Verschlossene Auster 2021 geht an die Hohenzollern

Foto: Raphael Hünerfauth

Die Verschlossene Auster 2021 geht an die Hohenzollern. Mit dem Negativpreis zeichnet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Organisation begründet die Vergabe des Preises an die Adelsfamilie mit dem Umgang von Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Journalist:innen und Wissenschaftler:innen. Diese werden von ihm und seinen Vertretern mit Dutzenden von Klagen überzogen – was die Freiheit der Berichterstattung und die öffentliche Diskussion über grundsätzliche Fragen der deutschen Geschichte bedroht. Der Historiker Martin Sabrow, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam bezeichnete das Verhalten der Hohenzollern als „Unkultur der Einschüchterung“.

„Über Gerichte und Anwaltsschreiben versucht der Sprecher der Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen, Berichterstattung zu beschneiden, die sich um die historisch bedeutsame Frage dreht, ob seine Vorfahren dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet haben und ob er damit zu Recht oder zu Unrecht auf Entschädigung für enteignete Immobilien und Kunstwerke streitet“, heißt es in der Begründung von Netzwerk Recherche. Die Einladung zur Entgegennahme des Preises auf der nr21–Online-Konferenz – und damit zur Gegenrede –, nahmen die Hohenzollern nicht an. Sie teilten schriftlich mit: „Der Begründung Ihrer Entscheidung ist hinzuzufügen, dass das Vorgehen von Georg Friedrich Prinz von Preußen sich zu keiner Zeit gegen eine Berichterstattung als solche, sondern gegen die Verbreitung von Falschinformationen innerhalb von einzelnen Berichterstattungen richtete, da die Meinungsbildung auf Grundlage korrekter Information ein Privileg unserer demokratischen Gesellschaft darstellt.“

In ihrer Laudatio auf den Preisträger sagte Sophie Schönberger, Professorin für Kunst- und Kulturrecht an der Universität Düsseldorf, über Historiker:innen und Journalist:innen: „Nicht wenige äußern sich mittlerweile lieber gar nicht mehr, aus Sorge sonst Post vom Anwalt zu bekommen und möglicherweise auch gerichtlich belangt zu werden.“ Schönberger hat rund 80 Klagen des Hauses Hohenzollern dokumentiert. Sie sagte, Georg Friedrich Prinz von Preußen habe ein Klima erzeugt, „in dem die freie Meinungsäußerung Selbstbeschränkungen unterliegt“. Sein Fall zeige: Das Recht könne „instrumentalisiert werden, um eine öffentliche Debatte zu ersticken“.

Grow-Pitch: Wer setzt sich im Wettbewerb durch?

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Grow-Pitch: Die Zeit läuft (Foto: Franziska Senkel).

Fünf Medienprojekte haben es in den Pitch um die Grow-Stipendien für gemeinnützigen Journalismus geschafft. Sie werden ihre Ideen nun der Jury persönlich vorstellen; anschließend werden bis zu drei Projekte mit dem Grow-Stipendium von Netzwerk Recherche und Schöpflin Stiftung ausgezeichnet.

Mit dabei ist der INKA-Verlag aus Karlsruhe, der ein Stadtmagazin, eine Zeitung und ein Online-Magazin herausgibt. Der Verlag möchte prüfen, ob er sich in gemeinnütziger Form reorganisieren kann, um dauerhaft für Medienvielfalt in der Region zu sorgen. Florian Kaufmann, Redakteur im INKA-Team, sagt: “Wir möchten den INKA-Verlag erhalten, die Recherchekompetenzen und unsere Rolle als bürgerschaftliche, alternative und kritische Stimme des Lokaljournalismus ausbauen und zum gemeinnützigen Journalismus inspirieren.”

Die Fernsehjournalistin Stefanie Helbig entwickelt derzeit ein investigatives YouTube-Format, bei dem das Publikum den journalistischen Arbeitsprozess miterleben kann. “Ich möchte auf einem YouTube-Kanal zusammen mit der Community recherchieren und durch Nachvollziehbarkeit ihre Beziehung zu Journalismus stärken”, so Stefanie Helbig. Die Formatentwicklung mit dem Arbeitstitel “Auf Recherche” wird derzeit im Creator Program for Independent Journalists der Google News Initiative gefördert.

Im Pitch-Wettbewerb wird außerdem das Online-Magazin Das Lamm aus Zürich antreten. Die Redaktion, die als journalistisches Kollektiv organisiert ist, widmet sich nicht nur mit kritischem Blick der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz, sondern recherchiert auch international, zum Beispiel zu sozialen Bewegungen in den Ländern des globalen Südens. Nun möchte das Team neue Netzwerke knüpfen, die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen ausbauen und die Reichweite der Geschichten erhöhen: “Unter unseren Leser*innen sind wir bekannt für unsere fundierten Recherchen. Mit dem Stipendium wollen wir mehr Leute mit diesen Recherchen erreichen”, sagt Malte Seiwerth aus dem Redaktionskollektiv.

Ein lokaljournalistisches Projekt aus Brandenburg tritt ebenfalls an – das Online-Magazin wokreisel.de aus dem Landkreis Dahme-Spreewald. Die Gründerin Dörthe Ziemer und ihr Team möchten sich in ihrer Berichtersattung dem gesamten Landkreis widmen, durch den nach ihrem Eindruck eine historisch bedingte, unsichtbare Grenze verläuft. Zu diesem Anspruch passt auch der Name des Projekts, das derzeit im Lokaljournalismus-Programm der Medienanstalt Berlin-Brandenburg gefördert wird: Wokreisel ist ein Wortspiel mit dem niedersorbischen Wort für Kreis (wokrejs). Dörthe Ziemer sagt: “Mithilfe des Stipendiums möchte ich meinen journalistischen Horizont gern durch medienunternehmerisches Know-how erweitern und einen intensiven Austausch mit ähnlichen Projekten aufbauen, um den gemeinnützigen (Lokal-)Journalismus gemeinsam voranzubringen.”

Der fünfte Kandidat ist das Innovationslabor White Lab, das von den beiden Hamburger Journalistinnen Meena Stavesand und Anja Kollruß gegründet wurde. Sie produzieren Podcasts und verschicken einen Newsletter zu Trends und Innovationen im Journalismus. Die beiden Gründerinnen sagen: “White Lab ist unser Herzens-, aber derzeit noch Nebenprojekt. Durch das Grow-Stipendium erhoffen wir uns das Wissen und die Unterstützung aus dem Netzwerk, um unser Innovationslabor professioneller aufzustellen, noch mehr Kolleg:innen zu erreichen und unsere Branche durch die innovativen Inhalte nachhaltiger zu gestalten.” Weiterlesen

20 Jahre Netzwerk Recherche – das Magazin zum Jubiläum

20 Jahre Netzwerk Recherche – das muss gefeiert werden!

Die große Party müssen wir leider später nachholen. Aber das Geburtstagsgeschenk gibt es schon jetzt: ein Magazin zum Jubiläum. Wir blicken zurück und nach vorn – und sind sehr dankbar für die Impulse aller Kolleginnen und Kollegen, die sich mit ihren Beiträgen beteiligt haben.

Jetzt als pdf herunterladen. nr-Mitglieder erhalten ein gedrucktes Exemplar per Post. Wer (noch) kein Mitglied ist, schickt uns bitte einen mit 2,70 € frankierten C4-Rückumschlag an Netzwerk Recherche, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin – oder holt sich ein Exemplar in der nr-Geschäftsstelle ab.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 201, 23.09.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute schreibe ich zum letzten Mal an dieser Stelle – denn bei unserer nächsten Mitgliederversammlung werde ich nicht mehr zur Wahl antreten. Sechs Jahre lang war ich Erste Vorsitzende des Netzwerk Recherche, zwei Jahre davor zweite. Nun ist meine Zeit vorbei – wenn ich mich auch immer wieder mit ganzem Herzen fürs Netzwerk engagieren werde.

