Liebe Kolleg:innen,

Stress, Druck, arbeiten an der Belastungsgrenze: Journalismus kann krank machen. Kennt ihr das? Habt ihr Ärger mit euren Redaktionsleiter:innen? Mit Kolleg:innen? Rauben euch diese Probleme den Schlaf? Oder hat euch ein Erlebnis im Job traumatisiert? Dann ruft jetzt unsere Helpline an! Unser kostenloses und anonymes Beratungsangebot startet am 2. November. Ihr erreicht hier erfahrene Kolleg:innen, die selbst Journalist:innen sind. Unser Hilfsangebot ist natürlich keine Alternative, beispielsweise zu einer Therapie, aber vielleicht können wir Lösungswege für eure Sorgen aufzeigen. Unter www.journalisten-helpline.de bieten wir offene Sprechstunden und online buchbare Gesprächstermine an. Ein ganz herzlicher Dank geht an die Förderer, die dieses Projekt möglich gemacht haben. Die Finanzierung ist erst einmal für sechs Monate gesichert. Wir hoffen aber, dass wir die Helpline darüber hinaus weiterbetreiben können.

Jetzt wünsche ich euch eine gute, stressfreie Zeit!

Euer
Christian Esser

P.S.: Save the date! Seit ein paar Tagen steht der Termin für unsere nächste Jahreskonferenz fest: Wir sehen uns am 19. und 20. Juli 2024 beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg.

 

Christians Tipps des Monats:

Pipelinesprengung

Ein Jahr sind die Anschläge auf die Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 nun her. Doch wer sprengte die Pipelines, wer war verantwortlich für die Explosionen? Reporter:innen der ARD, von der ZEIT und der Süddeutschen Zeitung haben monatelang recherchiert und nach Antworten gesucht. „Tatort Ostsee“ ist eine herausragende Podcast-Serie. Die fünf Folgen sind in der ARD- Audiothek abrufbar.

Wasserkampf

Die Stadt Frankfurt/Oder und ihre Wasserwerke haben sich laut Recherchen von CORRECTIV offenbar dazu verpflichtet, den Bürger:innen zu verschweigen, wie stark der Kohletagebau ihr Trinkwasser gefährdet – oder künftig gefährden könnte. Diese unfassbare Geschichte deckten vor ein paar Wochen die CORRECTIV-Kolleginnen Annika Joeres, Elena Kolb und Katarina Huth auf. Eine von vielen verdienstvollen CORRECTIV-Recherchen zur Wasserkrise, die allesamt lesenswert sind!

Organmangel

Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist im laufenden Jahr weiter zurückgegangen. Eine teils lebensbedrohliche Nachricht für die 8.500 schwerkranken Patient:innen auf der Warteliste. Carl Gierstorfer und Mareike Müller dokumentieren in ihrem berührenden ARD-Film „Gegen die Zeit – Organmangel in Deutschland“ die Folgen des Organmangels und zeigen die Ursachen, aber auch mögliche Lösungsansätze, die Leben retten könnten. Ein starker Film.

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Aus dem Netzwerk Recherche:

Die Helpline für Journalist:innen startet am 2. November

Alle festen und freien Journalist:innen mit psychischen Problemen können sich ab dem 2. November an unsere Helpline wenden. Lassen dich grausame Bilder einer Recherche nicht mehr schlafen? Hast du Ärger in der Redaktion? Weißt du bei dem ganzen Stress einfach nicht mehr, wo dir der Kopf steht? Ruf die Helpline an! Bei unserem kostenlosen und anonymen Beratungsangebot hören dir unsere Peers, die selbst Journalist:innen sind, zu. Die Helpline ist kein Therapieersatz, aber wir können gemeinsam mit dir an Lösungen für dein Problem arbeiten. Dazu bieten wir offene Sprechstunden und online buchbare Gesprächstermine an. Mehr Infos unter www.journalisten-helpline.de oder unter 030 – 7543 7633 (ab 2. Nov. 2023).

Forschungsprojekt zum gemeinwohlorientierten Journalismus

Gemeinsam mit vier europäischen Partner:innen erforschen wir in den kommenden Monaten den gemeinwohlorientierten Journalismus in Europa. Die Studie The Journalism Value Survey liefert erstmals sehr detaillierte Daten über den Zustand der von zahlreichen kleinen, oft gemeinnützigen Redaktionen geprägten unabhängigen Medienlandschaft Europas. Wir möchten wissen, welche Geschäftsmodelle unter welchen Bedingungen am besten funktionieren, wie es den Medienorganisationen gelingt, die Zahlungsbereitschaft beim Publikum zu wecken, und wo die größten Hindernisse für nachhaltiges Wachstum liegen. Für die Studie, die auf unserer ersten Erhebung „The New Sector“ (2022) aufbaut, rufen wir wieder alle Redaktionen mit einem „nonprofit state of mind“ auf, sich zu beteiligen. Hier geht’s zum Fragebogen und mehr Informationen zum von der EU-geförderten Projekt gibt es hier.

