Spotlight-Team an die Recherche gesetzt. Die Reporter fanden nach langen Recherchen heraus, dass es nicht nur einen, sondern neunzig (!) Priester gab, die Kinder missbrauchten und die vom Bischof gedeckt wurden. Der “Globe” bekam dafuer im Jahr 2003 den Pulitzer Preis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 133, 25.01.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

als im vergangenen Sommer die Zahl der Fluechtlinge massiv zunahm und pro Tag mehrere Tausend Menschen ueber die Grenzen in Bayern kamen, stieg auch die Zahl der Leserbriefe, die Redaktionen von Tageszeitungen, Magazinen und Sendern erreichten. Die Schreiber warnten vor dramatischen Folgen einer massenhaften Einwanderung, der angeblichen Verantwortungslosigkeit Angela Merkels und kaum loesbaren Problemen mit den Neuankoemmlingen. Eine ganze Reihe dieser Briefe war unertraeglich im Ton. Der Vorwurf, den sie an uns, die Journalisten richteten, war es, dass wir diese Probleme verschweigen wuerden, oft tauchte das Wort Luegenpresse auf. Viele dieser Schreiber unterstellten, wir waeren ein PR-Kartell, dessen Ziel es sei, die Politik der Kanzlerin medial zu flankieren. Diese Briefe kamen offensichtlich nicht nur von Pegida-Freunden, sondern auch aus dem buergerlichen Leser- und Zuschauermilieu, immer wieder erreichten mich Briefe mit der Frage, warum wir Straftaten von Fluechtlingen verschweigen wuerden. Vielleicht noch besorgniserregender: Auch die andere Seite glaubte dies. In Hintergrundgespraechen lobten hohe Repraesentanten des Staates, wie verantwortungsbewusst es doch sei, dass Medien Straftaten ignorierten, bei denen Fluechtlinge als Vergewaltiger oder Gewalttaeter aufgefallen waren. Umfragen bestaetigen, dass ein erheblicher Teil unserer Leser das Vertrauen in unsere Objektivitaet verloren hat. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 132, 21.12.2015

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Es fing schrecklich an, das journalistische Jahr 2015: am Morgen des 7. Januar riefen zwei schwerbewaffnete maskierte Maenner “Allah ist gross”, dann erschossen sie elf Menschen. Mit ihrem Kugelhagel beerdigten sie auf einen Schlag eine ganze Redaktion, sie quaelten ein ganzes Land und erschuetterten Journalistinnen und Journalisten weltweit. Ueberwaeltigend war die Solidaritaet mit Charlie Hebdo: “Je suis Charlie” – einer fuer alle, alle fuer einen! Aber die Wunde klafft bis heute – und keine Solidaritaet dieser Welt kann sie schliessen. Allenfalls uebertuenchen liessen sich die Schreckensmeldungen von damals, von neuen Nachrichten – so zynisch ist es. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 131, 23.11.2015

### Inhaltsverzeichnis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 130, 20.10.2015

### Inhaltsverzeichnis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 129, 23.09.2015

### Inhaltsverzeichnis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 128, 26.08.2015

### Inhaltsverzeichnis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 127, 24.07.2015

### Inhaltsverzeichnis. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 126, 29.06.2015

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 125, 26.05.2015

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