Wenn ich zurückschaue, kommen mir sogleich unendlich viele Bilder und Begegnungen in den Sinn. Von Kolleginnen und Kollegen, die für ihre Arbeit brennen. Vor allem aber hat sich ein ganz bestimmtes Gefühl eingeschrieben und wird für mich immer mit dem Netzwerk verbunden sein: der Drang und die Lust, etwas gemeinsam hinzubekommen.

Ich denke an meine ersten Jahrestagungen vor mehr als 15 Jahren, die ich damals aufgesogen habe wie ein Schwamm. Die Recherchen der anderen, die eigenen Themen, das Ringen um Positionen und die Freude, viele Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen und wiederzusehen – das hat mich begeistert. Ich habe alle Jahre wieder mitorganisiert. Es waren Extremsituationen und dennoch war es nicht zehrend, sondern am Ende immer inspirierend und kraftspendend. Danke, lieber Kuno Haberbusch und danke an alle, die Kolleginnen und Kollegen vom NDR, an alle in unserer Geschäftsstelle, die uns immer wieder aufs Neue fantastische Erlebnisse beschert haben. Weiterlesen

Fachtag zur Nachrichtenkompetenz der Generation Z

Fachtag Scoopcamp

Keynote von Pulitzer-Preisträger Alan Rusbridger.

Über welche Formate, Kanäle und Inhalte erreichen seriöse Nachrichten junge Menschen? Wie können Medienschaffende Jugendliche für Nachrichten begeistern? Und wie lässt sich das Verständnis von Journalismus der Generation Z verbessern? Um diese und weitere Fragen ging es beim Fachtag Nachrichtenkompetenz, den nr gemeinsam mit nextMedia.Hamburg und dem Amt Medien der Stadt Hamburg im Rahmen des diesjährigen Scoopcamps veranstaltete. Hier geht es zum Stream der Veranstaltung am 15. September.

Eröffnet wurde die Konferenz durch Carsten Brosda, Hamburgs Senator für Kultur und Medien, und Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe. „Nachrichtenkompetenz ist mehr als ein Schlagwort im Bildungsdiskurs. Sie ist gleichermaßen für die informierte Öffentlichkeit und die Medienbranche von fundamentaler Bedeutung. Denn wer den Wert seriöser Nachrichten nicht erkennen kann, wird auch nicht bereit sein, dafür zu bezahlen“, so Brosda. Funke-Verlegerin Becker bezeichnete die Aufgabe, junge Menschen zu erreichen, als „die größte Herausforderung, die die Verlage in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen wird“. Becker sagte: „Wir müssen nachhaltig darüber nachdenken, wo unsere zukünftigen Zielgruppen unterwegs sind, und wir müssen sie dort ansprechen und nicht nur über sie sprechen.“

„Why should they believe us?“ lautete der provokante Titel der Keynote von Pulitzer-Preisträger Alan Rusbridger. „Jede Generation ist anders, aber die Generation Z scheint besonders anders zu sein“, so der ehemalige Guardian-Chefredakteur. Aufgewachsen mit 9/11, Finanzkrise, Klimakrise und Coronakrise seien die „born digitals“ von Unsicherheit geprägt und hätten nur wenig Vertrauen in die etablierten Institutionen. Die klassischen Medien unterschätzten, wie sehr auch ihnen als Teil der herrschenden Eliten misstraut werde, warnte Rusbridger und forderte alle Medienschaffenden auf: „Try to get inside the mind of generation Z!“

Wie das gelingen kann, diskutierten Isabell Beer (funk), Annelie Naumann (ZDF Magazin Royale), Achim Pollmeier (ARD-Magazin Monitor) und Steffen P. Walz (Game-Designer) auf dem Panel „Tagesschau statt Fortnite – Wie erreicht seriöser Journalismus das junge Publikum?“. Beer plädierte dafür, die eigene Rolle als Journalistin neu zu denken. Durch mehr Nahbarkeit und direkte Einblicke in die eigene Arbeitsweise könnten Journalistinnen und Journalisten Vertrauen schaffen und nebenbei sogar die Medienkompetenz ihres Publikums verbessern. Kritik übte Beer an der Journalistenausbildung, die dafür sorgt, dass Berufseinsteiger zu Beginn ihrer Laufbahn eigentlich schon zu alt seien, um die jungen Zielgruppen zu verstehen. Ihre Empfehlung an die traditionellen Medien: „Holt junge Leute, die selbst schon im Netz erfolgreich sind, ins Team.“

Die Rolle von Influencer*innen und deren Einfluss auf die Meinungsbildung junger Menschen war Thema des Panels „Frenemies der demokratischen Öffentlichkeit?“. Der YouTuber und Journalist Mirko Drotschmann („MrWissen2go“, funk), die Autorin Nena Schink, der YouTuber und Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt („Filmanalyse“) und Zeit Online-Chefredakteur Jochen Wegner diskutierten darüber, was Influencer und Journalistinnen voneinander trennt und was sie verbindet. Das Fazit: Eine klare Abgrenzung ist schwierig, die Schnittmengen werden eher größer und beide Gruppen können durchaus voneinander lernen – etwa was die Ansprache eines jüngeren Publikums angeht.

Aber „Was will die Generation Z?“ denn nun wirklich? Darüber diskutierten Etienne Gardé, Mitgrübnder der Rocket Beans TV, Hüdaverdi Güngör, Redaktionsleiter von Salon5, der Jugendredaktion von CORRECTIV, Jan Müller von Snap Inc. und Lucie Pankonin aus dem Projekt #UseTheNews beim Abschlusspanel des Fachtags. Das Ergebnis der Runde: Inhalte, die einen engen Bezug zur Lebenswirklichkeit junger Menschen haben, haben in der Aufmerksamkeitsökonomie die besten Chancen, diese auch wirklich zu erreichen.

Ermöglicht wurde der Fachtag durch die Unterstützung der Schöpflin Stiftung und der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 200, 25.08.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es sind verstörende Bilder, die uns täglich die unerträgliche Situation am Flughafen in Kabul vor Augen führen: Wir sehen das Chaos und die Verzweiflung, fühlen die Ohnmacht und die Panik, hören die Schüsse, erfahren von Toten. Und das inmitten von weinenden Kindern und mitfühlenden, aber offenbar überforderten Soldaten. Wir sind weit weg vom Geschehen, aber – wegen der Wucht der Schreckensbilder – gefühlt doch ganz nah dabei.

Doch was wissen wir eigentlich tatsächlich? Die Emotionen sind gewaltig, die überprüfbaren Fakten sehr gering. Das beginnt schon mit den Bildern: Wer hat sie gedreht, wer hat sie bearbeitet, wer hat entschieden, was uns gezeigt werden soll – und was nicht? Quellenangaben (z.B. US-Armee oder Bundeswehr) gibt es nur ganz selten. Die Einordnung der Bilder, die Kommentierung der Lage (nicht nur) für das deutsche Fernsehen erfolgt in aller Regel durch Journalisten, die sich in Taschkent, Dehli oder Istanbul aufhalten. Und auch die Printkollegen sind weit weg. Dies ist kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung. Aber führt dennoch zur Frage: Sind wir wirklich ganz nah dabei? Stimmt das alles, was wir sehen, lesen und hören? Oder – noch nachdenkenswerter – was sehen, lesen und hören wir nicht?

