Es wäre töricht, nicht mit Wissenschaftlern zu sprechen

Vier Fragen an… Sebastian Mondial

Sebastian Mondial (Foto: Raphael Hünerfauth)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Die aktuelle Herausforderung könnte darin liegen, dass es zwar immer mehr Daten gibt, aber viele Datenjournalisten aus ökonomischen und strukturellen Gründen den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Also sich um Themen kümmern, bei denen die Daten einfach erschließbar sind. Ich persönlich arbeite seit 2007 im Journalismus und habe es häufiger erlebt, dass die einfacheren Themen mehr Spaß machen und man aus dem Unterbewusstsein heraus die Schwierigen liegen lässt. Das ist ein Phänomen, mit dem man sich auseinandersetzen sollte: Ob es sich nicht doch lohnt, auch Sachen zu machen, die nicht so gemütlich sind. Weiterlesen

Deutschland in der Nachholphase

Vier Fragen an… Patrick Stotz

Patrick Stotz (Foto: Benjamin Richter)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Zuallererst: die Verfügbarkeit von Daten. Es gibt in Deutschland im internationalen Vergleich nicht allzu viele offene Datensätze – die USA und Großbritannien sind zum Beispiel hier viel weiter. Außerdem fehlen in Deutschland häufig Vorkenntnisse, und die Infrastruktur in den Redaktionen ist noch nicht da, beziehungsweise im Entstehen. Es gibt Journalisten, die das Thema für sich entdeckt haben. Sie sehen sich dann vielen Tools gegenüber, haben aber nur geringe Erfahrung in ihrem Umgang. Gesellschaftlich habe ich nicht das Gefühl, dass die Leute Datenjournalismus stark nachfragen – insbesondere nicht jenen, der über die Standardkarten und -grafiken hinausgeht. Insgesamt ist Deutschland in einer Nachholphase. Man muss gucken, was in den anderen Ländern passiert und davon lernen. Weiterlesen

Im Land der unbegrenzten Daten

Vier Fragen an… Jennifer LaFleur, Senior Editor Center of Investigative Reporting

Jennifer LaFleur (Foto: Raphael Hünerfauth)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland – auch im Unterschied zu den USA?
Nicht alle Daten, die einmal erhoben wurden, sind öffentlich verfügbar. Grund dafür ist vor allem Datenschutz. Es ist verständlich, dass die Leute ihre privaten Daten schützen wollen. Aber uns bindet das die Hände. Eine vollständige Recherche ist unter diesen Bedingungen kaum möglich. In Deutschland ist das noch schwieriger als in den USA, aber ich denke, das wird sich bessern. Technisch gibt es kaum noch Grenzen: Man braucht nicht mehr als einen Laptop und ein einfaches Programm und jeder kann Daten analysieren – auch ohne teure Software. Weiterlesen

Die Diskussion nach Snowden weitertragen

Vier Fragen an… Kristian Kersting, Informatik-Professor an der TU Dortmund

Kristian Kersting (Foto: Benjamin Richter)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Eine Herausforderung ist die Beschaffung der Daten. Das ist aber ein generelles Problem, das nicht nur in Deutschland auftritt. Technisch gesehen muss ein Datenjournalist auf zwei Hochzeiten tanzen: Er muss sowohl das journalistische Handwerk beherrschen als auch vor Daten und deren Analyse keine Angst haben. Das sind Themen, die Journalisten in einer Ausbildung nicht unbedingt lernen. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass die Probleme der Datenbeschaffung nicht immer bekannt sind. Dafür, dass sowas schon mal dauern kann, könnten einige Redaktionsleiter zum Beispiel kein Verständnis haben. Weiterlesen

Der Cybersoldat im Cyberkrieg

Panel „Was hat Snowden mit uns gemacht? – Und was machen wir mit Snowden?“ mit Luke Harding, Katja Gloger, Elmar Theveßen, Georg Mascolo und Moderatorin Annette Dittert (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Ein gutes Jahr ist nach Edward Snowdens Enthüllungen vergangen, ein Jahr in dem das Thema die Berichterstattung so bestimmt hat wie kein anderes. Unter Leitung von Moderatorin Annette Dittert diskutieren Journalisten zum Thema „Was hat Snowden mit uns gemacht? – Und was machen wir mit Snowden?

Georg Mascolo, Leiter des Rechecherverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, sagt: Journalisten haben durch Snowdens Enthüllungen festgestellt, dass „jede Email, jeder Anruf ein Risiko ist“. Dies sei ein „Zustand, der untragbar ist“. Das System der NSA sei kein Einzelfall, denn es „ist ein Prinzip, dass alle Staaten anwenden – nicht nur die USA“.