Was unsere Stipendiat:innen nach ihrer Förderung machen

Wir freuen uns immer, neue Stipendiat:innen vorzustellen. Mindestens genauso schön ist es aber zu sehen, wie es für sie nach der Förderung weitergeht. So ist die Recherche von Michael Billig und Marius Münstermann über illegale Müllexporte nach Osteuropa gleich zweimal für den deutsch-tschechischen Journalistenpreis nominiert worden. Die beiden wurden mit einem Umweltstipendium gefördert. Ein Umweltstudium hatten außerdem Sophia Pickles, Jack Wolf und Janvier Murairi erhalten, die sich mit Lithiumabbau in der Bergbaustadt Manono in der Demokratischen Republik Kongo beschäftigt haben. Jetzt haben die drei eine Projekt-Website erstellt. Auf The Lithium Diaries veröffentlichen sie Interviews in voller Länge und haben kürzlich außerdem im New Lines Magazine publiziert. Elisabeth Weydt, die mit einem Recherchestipendium 2020 nach Ecuador gereist ist, um die Rechte der Natur zu erforschen und ein Radiofeature produziert hatte, hat nun auch noch ein Buch zum Thema veröffentlicht. Außerdem moderiert sie den Podcast Radio Utopistan. Und Reinhart Brüning hat mit seinem Recherchestipendium zu Atomkraftwerken im Ukraine-Krieg recherchiert. Nach seiner Fakt-Reportage ist jetzt ein Radiofeature erschienen.

Transparenz-Bündnis

Ein Bündnis aus neun Verbänden (u.a. NR) kritisiert die Verzögerung bei der Transparenzgesetzgebung. Die Ampelkoalition hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, die Informationsfreiheitsgesetze „zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickeln“ zu wollen. Eigentlich wollte das Innenministerium bis Ende des Jahres 2022 die Eckpunkte vorstellen – jetzt ist von Ende 2024 die Rede. „Die selbsternannte Fortschrittskoalition schiebt die Transparenz auf die lange Bank”, kritisiert Manfred Redelfs von Netzwerk Recherche. Den bündniseigenen Entwurf für ein Transparenzgesetz und mehr Infos zum Bündnis findet ihr hier.

Rückblick SciCAR

Am 29. und 30. September lud Netzwerk Recherche zusammen mit der TU Dortmund, der WPK sowie dem Science Media Center Germany alle interessierten Journalist:innen und Wissenschaftler:innen zur SciCAR23 nach Dortmund ein. Das dreispurige Programm mit 17 Sessions führte rund 50 Panelist:innen und etwa ebenso viele Gäste nach Dortmund. Thematisch beschäftigte sich die diesjährige Konferenz u.a. mit der Relevanz von KI für die Öffentlichkeit, der Datensuche und den Visualisierungsmöglichkeiten im Klimajournalismus – abgerundet durch ein KI-Pub-Quiz. Eine umfangreiche Dokumentation samt Audioaufzeichnungen und Präsentationen ist auf unserer Website abrufbar. Save the date: Die SciCAR24 wird voraussichtlich am 27. und 28. September 2024 stattfinden, wieder in Dortmund.

Rückblick GIJC

Die Global Investigative Journalism Conference (GIJC) liegt nun schon fast einen Monat zurück, aber wir sind immer noch total beeindruckt von den spannenden Workshops, Panels und dem Austausch unter Kolleg:innen. Neben unserer eigenen Veranstaltung zu Non-Profit-Journalismus und dem deutschen Netzwerktreffen haben wir auch viele andere Veranstaltungen besucht. Zu „Strategien für Frauen im Investigativjournalismus“ könnt ihr auf unserer Website die wichtigsten Erkenntnisse finden. Weitere (englische) Berichte findet ihr bei GIJN. Einige Veranstaltungen gibt’s außerdem zum Nachschauen auf YouTube. Wenn ihr Fragen zur Konferenz oder zum GIJN habt, meldet euch bei Sarah Ulrich.