“THE WORLD NEEDS JOURNALISTS” – das stand für alle sichtbar auf dem Shirt von Clarissa Ward. Diese mutige Kollegin blieb auch nach dem Sturm der Taliban in Kabul, berichtete mit ihrem Team unerschrocken über all das, was sich außerhalb des Flughafens ereignete. Ihre Bilder zeigten Straßenszenen, wo es praktisch keine Frauen mehr gab. Schaufenster, die von eventuell zu freizügigen Motiven “gereinigt” wurden. Einwohner, die aus Angst nicht mehr reden wollten. Alles kontrolliert von schwer bewaffneten Milizen der Taliban. Doch dann wurde es ihrem Haussender CNN zu gefährlich, er zog sie ab. Also verließ wohl die letzte Journalistin aus dem Westen das Land. Weiterlesen

Aufruf: Lobbytransparenz schaffen

Gemeinsam mit mehr als 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert Netzwerk Recherche strengere Lobbyregeln. Der Appell richtet sich an die Parteien im Bundestagswahlkampf. Bisher benachteiligte Interessen müssten stärker in politische Entscheidungen einbezogen, der Einfluss finanzkräftiger Interessen begrenzt werden, heißt es in dem heute veröffentlichten Aufruf „Gemeinwohl stärken – Lobbytransparenz schaffen“. An der Initiative von LobbyControl beteiligen sich Organisationen aus den Bereichen Klima-, Umwelt- und Naturschutz, Entwicklungszusammenarbeit, Verbraucherschutz, Tierschutz, Seenotrettung, Demokratieförderung, Digitalrechte sowie Kinderhilfswerke und Sozialverbände. Unterzeichnet haben u.a. der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Campact, Oxfam, Mehr Demokratie, der Sozialverband Deutschland, das Deutsche Kinderhilfswerk, der Deutsche Tierschutzbund und der Deutsche Naturschutzring.

Aus Sicht der Organisationen sind mehr Transparenz und ein fairer Interessenausgleich „notwendiger als je zuvor“, um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie die Klimakrise und die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen.
Konkret fordert das Bündnis die Parteien auf, drei Maßnahmen in einen neuen Koalitionsvertrag aufzunehmen:

  • Lobby-Fußspur für alle Gesetze: Ministerien sollen verpflichtet werden, bei Gesetzentwürfen alle Lobby-Einflussnahmen zu dokumentieren, um eine aufgeklärte öffentliche Debatte und parlamentarische Entscheidung zu ermöglichen.
  • Reform der Parteienfinanzierung: Großspenden sorgen für ungleiche Einflussmöglichkeiten auf politische Entscheidungen. Parteispenden und Parteisponsoring müssen deshalb begrenzt und die Offenlegungsschwellen für Spenden drastisch gesenkt werden. Anonyme Wahlkampffinanzierung muss unterbunden werden.
  • Offenlegung von Lobbykontakten: Exklusiv-Veranstaltungen der Bundesregierung mit Industrie-Lobbyist:innen wie der „Autogipfel“ müssen endgültig der Vergangenheit angehören. Um sicherzustellen, dass Zivilgesellschaft und Wissenschaft bei wichtigen Zukunftsfragen mit am Tisch sitzen, müssen Mitglieder der Bundesregierung verpflichtet werden, ihre Lobbykontakte offenzulegen, wie es für EU-Kommissionsmitglieder bereits Standard ist.

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Afghanistan: Netzwerk Recherche unterstützt Forderung nach Visa-Notprogramm

Netzwerk Recherche unterstützt den Appell deutscher Medien, ein Visa-Notprogramm für afghanische Mitarbeiter:innen deutscher Medienorganisationen einzurichten. In einem offenen Brief haben sich Reporter ohne Grenzen, der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger und mehrere Redaktionen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maas gewandt:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Außenminister,

dieser Brief ist ein Hilferuf. Er ist unterschrieben von den Verlagen, Redaktionen, Sendern und Medienhäusern in Deutschland, die in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich die Berichterstattung aus Afghanistan getragen haben. Unsere Berichterstattung, die die deutsche Öffentlichkeit und Politik mit Analysen, Erkenntnissen und Eindrücken aus dem Land versorgt hat, war nicht denkbar ohne den Einsatz und den Mut der afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns vor Ort unterstützt haben: den lokalen Journalistinnen, Stringern und Übersetzerinnen. All die Jahre teilten auch sie unseren Glauben an die freie Presse als unverzichtbares Element einer stabilen, friedlichen, auf Ausgleich bedachten Demokratie – ein Wert, den die deutsche Regierung in den letzten 20 Jahren in Afghanistan stark unterstützte.

Das Leben dieser freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nun akut gefährdet. Der Krieg überrollt die afghanische Regierung in vielen Provinzen. Selbst das Leben in Kabul ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter internationaler Medienorganisationen extrem riskant geworden. Nach dem Rückzug der internationalen Truppen, auch der deutschen, wachsen die Sorgen, dass es gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Racheakten der Taliban kommt. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 199, 27.07.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vielleicht gehörten Sie bis vor kurzem zu jenen Menschen, die meinten, sie seien ausreichend geschützt vor Cyberangriffen. Eine SMS oder eine E-Mail versehen mit einem Link versendet von einer vermeintlich bekannten Absenderin würden Sie vermutlich nicht mehr ungeprüft öffnen. Doch gegen gezielte, lautlose Angriffe – sogenannte Zero-Click-Software – können sich Betroffene kaum wehren. Diese Malware lässt sich auf Mobiltelefonen installieren, allein, weil sich die Person mit einem Netzwerk verbindet.

Vorvergangene Woche machten mehrere Reporter bekannt, dass weltweit Regierungsvertreter und Menschenrechtsaktivisten durch die Überwachungssoftware Pegasus ausgespäht werden. Die zugespielten Daten – 50.000 Telefonnummern aus rund 50 Ländern – die Journalisten koordiniert von dem Verein Forbidden Stories und Mitarbeitern von Amnesty International auswerten konnten, stammen zu großen Teilen aus Staaten wie Aserbaidschan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien, Marokko, Mexiko – und dem EU-Mitgliedsland Ungarn. Unter den potenziellen Zielen der Malware befanden sich auch Journalisten. Pegasus kann mithören, mitgucken und selbst vermeintlich sichere Messengerdienste auslesen. Pegasus ist, wie mein Kollege Albrecht Ude in einer E-Mail formulierte: “ein privatwirtschaftlich betriebener Trojaner im Staatsauftrag”. Die Spyware zeigt: Wir, die Mobiltelefone nutzen, sind schutzlos. Weiterlesen

Jetzt bewerben: Vielfalt im Investigativjournalismus stärken

Netzwerk Recherche und die Neuen deutschen Medienmacher*innen wollen mit einem gemeinsamen Projekt Vielfalt im Investigativjournalismus stärken Nachwuchsjournalist*innen mit Einwanderungsbezügen bei ihrem Berufsweg in den Investigativjournalismus unterstützen.

Journalismus und Recherche sind im Einwanderungsland Deutschland mehrheitlich weiß und männlich dominiert. Das bedeutet, dass vielen Redaktionen wichtige Recherchethemen entgehen, die Relevanz eines Themas für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe möglicherweise nicht erkannt wird, oder bestimmte Quellen für Redaktionen nicht zugänglich sind. Um dies zu ändern, müssen sich Recherche-Redaktionen für neue Talente öffnen. Doch für Nachwuchs-Journalist*innen ohne Kontakte in die Investigativ-Journalismus-Branche sind die Zugänge schwer. Investigativ-Ressorts bevorzugen in der Regel Journalist*innen für Praktika, die bereits mehr journalistische Berufserfahrung haben. In der Regel werden zudem nur Studierende im Pflichtpraktikum berücksichtigt sowie von großen Journalistenschulen.