Für die USA ist Snowden kein Whistleblower. Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF sagt: „Aus Sicht der USA ist Snowden ein Fahnenflüchtiger“. Fahnenflüchtiger? Das klingt nach Krieg: „Edward Snowden ist ein Cybersoldat im Cyberkrieg der USA, ein Munitionssammler im Netz“, fügt Georg Mascolo hinzu. Weiterlesen

Dienstleister oder Newsmaker

Panel „Datenfeuerwerke: So gelingen Weltklasse-Visualisierungen“ mit Gregor Aisch, Moritz Stefaner, Sylke Gruhnwald und Benjamin Wiederkehr (v.l.n.r., Foto: Benjamin Richter)

Geht es nach Gregor Aisch, sind Grafiker nicht länger Dienstleister: Früher ließen sich Redakteure Infografiken für ihre fertigen Geschichten bauen, heute entstehen aus Infografiken Geschichten. „Das ist anders als bei einem Fotografen, der vielleicht doch primär die Aufgabe hat, ein Foto zum Text zu liefern“, sagt Aisch. Grafikredakteure wie Gregor Aisch sind selbstständiger und kreieren eigene Stories. Anders als der klassische Journalist starten sie nicht immer mit einer Recherchehypothese: Sie finden ihre Geschichten in den Daten. Weiterlesen

Datenjournalismus – was ist das?

„Datenjournalist? – Soso.“ Wer sich mit diesem Beruf vorstellt, erntet leicht eine Mischung aus Skepsis und Bewunderung. „Die, die mit den Zahlen sprechen“ sind nicht nur manchen Feuilletonisten suspekt. Andere Kollegen wittern ein teures Modethema, das die letzten freien Ressourcen aus der Redaktion abziehen und sich dann von selbst erledigen könnte: Internetblase, Finanzblase – und nun die Datenblase?

Es spricht viel dafür, dass sich das Outing-Gefühl für Datenjournalisten tatsächlich bald erledigen wird, allerdings in einem anderen Sinne. Nicht, dass bald ein Heer von Gleichgesinnten an ihre Seite treten wird, die echte Liebe zum Zerlegen von Datensätzen für sich entdeckt haben. Sondern viel mehr, weil zumindest datenjournalistische Grundkenntnisse zur normalen Journalistenausbildung gehören werden. Weiterlesen

Der Investigative (Andrew Lehren)

Andrew Lehren (Foto: Wulf Rohwedder)

Von der lokalen Sportberichterstattung bis zu Recherchen in Sachen NSA war es für Andrew Lehren ein weiter Weg. In einem Interview spricht er von einem „Turning Point“, als er 1988 zum ersten Mal eine Tagung der „Investigative Reporters and Editors“ besuchte.

Sein Glaube an die Zuverlässigkeit von Quellen war gebrochen. Er begann zunehmend investigativ zu recherchieren und Interessekonflikte seiner Quellen stärker zu berücksichtigen. Sprachgeschicklichkeit reiche eben nicht aus, um systematischen und verantwortungsvollen Journalismus zu realisieren, meint er. Bei der New York Times stellte er sich Herausforderungen auch emotional aufgeladener Themen wie Afghanistan, dem Irakkrieg und Guantanamo. Zuletzt berichtete er, wie die NSA über scheinbar harmlose Apps wie „Angry Birds“ die persönlichen Daten der Nutzer ausspioniert. Außerdem beschrieb er anhand von NSA-Dokumenten, wie die der US-Geheimdienst Hilfsorganisationen und ausländische Energiekonzerne ausspionierte. Inzwischen gibt er sein Wissen auch an der New Yorker City University weiter – etwa darüber, wie Journalisten Behördeninformationen und Datenbanken nutzen können.

Von Lehrens Erfahrungen profitieren die nr14-Teilnehmer in der Veranstaltung „Crunching the numbers: the secrets behind big data journalism projects“.

Die Datenleserin (Nicola Kuhrt)

Nicola Kuhrt (Foto: privat)

Die Arbeit als Einzelkämpferin gehörte für Nicola Kuhrt lange Zeit zum Alltag: Ihre Karriere begann sie nach einem Volontariat als Allein-Redakteurin im Wissenschaftsressort der Westdeutschen Zeitung. Inzwischen arbeitet sie als stellvertretende Wissenschaftsressortleiterin bei Spiegel Online mit einem ganzen Team – und engagiert sich mit weiteren Medizin-Journalisten in Projekten wie medien-doktor.de, einem Qualitätsmonitoring der Medizinberichterstattung.