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Nachrichten:

Merkels Kalender zum Afghanistan-Abzug vernichtet

Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags widmet sich aktuell der Evakuierung bedrohter Staatsbürger:innen und Ortskräfte vor den Taliban im August 2021 – und der Frage des Regierungsversagen der letzten von Angela Merkel (CDU) geführten Koalition. Nun hat eine Recherche der ZEIT ergeben, dass Merkels Kalender verschwunden ist, Kalendereinträge von Mitarbeiter:innen des Kanzleramts gelöscht wurden und Termine von Ex-Kanzleramtschef Helge Braun auch nicht mehr auffindbar sind. Diese Daten sind jedoch wichtig, um den Abzug aus Kabul aufzuklären: Was hat die deutsche Regierung unternommen und wer war involviert? Wer mehr über Journalismus in Afghanistan erfahren will, dem sei unsere Diskussion von der Jahreskonferenz 2021 empfohlen.

Berichterstattung zum Nahostkonflikt

Die Diskussionen und Berichterstattung über den Nahostkonflikt sind oft von Hass, Unsicherheit oder extremen Meinungen geprägt. Der Kommentar eines SZ-Korrespondenten sorgte beispielsweise für Empörung im Netz und wurde – ohne Anmerkung – einfach verändert. Wie kann die Berichterstattung besser gehen? Darüber sprechen Holger Klein von Übermedien und die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Gilda Sahebi in einer neuen Podcast-Folge.

So findet man Quellen, die andere geheim halten wollen

„I find documents officials want to keep hidden. Here’s how“, lautet der vielversprechende Titel eines neuen Artikels von Nate Jones. Jones ist FOIA-Director bei der Washington Post, d.h. für den Freedom of Information Act zuständig. Der FOIA ist ein US-amerikanisches Bundesgesetz und sorgt dafür, dass unveröffentlichte Informationen und Dokumente der US-Regierung oder -behörden offengelegt werden können.

Abstimmung zur Chatkontrolle vertagt

Mehrere Länder lehnen die umstrittene Chatkontrolle im EU-Ministerrat weiterhin ab. Eine geplante Abstimmung über die Ratsposition letzte Woche wurde daher vertagt, denn solange die Mitgliedstaaten sich nicht einigen, können die finalen Verhandlungen zum Gesetzesvorschlag nicht beginnen. Die Chatkontrolle wird immer wieder kritisiert, u.a. weil sie ein anlassloses Durchsuchen auf Anordnung, also das Durchsuchen von Smartphones, erlauben würde. Der EU-Piratenabgeordnete Patrick Breyer sprach von einem „Riesenerfolg bei der Verteidigung des digitalen Briefgeheimnisses.“

Flächenbrand Burn-out

Viele Journalist:innen sind ausgebrannt, Studien warnen vor einem Massen-Burn-out. Neue Initiativen wollen die Gesundheitskrise eindämmen. Doch was müsste geschehen, damit sich wirklich etwas ändert? Darüber schreibt Sonja Peteranderl bei „Journalist“ – und erwähnt unsere Helpline. Außerdem hat Malte Werner im Deutschlandfunk über die Belastung von Journalist:innen und die Helpline gesprochen. Die ganze Sendung @mediasres gibt es hier zum Nachhören, der Beitrag beginnt bei Minute 9:20.

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Veranstaltungen, Preise & Stipendien:

Cambridge Online Social Data School

Die Online Social Data School der Cambridge University richtet sich an Medienschaffende, Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und Leute aus den Bereichen Marketing und Zivilgesellschaft, die mit Daten arbeiten. In dem Kurs geht es um Forschungsdesigns, Datenerfassung, Analyse- und Visualisierungsmethoden und Datenverwaltung. Der Kurs findet vom 11. bis 19. Dezember statt. Die Bewerbungsfrist endet am 29. Oktober 2023.

Collaborative and Investigative Journalism Initiative

Die Collaborative and Investigative Journalism Initiative (CIJI) unterstützt europäische Redaktionen. Die aktuelle Ausschreibung richtet sich an Medienhäuser, die in ihrer Arbeit einen Schwerpunkt auf Osteuropa setzen oder mit osteuropäischen Journalist:innen und Medien kooperieren. Ziel ist es, regionale Initiativen zu stärken. Geförderte Redaktionen erhalten 50.000 Euro und zahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten. Bewerbungsschluss ist am 31. Oktober 2023.