Wir würden gerne Journalist*innen mit Einwanderungsgeschichte ermöglichen dennoch einen Einblick in die Abläufe und Arbeitsweisen eines Investigativ-Ressorts ermöglichen und dies im Rahmen eines mindestens zweimonatigen Praktikums, dass durch ein Stipendium von NdM und NR gefördert wird.

Wer sich bewerben möchte oder jemanden kennt, für den es interessant ein könnte, hier ein paar Eckdaten:

  • Bewerbungsfrist: 31. August 2021
  • Fellowships: Zwei bis drei Monate zwischen Oktober 2021 und März 2022
  • Begleitende Workshops: Ab Oktober 2021

Jetzt bewerben!

nr-Jahresbericht 2020

Der Jahresbericht 2020 von Netzwerk Recherche kann als pdf-Datei (7 MB) heruntergeladen werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Editorial
  • Vorstand und Mitarbeiter:innen von Netzwerk Recherche
  • nr20-Webinare statt Klassentreffen – Auftakt für mehr im Netz
  • Der erste Nestbeschmutzer aus dem Homeoffice (inklusive Leseprobe)
  • Leuchtturm 2020 für die Rechtsextremismus-Expert:innen Andrea Röpke, Julian Feldmann und Anton Maegerle
    Sonderleuchtturm für das Science Media Center
  • Datenjournalismus: Die erste Fachgruppe im Netzwerk Recherche
  • „Journalismus macht Schule“
    Bundesweites Netzwerk für Informationskompetenz
  • Die Pioniere vernetzen sich
    Allianzen für den gemeinnützigen Journalismus
    • Rückblick auf die Ergebnisse der Grow-Stipendien 2019/2020
    • Grow-Workshop: Der perfekte Auftritt
    • Grow 2020/2021
    • Neuer SEED-Newsletter: Update zum Nonprofitjournalismus
  • Newsletter
  • Stammtische
  • Kurzmitteilungen zu weiteren Aktivitäten und Einsatzfeldern
  • Recherchestipendien 2020
  • Engagement zur Stärkung der Informations​rechte
  • Mitgliedervernetzung auf Hostwriter.org
  • Finanzen 2020
  • Förderkuratorium
  • Partner
  • Engagement

 

Netzwerk Recherche e. V. trauert um Peter R. de Vries

Netzwerk Recherche e. V. trauert um den niederländischen Journalisten Peter R. de Vries. Unser Mitgefühl gilt in diesen schweren Stunden seiner Familie, seinen Freunden sowie seinen Kolleginnen und Kollegen.

„Peter R. de Vries hat sich trotz offensichtlicher Gefahren für sein Leben nicht einschüchtern lassen. Dieser Mut ist bewundernswert, genauso wie die Hartnäckigkeit, mit der er – manchmal jahrzehntelang – an einer Recherche dranblieb“, sagt Cordula Meyer, zweite Vorsitzende von Netzwerk Recherche e. V. „Wir verneigen uns vor einem großen Journalisten, dessen gewaltsamer Tod uns allen eine Verpflichtung sein sollte, die Recherchen von Peter R. de Vries mit der gleichen Hingabe fortzuführen, wie er es selbst getan hätte.“

No. 7 – der neue nestbeschmutzer ist da

Bereits zum siebten Mal in Folge haben Studierende aus dem Master-Studiengang Journalistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Hamburg zum traditionellen Termin der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche (nr) den nestbeschmutzer produziert. Die Tagungszeitung, die den diesjährigen Webinartag begleitet, war für die meisten Autor:innen der erste Berührungspunkt zum Medienjournalismus.

Die 16 Nachwuchsjournalist:innen widmeten sich in ihren Recherchen klassischen nr-Themen – von der Pressefreiheit bis zum Datenjournalismus. Ein Autor:innen-Team (Jonas Freudenhammer, Mara Haber, Johanna Schröter, Annika Schultz) hat sich für den Aufmacher mit der Lage der Pressefreiheit in Deutschland beschäftigt. Dass nicht nur Hass und Gewalt, sondern auch strukturelle Probleme im Journalismus die psychische Gesundheit von Journalist:innen bedrohen, beschreibt Alina Schneider in ihrem Text.

Anna Weyer blickt in die Zukunft und fragt, wie das post-redaktionelle Zeitalter aussehen könnte, während Vivien Ulm sich mit den Herausforderungen beim Einsatz Künstlicher Intelligenz beschäftigt – etwa die Qualität der Daten. Darum geht es auch bei Niels Schnitt, der Crowdrecherchen methodisch-kritisch unter die Lupe nimmt. Für ihre Recherche zum Thema Medienkompetenz hat Anna Kustermann noch einmal die Schulbank gedrückt und beobachtet, wie Medienprofis im Projekt „Journalismus macht Schule“ Schüler:innen das kleine Einmaleins des Journalismus beibringen.

Weitere Themen der Ausgabe: Strategien gegen Hass im Netz (Johanna Schröter), Recherchen in verschlossenen Milieus (Mara Haber), Live-Journalismus aus den Hinterzimmern der Macht (Jonas Freudenhammer), Prekarisierung des Berufs (Eileen Berger), Grauzonen im Dokumentarfilm (Simeon Laux), neue Entwicklungen im Lokaljournalismus (Annika Schultz und Maren Jensen), natürlich Corona (Betül Sarikaya und Anna Ehlebracht), das vernachlässigte Recherchetool IFG (Luka Simon) und die mediale Spaltung von Ost- und Westdeutschland (Philine Klinger).

Der nestbeschmutzer (PDF) entstand in Zusammenarbeit mit Message unter Leitung von Volker Lilienthal (Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg) und Malte Werner. An der Produktion beteiligt waren außerdem Ute Lederer (Layout) und Jan Ludwig (Fact-Checking).

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 198 vom 24.6.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Freier Recherchejournalismus ist Selbstausbeutung. Und weil dem so ist, ist die Investigation in Deutschland schlechter, als sie sein könnte. Was kann man dagegen tun? Und welche Rolle könnte das Netzwerk Recherche dabei spielen?

„Hab eben die Buchhaltung für ein Projekt zu Ende gemacht & es ist wie oft: Reise- und Übersetzungskosten fressen das komplette Stipendium, Arbeitszeit ist nicht eingerechnet, vorab Support von Redaktionen gibt es keinen. D.h. wir haben de facto 4 Monate für umsonst gearbeitet“, schrieb die freie Reporterin Pascale Müller vor wenigen Tagen auf Twitter. Und weiter: „Alle wollen die großen Recherchen. Niemand will sie bezahlen.“

Beim Netzwerk Recherche machen meine Kollegin Annelie Naumann und ich immer wieder ganz ähnliche Beobachtungen. Wir haben die Aufgabe, alle Bewerbungen für Recherchestipendien des nr zu sichten, bevor der Vorstand über deren Förderung entscheidet. In fast jeder Bewerbung heißt es, dass große Redaktionen zwar Interesse bekunden würden, aber keine Reise- und keine Recherchekosten zahlen.

Wer als freie:r Journalist:in ähnlich verdienen und leben möchte, wie fest angestellte Kolleg:innen (inklusive Urlaub und der Möglichkeit, auch mal krank zu sein), braucht Tagessätze von mindestens 300 Euro, eigentlich sogar mehr. Für jeden Tag, auch für Tage, an denen Vorrecherchen stattfinden. Das ist angesichts der Honorare, die mir erzählt werden (und die ich früher als freier Journalist erhalten habe) viel zu häufig völlig illusorisch. Eine Ausnahme sind vielleicht einige fest-freie Konstellationen, vor allem beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es gibt nur wenige Redaktionen in Deutschland, die für Recherchen überhaupt vierstellige Honorare anbieten. Und selbst mittlere, vierstellige Honorare lassen aufwändigere Recherchen nur zu, wenn umfassende Vorrecherchen in der Freizeit gelaufen sind. Weiterlesen

Initiative „Journalismus macht Schule“ – Bilanz und Ausblick am 11.Juni 2021

Die Initiative „Journalismus macht Schule“ lädt Sie am 11. Juni 2021 zu einem gemeinsamen Austausch zum Thema Medienkompetenz ein

Medienkompetenz ist so wichtig wie Mathe oder Biologie. Um diese plakative Aussage mit Inhalt zu füllen, gingen am Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai Journalistinnen und Journalisten an Schulen in ganz Deutschland. Initiiert von der Initiative „Journalismus macht Schule“ diskutierten sie dort mit den Schülerinnen und Schülern darüber, was freie und unzensierte Berichterstattung bedeutet, informierten über die Gefahren durch Fakenews und Hassbotschaften und beantworteten Fragen zu ihrer Arbeit.