Und auch wenn es bei ihr (neben dem Schwerpunkt Medizin) um Datenjournalismus geht, ist die Zeit als Einzelkämpferin längst vorbei. Gemeinsam mit Kollegen von Spiegel Online trägt sie auf dem Blog #datenlese (fast) alles zum Thema Daten zusammen. Weiterlesen

Die Gerichtsfeste (Jennifer LaFleur)

Jennifer LaFleur mit Moderator Mirko Lorenz im Panel „Best of Data-Driven Journalism – Ten things every data journalist should know“ (Foto: Wulf Rohwedder)

Ärzte in den USA verschrieben Rezepte für Markenpräparate, obwohl günstigere Varianten des gleichen Medikaments verfügbar gewesen wären. Dass dieser Missbrauch der öffentlichen Krankenkasse „Medicare“ viele Milliarden US-Dollar kostete, machte erst eine Recherche der Datenjournalistin Jennifer LaFleur und ihres Teams transparent. Aber egal ob Zahlen zu den Kosten im Gesundheitssystem oder eine Statistik zum Einsatz von Gefängniswärtern mit kriminellem Hintergrund: Beharrlich und mit viel Ausdauer kämpfte sich Jennifer LaFleur schon mehr als ein Dutzend Mal durch alle Rechtsinstanzen, um zum Beispiel wertvolle Daten zu erstreiten – ohne sich während langjähriger Prozesse einschüchtern oder gar durch Niederlagen vor Gericht entmutigen zu lassen. Sie arbeitete u.a. für die „Dallas Morning News“, die „San Jose Mercury News“ und „ProPublica“. Als Senior Editor für Datenjournalismus am Centre for Investigative Reporting gibt sie ihre Erfahrungen auch an junge Journalisten weiter. Weiterlesen

Paul Myers: “I’m a researcher for the BBC”

Paul Myers (Foto: Raphael Hünerfauth)

Paul Myers Arbeit beginnt mit dem immer gleichen Satz: „Finde jemanden für uns.“ Wenn die Recherche für die meisten Journalisten beendet ist, zu schwierig, zu wenig Hinweise, dann fängt sie für Myers erst an. 

Myers ist Internetexperte, Rechercheur und Trainer bei der BBC. Früher wäre er ein klassischer Mann der zweiten Reihe gewesen. Jemand, der im Archiv wühlt, während die Journalisten die großen Geschichten schreiben und den Ruhm ernten. Aber heute hält jemand wie Myers Vorträge in Deutschland, Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden, mit hunderten Zuhörern.

Auch an diesem Freitagnachmittag steht Myers auf einer Bühne, die Sitze vor ihm sind bis auf den letzten besetzt. Myers trägt ein St.-Pauli-Trikot, am Bauch spannt es ein wenig. Ein Zuschauer hat Bedenken: Müsse Myers denn nicht erwähnen, dass jedes Mal, wenn jemand mit Hilfe von google recherchiert, die NSA mithöre? Stimmt, sagt Myers. Einmal habe er eine Geschichte über britische Verteidigungspolitik recherchiert. Er war der IP-Adresse des Verteidigungsministeriums auf der Spur, als sein Handy anfing zu klingeln. Eine halbe Minute klingelte es, bis er auf Google ging und in die Tastatur tippte: „I’m a researcher at the BBC.“ Myers grinst: „Dann ging das Telefon aus.“ Ungläubige Pause. Das Publikum lacht. Weiterlesen

Journalismus aus der Luft – lohnen Drohnen?

Live-Vorführung im Panel „Lohnen Drohnen? – Journalismus von oben“ (Foto: Raphael Hünerfauth)

Mit einem Piepsen startet der Motor, rote und blaue Lichter leuchten an den Rotoren auf. Mit einem lauten Brummen hebt die Maschine von  Fabian Werba ab: Sein Oktokopter – acht Rotoren, kreisförmig angeordnet, 20.000 Euro wert – steht in der Luft. Was die Kamera der Drohne 80 Meter über dem Boden einfängt, flimmert über den Bildschirm von Elke Thimm, Werbas Geschäftspartnerin. Sanft bewegt sich die Drohne über das NDR-Gelände. Von unten faszinierte Blicke: Schon viel haben Zuschauer von den unbemannten Flugobjekten gehört und auch darüber berichtet. Live und aus nächster Nähe betrachtet haben sie jedoch nur wenige. Die Vorführung beeindruckt die 15 Teilnehmer der Präsentation von Datenjournalist Lorenz Matzat, Blogger Max Ruppert und Drohnenpilot Fabian Werba sichtlich, stößt allerdings auch auf Skepsis.

„Lohnen Drohnen?“ – fragte Autor und Dozent Bernd Oswald in dem von ihm moderierten Panel. Die Vorführung zeigte: Technisch können die Drohnen viel. Mit Kameras ausgerüstet starten sie zu atemberaubenden Aufnahmeflügen, wie das jüngste Projekt Werbas und Thimms zeigt, bei dem sie ihre Drohne für eine Reportage über die Plattenbauten des Märkischen Viertels in Berlin ziehen ließen. Während die Aufnahmen problemlos liefen, waren innerhalb weniger Minuten mehrere Beschwerden bei der Polizei eingegangen. „Ich kann das verstehen, so ein Teil sieht ja schon bedrohlich aus“, sagt Werba. Weiterlesen

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