Mit Journalismus-Stipendien in die USA

Bist du an transatlantischen Beziehungen und amerikanischen Journalismus interessiert? Dann aufgepasst! Die RIAS Berlin Kommission bietet ein USA-Journalismus-Programm für Rundfunkjournalist:innen an. Das Programm beginnt in Washington D.C., führt nach New York und schließlich zu einem Radio- oder Fernsehsender im Landesinneren. Das Austauschprogramm ist ein umfassendes Stipendium, das den Hin- und Rückflug in die USA, die Inlandsreisen, die Hotelunterbringung und einige Mahlzeiten übernimmt. Die Reise findet voraussichtlich vom 3. bis 16. März 2024 statt, die Bewerbungsfrist endet am 31. Oktober 2023.

True Story Award

Nicht weniger als die besten Geschichten aus aller Welt sind gesucht, die lokale Geschehnisse aus neuen Winkeln beleuchten. Für den True Story Award 2024 können Reportagen eingereicht werden, die zwischen dem 1. September 2022 und dem 30. September 2023 in Tages- und Wochenzeitungen sowie Magazinen und online publiziert wurden. Nominierte der drei Kategorien „Europa“, „World I“ und „World II“ werden zum True Story Festival in Bern im Mai 2024 eingeladen. Die Preisverleihung findet dann im Juni statt. Einsendeschluss ist der 5. November 2023.

Climate Arena Konferenz

Journalist:innen und Klimawissenschaftler:innen können sich nächsten Monat in Wien treffen. Denn dann findet die Climate Arena Konferenz von Arena for Journalism in Europe statt. Ziel der Konferenz ist es, Medien und Wissenschaft zu vernetzen, Projekte zu entwickeln und sich in Workshops fortzubilden, um bspw. Greenwashing aufzudecken. Die Konferenz findet am 10. und 11. November 2023 statt.

Wanted: Voices of Brandenburg

Für Talente aus Brandenburg gibt es ein neues Coaching-Programm: „Voices of Brandenburg“ der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). Ziel ist es, deutsche Redaktionen vielfältiger aufzustellen. Die Bewerber:innen brauche keine journalistische Vorbildung und werden mit 1.400 Euro monatlich finanziell vom mabb unterstützt, damit Leute teilnehmen können, für die eine klassische journalistische Laufbahn bisher nicht in Frage kam oder nur schwer umzusetzen war. Im Coaching erwarten sie drei Praxis-Stationen, ein Akademieteil an einer Medienschule und ein Rahmenprogramm aus Mentoring und Networking-Formaten. Bewerbungsschluss ist der 20. November 2023.

Wächterpreis der Tagespresse

Der Wächterpreis ist eine Auszeichnung für „herausragende publizistische Leistungen“, in denen Missstände aufgedeckt werden. Der Preis ist mit 10.000 (erster Platz) bzw. 6.000 und 4.000 Euro dotiert (zweiter und dritter Platz). Bewerben können sich alle, die mit ihrer journalistischen oder publizistischen Arbeit Einflussversuche auf die Presse abwehren oder Missstände behandeln. Vorschläge werden auch entgegengenommen. Bewerbungsschluss ist der 30. November 2023.

Jetzt für European Press Prize bewerben

Journalist:innen aus den 46 Ländern des Europarats (einschließlich Belarus und Russland) können ihre besten Arbeiten für den European Press Prize 2024 einreichen. Egal ob Exposé, Kolumne oder genreübergreifendes Projekt, der Preis möchte Qualitätsjournalismus würdigen, fördern und andere dazu inspirieren. Der European Press Prize wird in fünf Kategorien vergeben, die jeweils mit 10.000 Euro dotiert sind. Mehr Infos und die Teilnahmeberechtigung gibt es hier. Bewerbungsschluss ist der 15. Dezember 2023.

Ungewöhnliche Recherche-Premiere

Die von Christian erwähnte Wasserkampf-Recherche von Correctiv feierte eine ungewöhnliche Premiere. Sie wurde am 23. September live während des Theaterstücks „Kraftwerk – Ein Theaterabend über Kohle, Wasser und die Ewigkeit“ in Cottbus veröffentlicht. Das Stück, das auf Recherchen von CORRECTIV basiert, läuft noch bis Februar 2024. Tickets und weitere Infos gibt es hier.

Fortbildungen

Zum Schluss:

Lokaljournalismus in Erfurt

Bei der ersten Correctiv.Lokal-Konferenz am vergangenen Wochenende durften wir von NR nicht fehlen. Manfred Redelfs sprach bei der Tagung in Erfurt in einem Workshop über journalistische Auskunftsrechte. Und Thomas Schnedler präsentierte – gemeinsam mit Sabrina Maaß von der HamburgMedia School – in einer Keynote erste Ergebnisse der Wüstenradar-Studie, die den Wandel des Lokaljournalismus analysiert. Bald mehr dazu!

Foto: Vivienne Moise