Mit dabei waren viele bekannte Journalist:innen wie Caren Miosga, Ingo Zamperoni (ARD- Tagesthemen), Marietta Slomka, Claus Kleber (heute journal), Giovanni di Lorenzo (ZEIT und „3nach9“) Georg Mascolo (Rechercheverbund SZ, WDR, NDR), Steffen Klusmann (Spiegel), Alexandra Föderl-Schmidt (Süddeutsche Zeitung) sowie viele, vor allem bei Jüngeren, bekannte Namen wie Constantin Schreiber (Tagesschau), Mirko Drotschmann („Mr.Wissen2go“) und Mai Thi Nguyen-Kim (Wissenschaftsjournalistin).

Beteiligt waren aber vor allem mehrere hundert Journalistinnen und Journalisten von Zeitungen und Zeitschriften, aus Radio, TV und Online-Portalen, die in den darauf folgenden Tagen bis zum 7.Mai Workshops und Werkstattgespräche in Schulen durchführten – und das von Kiel bis München, von Aachen bis Dresden.

Wir wollen mit Ihnen gemeinsam Bilanz ziehen und einen Ausblick über die Fortführung der Initiative sprechen und laden Sie recht herzlich zu einer Zoom-Veranstaltung ein:

Am 11. Juni 2021 von 14:00 Uhr – 17:00 Uhr Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 197 vom 25.5.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

was am Pfingstsonntag an Bord eines Ryanair-Fluges im Luftraum über Belarus geschah, betrifft nicht nur das Schicksal eines Journalisten und Bloggers. Es ist ein Schlag gegen die Pressefreiheit in ganz Europa. Ein belarussisches Kampfflugzeug zwang die Ryanair-Piloten ihren Kurs zu ändern und nötigte sie, in Minsk zu landen. Offenbar unter dem Vorwand einer Bombendrohung und auf direkte Anweisung des Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko. Ziel dieser Operation war Roman Protasewitsch, 26 Jahre alt, der seit zwei Jahren im Exil lebte. Er befindet sich in einem belarussischen Gefängnis, wie es ihm derzeit geht, ist bei Redaktionsschluss des Newsletters unklar, die Lage ist unübersichtlich und verändert sich schnell.

Protasewitsch hatte in seiner Heimat als Journalist gearbeitet und den Telegram-Kanal Nexta mitgegründet. Nexta berichtet über Polizeigewalt gegen Demonstranten und Oppositionelle, dokumentiert Misshandlungen, zeigte mit Drohnenaufnahmen, wie viele Menschen in Belarus gegen ihre Regierung protestierten. Der Kanal half auch, Proteste gegen das Regime von Alexander Lukaschenko zu organisieren, indem er Orte bekannt gab, an denen Versammlungen stattfinden sollten. Inzwischen arbeitet Protasewitsch für einen anderen regierungskritischen Telegramkanal.

Dass ein Journalist, der bereits im Exil lebt, aus einem Flug zwischen zwei europäischen Hauptstädten entführt und ins Gefängnis gebracht wird, ist ungeheuerlich. Lukaschenko will damit offenbar nicht nur Protasewitsch zum Schweigen bringen. Er sendet auch ein Signal an alle seine Gegner, an Oppositionelle und an kritische Journalisten, dass diese sich nirgends mehr sicher fühlen sollen. Dagegen muss der Westen, die EU, Deutschland und die Zivilgesellschaft ein noch deutlicheres Signal setzen. Nämlich, dass sie ein solches Verhalten von Belarus nicht tolerieren. Und dass sie nicht hinnehmen, dass ein Reporter, der in einem EU-Staat lebt, auf diese Weise eingeschüchtert wird. Protasewitsch muss sofort freigelassen werden. Denn sein Fall betrifft eben nicht nur die Pressefreiheit in Belarus, ein Land, das auf der Rangliste von Reporter ohne Grenzen auf Platz 158 von 180 steht. Weiterlesen

The New Sector – Wir kartieren und vernetzen Medien in Europa

Überall in Europa entstehen unabhängige, gemeinwohlorientierte Medien, die der Medienkrise trotzen. Sie widmen sich der investigativen Recherche, dem Fact Checking oder der Cross-Border-Recherche und bereichern so die Medienlandschaft. Mit unserem Projekt „The New Sector“ machen wir diese lebendige journalistische Gründerszene in ihrer Gesamtheit nun sichtbar. Dafür kartieren und analysieren wir die neuen Public-Interest-Medien in Europa. Viele von ihnen sind gemeinnützig, suchen nach alternativen Geschäftsmodellen, experimentieren mit neuen Formaten und Recherche-Methoden. Sie alle möchten Lücken schließen, die zum Beispiel entstehen, wenn Tageszeitungen Redaktionen verkleinern, zusammenlegen oder schließen, wenn wichtige Themen unbearbeitet bleiben.

The New Sector“ hat drei Ziele: Erstens erstellen wir ein Mapping des neuen Sektors, das auf einen Blick visualisiert, wie die Medienvielfalt in Europa von den Gründungen profitiert. Zweitens schmieden wir ein Netzwerk der neuen Medienorganisationen, damit die Macher:innen sich austauschen und Kollaborationen anbahnen können. Und drittens analysieren wir die Charakteristika der gemeinwohlorientierten Medien, erheben Kerndaten mit Hilfe einer Befragung und machen sie für weiterführende Forschung nutzbar. Weiterlesen

Journalismus macht Schule: Bundesweite Aktion startet zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai

Medienkompetenz ist so wichtig wie Mathe oder Biologie. Um diese Aussage mit Leben zu füllen, sprechen am Internationalen Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, Journalistinnen und Journalisten an Schulen in ganz Deutschland. Sie diskutieren dort mit den Schülerinnen und Schülern darüber, was freie und unzensierte Berichterstattung bedeutet, informieren über die Gefahren durch Falschmeldungen und Hassbotschaften und beantworten Fragen zu ihrer Arbeit. Die Aktion wurde von der Initiative Journalismus macht Schule ins Leben gerufen. Netzwerk Recherche zählt zu den Gründern der Initiative.

Am 3. Mai mit dabei sind viele bekannte Journalistinnen und Journalisten wie Caren Miosga und Ingo Zamperoni (ARD-Tagesthemen), Marietta Slomka und Claus Kleber (heute journal), Giovanni di Lorenzo (Die Zeit und „3nach9“), Georg Mascolo (Rechercheverbund SZ, WDR, NDR), Steffen Klusmann (Der Spiegel), Alexandra Föderl-Schmid (Süddeutsche Zeitung) sowie andere, vor allem bei Jüngeren bekannte Namen wie Constantin Schreiber (Tagesschau), Mirko Drotschmann („MrWissen2go“) und Mai Thi Nguyen-Kim (Wissenschaftsjournalistin). Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 196 vom 22.4.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir haben uns in unserem 20. Jubiläumsjahr auf die Suche nach uns selbst begeben – mit einer kleinen Rechercheübung: Wer sind wir eigentlich und wer sind unsere Mitglieder? Sehr viele kennen wir seit Jahren persönlich, weil sie sich immer wieder zu Wort melden mit ihren starken Recherchen und sich gemeinsam mit uns engagieren, bei unseren Tagungen und unseren Projekten. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Aber einige kennen wir nur namentlich, aus unserem Mitgliederverzeichnis.

Unsere Vorstandskollegen Christina Elmer und David Hilzendegen haben unsere Kartei geplündert und jede Menge Erkenntnisse gewonnen. Zum Beispiel, dass wir maximal viele Andreas‘ bei uns haben. Genauso wie Michaels und Christians. Ziemlich banal, natürlich, aber es entsteht ein bestimmter Eindruck und er trügt nicht. Wir sind tatsächlich mehr Männer als Frauen. Fast sechzig Prozent unserer Mitglieder sind Männer, rund vierzig Prozent sind Frauen. Tendenz: Der Anteil der Frauen wächst, auch wenn die Männer noch eine ganze Weile in der Mehrheit sein dürften. Natürlich ist das nicht schlimm. Eigentlich ist es sogar gar keine schlechte Quote, wenn man bedenkt, wie gering der Anteil der Frauen in den Rechercheressorts doch immer noch ist. In jedem Fall haben wir uns in den letzten Jahren ziemlich verändert. Denn in den Anfängen waren 75 Prozent unserer Mitglieder Männer und nur 25 Prozent Frauen.

Wir haben nun auch unsere Foto-Archive geplündert und dank unserer Kollegen Manfred Redelfs, Günter Bartsch und Franziska Senkel Schätze gehoben. Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit stand allen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben, als damals das Netzwerk Recherche in Simmerath-Erkensruhr gegründet wurde. In einem sagenhaft schmucklosen Ambiente. Gemeinsam richtete man den Blick auf ein damals visionäres Ziel. Denn erstmals schlossen sich Journalisten zu einem Netzwerk zusammen, um gemeinsam die eigenen Interessen durchzusetzen: bessere Rahmenbedingungen für Recherchen, eine Klärung, welchen Stellenwert Recherche hat, ein Verständnis des Handwerks und eine Verabredung darüber, es zu vermitteln und gemeinsam strukturiert zu recherchieren. Von Beginn an spielte Selbstkritik der eigenen Arbeit und Zunft eine große Rolle. Die Ziele von damals, sie gelten bis heute. Auch wenn sich so vieles verändert hat – auch wir uns, das Netzwerk Recherche. Weiterlesen

NR und GIJN suchen German Editor

Update: Das Bewerbungsverfahren ist beendet.

Netzwerk Recherche und das Global Investigative Journalism Network möchten ihre Zusammenarbeit stärken und gemeinsam grenzüberschreitende Recherchen, den Investigativ- und Datenjournalismus voranbringen. Dazu schaffen wir die Position des German Editors, die*der diese Themen für das deutschsprachige Publikum aufbereitet, Entwicklungen beobachtet und darüber auch für ein internationales Publikum berichtet. Es soll sich zunächst um eine freiberufliche Tätigkeit handeln, im Umfang von ca. 20 Wochenstunden. Zentral sind gute Kenntnisse im Umgang mit Sozialen Medien, ein versierter Umgang mit der deutschen Sprache und sehr gute Englischkenntnisse. Außerdem wird ein gutes Verständnis des Investigativ- und Datenjournalismus erwartet. Die Ziele und Erwartungen orientieren sich an den Positionen anderer, bereits bestehender Regional Editors des GIJN und werden im Folgenden detailliert aufgeführt.

Bewerbungen mit einem kurzen Anschreiben und Lebenslauf (je 1–2 A4-Seiten), gern mit eigenen Ideen für die Ausgestaltung der Tätigkeit, bitte bis 2.5.2021 per E-Mail oder über unser verschlüsseltes Formular.

 

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Netzwerk Recherche feiert 1.000 Mitglieder

Jonas Schreijäg ist das 1000ste Mitglied von Netzwerk Recherche. Comiczeichnerin Naomi Fearn hat ihn und seine besten Geschichten in einer Urkunde verewigt.

Das Netzwerk Recherche wird nicht nur älter, sondern auch größer. Wir haben im März 2021, pünktlich zu unserem 20. Jubiläum, die magische Schallmauer von 1.000 Mitgliedern durchbrochen. Unser 1000stes Mitglied ist Grimmepreisträger Jonas Schreijäg. Comiczeichnerin Naomi Fearn hat ihn und seine besten Geschichten in einer Urkunde verewigt.

1.000 Mitglieder – das wollen wir feiern. Und weil wir gerade nicht gemeinsam anstoßen können, gehen wir das Ganze ein wenig journalistischer an, nämlich mit einer Datenanalyse: Wer sind wir eigentlich? Wie alt ist das durchschnittliche nr-Mitglied und wo kommen wir her? Hier gibt es alle viele Antworten. Stand der Daten ist Mitte März 2021.

Der (zuletzt) steile Weg zur 1.000

Netzwerk Recherche erfreute sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Es hat mehr als 13 Jahre gedauert, um die ersten 500 Mitglieder zu gewinnen. Aber nicht einmal sieben für die nächsten 500.

Entwicklung der Mitgliederzahl

Ein exponentielles Wachstum ist das nicht. Aber davon hatten wir in den vergangenen Monaten ja auch wahrlich genug…

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 195 vom 24.3.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir alle kennen die “Medienmetropolen” – also z.B. Berlin, Köln, München, Leipzig oder Hamburg. Doch kaum jemand kennt Simmerath-Erkensruhr. Aber eben dort, also in der tiefen Provinz, trafen sich vor 20 Jahren Journalistinnen und Journalisten aus der gesamten Republik und gründeten das “Netzwerk Recherche”. Spötter behaupten, das Auffinden dieser Gemeinde – damals war das “Navi” noch keine Selbstverständlichkeit – sei der Beweis, dass all jene, die es geschafft hatten, ernsthaft an Recherche interessiert waren.

Natürlich gab es schon vor der Gründung von “Netzwerk Recherche” Kollegen, die durch hartnäckiges Nachfragen, durch gutes Handwerk und mit viel Leidenschaft Missstände und Skandale enthüllten, die der “Wächterfunktion” der Presse durch ihre Arbeit gerecht wurden. Und die, das kann man in Zeiten wie diesen nicht oft genug betonen, unverzichtbar waren und sind für eine lebendige Demokratie.

Diese Lust und Leidenschaft an Recherche noch mehr zu fördern, den Austausch zu pflegen, die Vernetzung zu ermöglichen – das waren die Motive all jener, die sich Ende März 2001 in Simmerath-Erkensruhr trafen. Und es ist spannend zu lesen, wie damals über den Stellenwert der Recherche in den Redaktionen diskutiert wurde. Weiterlesen

Journalismus für Jugendliche und junge Erwachsene – Fachtag beim Scoopcamp am 15. September

Beim scoopcamp, der Hamburger Innovationskonferenz für Medien, wird es in diesem Jahr erstmals einen Fachtag zum Journalismus für Jugendliche und junge Erwachsene geben. Netzwerk Recherche ist Projektpartner und wirkt an der Programmgestaltung mit.

Junge Leute haben laut Untersuchungen zuletzt Vertrauen in Nachrichtenmedien verloren. Gleichzeitig fällt es vielen Jüngeren immer schwerer, Fakten von Meinung zu unterscheiden, Nachrichten zu bewerten und Quellen einzuordnen. Wie können Medienschaffende junge Zielgruppen für Nachrichten begeistern? Welche Formate und Kanäle braucht es dafür? Darum geht es beim neuen scoopcamp-Fachtag. Er richtet sich an Nachwuchsjournalist*innen, junge Multiplikator*innen bzw. Influencer*innen und pädagogische Fachkräfte.

Das scoopcamp findet zweitägig am 15. und 16. September 2021 statt. Auf der Konferenz am 16. September wird Ex-„Guardian“-Chef und Pulitzer-Preisträger Alan Rusbridger eine Keynote halten.

Die Konferenz findet hybrid statt: Vor Ort im Hamburger designxport und digital als Livestream. Digital-Pässe (Online-Tickets) für beide Tage sind bereits jetzt auf scoopcamp.de erhältlich. Die Teilnahme am Livestream ist kostenlos – für vertiefende Masterclasses wird eine separate Gebühr erhoben.

Zur Pressemitteilung mit ausführlichen Informationen (pdf, 500 KB).

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 194 vom 23.2.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vergangene Woche haben wir in gemütlicher Runde über lokale Recherche gesprochen. Bei unserer neuen Reihe „nr-insights“ gaben vier Lokaljournalist:innen Auskunft, wie sie für die Heidenheimer Zeitung, für die Aachener Zeitung und für die Sächsische Zeitung aufwändige Recherchen möglich machen.

Im Gespräch berichteten die vier von Unternehmern und Behördenchefs, die sich bei Chefredaktion und Verlag beschweren; von Drohungen; von Rechtsanwaltsschreiben. Und von Zerreißproben für persönliche Freundschaften. Denn wer seinen Protagonisten im Alltag immer wieder über die Füße läuft, sie aus der Schule oder dem Fußballverein kennt, der hat es sehr viel schwieriger als diejenigen, die über ferne DAX-Unternehmen oder Bundespolitiker berichten.

Alle vier waren sich einig, dass es für lokale Recherchen vor allem zwei Dinge braucht: Zeit. Und eine Verlagsleitung mit Rückgrat. Wer keine Zeit hat, Akten zu lesen und Protagonisten zur Not auch fünf-, sechs- oder siebenmal zu treffen, der kann keinen Machtmissbrauch aufdecken. Und wer keine Manager und Juristen hinter sich hat, denen bewusst ist, wie zentral gute Recherchen für ein lokales Medium sind, steht beim ersten Gegenwind schnell alleine da.

Die „nr-insights“ sind mein neues Lieblingsformat beim Netzwerk Recherche. Um der Vereinzelung während der Pandemie etwas entgegen zu setzen, organisieren meine Kollegen seit Januar ein monatliches Gespräch, für das sie kluge Reporter von ihrer Arbeit erzählen lassen. Durch den späten Beginn (immer 20:15 Uhr) kommt Wohnzimmer-Atmosphäre auf. Eine kleine Ersatzdroge für alle, die unsere Jahreskonferenz (die letzte ist jetzt schon 20 Monate her!) so vermissen wie ich. Weiterlesen

nr21 im Juni und Oktober

Bitte vormerken: Da wir pandemiebedingt nicht damit rechnen, dass die nr-Jahreskonferenz im Sommer als Präsenzveranstaltung stattfinden kann, wird es am 26. Juni wieder einen Webinartag geben.

Wir hoffen sehr, dass im Herbst offline wieder mehr möglich ist. Daher planen wir eine Präsenztagung am 1./2. Oktober in Hamburg (alternativ ebenfalls wieder online).

Bündnis fordert Transparenzgesetz für Baden-Württemberg

Netzwerk Recherche unterstützt die Forderung von Mehr Demokratie e.V. und Transparency Deutschland für ein Transparenzgesetz in Baden-Württemberg:

Die Organisationen haben am 10. Februar 2021 einen Entwurf für ein Transparenzgesetz für Baden-Württemberg vorgestellt. Das Transparenzgesetz verpflichtet die Verwaltung, amtliche Informationen von öffentlichem Interesse aktiv auf einem Online-Transparenzportal zu veröffentlichen. Dazu gehören beispielsweise interne Gutachten und Studien genauso wie Liegenschaftspläne und Umweltmessungen zur Vorbereitung von Landtags- oder Gemeinderatsentscheidungen. Auch Verträge mit Dritten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben wie bei der Müllentsorgung fallen darunter sowie bisher geheime Verträge von Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung, wie etwa städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder der EnBW.

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 193 vom 27.1.2021

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vergangene Woche kündigte der Verlag Gruner + Jahr an, die Politik- und Wirtschaftsredaktionen von Stern, Capital und Business Punk in Berlin zusammenzulegen. Die Redakteurinnen und Redakteure in Hamburg, die bislang in diesen Bereichen arbeiten, sollten andere Aufgaben übernehmen. Die Chefredaktion wird damit zitiert, man wolle die journalistische Kraft zweier befreundeter journalistischer Marken ballen. Es ist die neueste Spar-Nachricht nach einem Jahr voller solcher Ankündigungen. Und ihrer schnellen Umsetzung in großen und kleineren Verlagen und Sendern. Der Medienökonom Frank Lobigs von der TU Dortmund sagte im Deutschlandfunk sogar, er rechne damit, dass künftig auch „konzernübergreifend“ Zentralredaktionen gebildet werden würden. In denen unter dem Strich dann weniger Journalisten arbeiten werden.

Selbstverständlich funktioniert Journalismus nur, wenn er nachhaltig finanziert werden kann, das ist klar. Weltweit suchen Redaktionen und Verlage, aber auch Stiftungen und Gründer nach Wegen, um Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Dass Abo-Modelle im Netz zunehmend besser funktionieren, ist ein Hoffnungsschimmer und zeugt auch von einem Umdenken der Leserinnen und Leser, denen offenbar bewusst wird, dass guter Journalismus nicht umsonst ist. Aber wird das reichen, um Qualitätsjournalismus auf eine hinreichend solide monetäre Basis zu stellen? Wieviele Kollegen werden überhaupt noch rechercheintensiv arbeiten können?

Seit knapp einem Jahr leben wir jetzt mit dem Coronavirus. Die durch die Pandemie ausgelöste Krise hat einen Widerspruch unserer Branche weiter zugespitzt. Die schon vorher angespannte finanzielle Lage der Medienhäuser hat sich durch das Wegbrechen von Anzeigenerlösen verschärft. Gleichzeitig wird noch deutlicher, wie wichtig vielfältiger, recherchierender Journalismus ist. Verlage wie Sender registrieren einerseits das gewaltige Interesse an einer seriösen, faktenbasierten und kritischen Corona-Berichterstattung. Es ist aber auch deutlich sichtbar, wie viele Bürger sich von einem evidenzbasierten Diskurs abgewendet haben, seien es Querdenker oder Anhänger des QAnon-Kultes. Und dass es eine nicht so kleine Gruppe gibt, die mit manchen Ansichten von Querdenkern liebäugelt, aber für Argumente noch erreichbar ist.

Wohin es führt, wenn sich eine Gesellschaft nicht mehr auf die grundlegendsten Fakten einigen kann, hat zuletzt der entsetzliche Sturm auf das US-Capitol gezeigt. Man kann davon ausgehen, dass etliche der Beteiligten ernsthaft davon überzeugt waren, Trump habe die Wahl gewonnen. Und das wiederum hängt auch damit zusammen, dass ein nicht kleiner Teil der US-Bevölkerung den in den Sozialen Netzwerken verbreiteten Lügen lieber glauben möchte als den Ergebnissen der Arbeit von Journalisten. Je weiter eine derartige Zersplitterung der Öffentlichkeit voranschreitet, umso stärker gefährdet sie auch die Demokratie.

Qualitätsjournalismus steht also unter einem enormen finanziellen Druck, während die Erkenntnis, dass er für eine funktionierende plurale Gesellschaft zentral ist, immer deutlicher wird. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 192 vom 17.12.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

nun sind wir doch wieder zurück im Lockdown. Und alles ist genauso gekommen, wie es ausdrücklich nicht kommen sollte. Welcome back in der Welt der wenigen Kontakte, in der Atmosphäre des Rückzugs und zuweilen auch der Skepsis. Leider ist das eine Welt, in der auch unsere Arbeit komplizierter wird, weil wir die Dinge und das Leben weniger in Augenschein nehmen können. Dabei wäre es gerade jetzt umso wichtiger.

Medien haben in diesen Tagen viel darüber berichtet, was Politiker alles falsch gemacht haben in den vergangenen Monaten, welche Entscheidungen sie verpasst haben. Dass sie die zweite Welle nicht richtig ernst genommen haben, zu viel gestritten und schließlich zu spät halbherzige Maßnahmen ergriffen haben. Dass sie die Sommermonate nicht noch intensiver genutzt haben, eine Software zu entwickeln, die die zeitraubende Fax-Korrespondenz der Gesundheitsämter ersetzt. Dass sie die Schulen nicht mit Hochdruck fit gemacht haben für die zweite Welle. Und auch, dass es ihnen nicht gelungen ist, die Überbrückungshilfen weder technisch noch politisch schnellstens zu regeln. Selbst wenn sie die Warnungen der Virologen nicht glauben konnten, hätten sie all das vorbereiten können. Sie haben versprochen, dass es keinen zweiten Lockdown geben würde und sie haben versprochen, dass selbst, wenn es einen Lockdown geben würde, die Schulen und Kitas nicht wieder geschlossen würden. Nun ist all das eingetreten – und genau diesen Widerspruch haben Medien Politikern zurecht vorgehalten in diesen Tagen.

Aber was haben WIR eigentlich falsch gemacht in diesem Jahr? Was hätten wir mindestens besser machen können? Das haben wir uns bislang nicht wirklich gefragt, jedenfalls war davon nicht viel zu lesen, zu hören oder zu sehen. Haben wir die richtigen Fragen gestellt? Haben wir unsere Rolle in der Pandemie gefunden – kritisch und so unabhängig wie möglich? Wie haben wir unsere Haltung entwickelt im Spannungsfeld zwischen Regierenden und Querdenkern? Zwischen diesen Virologen und jenen Virologen? Weiterlesen

Offener Brief: Für eine Beteiligung gemeinnütziger digitaler Publisher und Organisationen

Die Bundesregierung will Tageszeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter in den nächsten Jahren mit 220 Millionen Euro fördern. Mit dem Geld solle die „Medienvielfalt und -verbreitung“ gefördert, der Journalismus gestärkt und der „dringend gebotene Transformationsprozess im Bereich der Abonnementzeitungen“ befördert werden.

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus ist in großer Sorge, dass diese Förderung zu einer Benachteiligung von gemeinnützigen digitalen Publishern führt, die in den vergangenen Jahren mit erheblichen Risiken neue journalistische Angebote aufgebaut haben. Wir fordern deswegen, dass die Bundesregierung auf eine Förderung ausgewählter Medien verzichtet oder alle neuen digitalen Akteure gleich behandelt.

Wir sind überzeugt: Eine Förderung von Medien ist nur dann sinnvoll, wenn sie der demokratischen Öffentlichkeit nutzt. Darum sollte nicht die gedruckte Auflage das Kriterium einer möglichen Förderung sein, sondern die Schaffung und der Erhalt aufklärender journalistischer Arbeit sowie die Sicherung von journalistischen Innovations-Ökosystemen. Die Bundesregierung sollte journalistische Produktion und Projekte fördern, ohne dabei in den journalistischen Prozess einzugreifen oder den Anschein einer Einflussnahme zu erwecken.

Hier ist die Gründungsförderung für journalistische Innovationen wichtig. Sollte die Bundesregierung aber ausschließlich Neugründungen und die digitale Transformation etablierter Unternehmen fördern, verzerrt sie nicht nur den Wettbewerb zum Nachteil digitaler Publisher, die sich im „Arbeitskreis digitale Publisher“ versammelt haben; sie lässt außer Acht, dass seit langer Zeit gemeinnützige Organisationen Angebote entwickeln, die viele Bereiche der Debattenkultur innerhalb der Gesellschaft bereichern.

In der heutigen digitalen Öffentlichkeit ist das Medienformat zweitrangig. Darum fordern wir, sämtliche Verbreitungskanäle und Modelle — ob Text, Ton oder Bild — gleich zu behandeln.

Wir schlagen aus diesem Grund ein „Labor für digitalen Journalismus“ vor.

Der gemeinnützige Journalismus ist seit Jahren ein Experimentierfeld für den digitalen Wandel des Journalismus. Zahlreiche Kooperationsprojekte zwischen Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen und digitalen Publishern auf der einen Seite und gemeinnützigen Medienorganisationen auf der anderen Seite haben bereits gezeigt, wie dies den Medien und der Gesellschaft insgesamt nutzen kann. Diese Arbeit kann in einem „Labor für digitalen Journalismus“ genutzt werden.

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 191 vom 24.11.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute schon eine “Schalte” – oder gleich mehrere – absolviert? Zu Beginn des Jahres nannte man das noch “Konferenz”. Viele Leute in einem Raum, die konzentriert und diszipliniert die Themen und Ideen für die nächste Ausgabe, die nächste Sendung besprechen. Bisweilen aber auch – denn das gehört dazu – heftig gestritten über die Relevanz, die Einordnung oder die Stoßrichtung all dessen, was so täglich passiert und über das berichtet werden soll. Unmittelbarer Augenkontakt, spontane Reaktionen. Ist es nicht diese Atmosphäre, die wir alle brauchen, um eine “Haltung” zu unserem Produkt zu entwickeln, um täglich bestmöglichst unser Verständnis von Journalismus zu präsentieren?

Heute stellen sich für viele Redaktionen ganz andere Herausforderungen: Klappt die Technik, reicht das WLAN, ist die Stummtaste zum richtigen Zeitpunkt gedrückt, gibt es zu viele störende Hintergrundgeräusche, bin ich zu hören (und auch zu sehen)? Wie reagieren die anderen spontan auf meine Worte, entsteht so etwas wie eine konstruktive Atmosphäre für unser gemeinsames Anliegen?

Die Erfahrungsberichte sind sehr unterschiedlich. Manche meinen, der Austausch per Video sei wesentlich konzentrierter, die Kommunikation sei völlig ausreichend, nichts bleibe “auf der Strecke”. Andere vermissen den unmittelbaren Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen, den direkten und auch spontanen Austausch, die Gespräche am Kaffeeautomaten oder beim gemeinsamen Mittagessen. ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo formulierte es so: “Eine Zeitung muss gemeinsam erquatscht werden”.

Auch wir bei Netzwerk Recherche müssen uns in dieser “neuen Zeit” zurechtfinden. Schmerzhaft die Entscheidung, unsere diesjährige Jahrestagung absagen zu müssen. Stattdessen eine Webinar-Reihe mit vielen Panels zu wichtigen Themen. Ja, wir haben dafür viel Lob und Anerkennung erhalten (vielen Dank dafür), aber auch viele Reaktionen, die einen Tenor hatten: Nichts kann die vielen Gespräche, Kontakte, Diskussionen ersetzen, die viele während unserer mittlerweile 18 Jahrestagungen beim NDR (und vielen Fachkonferenzen) erlebt haben. Und immer wieder fiel das Stichwort vom offenkundig schmerzlich vermissten “Quatschen am Pommesstand”. Wir scheinen also in all den Jahren vieles richtig gemacht zu haben. Das zumindest hat uns gefreut in dieser schwierigen Zeit. Weiterlesen

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