Grow-Stipendien: Drei Projekte ausgezeichnet

Die Gewinner der Grow-Stipendien für Gründer und Gründerinnen im Nonprofitjournalismus stehen fest. Drei Projekte wurden im Rahmen der Fachkonferenz „Journalismus? Nicht umsonst!“ am 21. September 2018 in Berlin mit den mit 3.000 Euro dotierten Stipendien ausgezeichnet. Die Jury kürte erstens das Online-Magazin „Flüchtling – Magazin für multikulturellen Austausch“, das 2017 in Hamburg von Hussam Al Zaher gegründet wurde. Im Grow-Wettbewerb präsentierte die afghanische Journalistin Sahar Reza das Magazin, das sich für Verständigung einsetzt, die Situation von Geflüchteten in Deutschland aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und nun einen Ausbau des Angebots plant.

Das zweite Stipendium ging an das Projekt Datenguide von Simon Jockers, Simon Wörpel und Patricia Ennenbach. Das Team aus Datenjournalisten und Web-Entwicklern will ein einfach zu bedienendes Datenportal entwickeln, das die Daten der amtlichen Regionalstatistik übersichtlich darstellt, vergleichbar macht und erklärt. Das Portal kann als Recherche-Werkzeug für Journalisten und Bürger gleichermaßen dienen.

Die Journalistin Michaela Haas ist die dritte Stipendiatin im Grow-Programm. Sie will die Arbeit des Solutions Journalism Network aus den USA nach Deutschland bringen. Dazu gehören vor allem Trainingsangebote, die die Methoden des lösungsorientierten Recherche-Journalismus vermitteln. Unterstützt wird sie dabei durch die Journalistin Lisa Urlbauer und durch Nina Fasciaux, die sich als Europa-Koordinatorin des Solutions Journalism Network engagiert.

Im Wettbewerb um die Grow-Stipendien traten die besten sechs Bewerber auf der Konferenz in einem Pitch gegeneinander an, anschließend kürte die Jury die Gewinner. Die Stipendiaten werden nun in den kommenden Monaten an der Realisierung ihrer Ideen arbeiten, begleitet und beraten von Netzwerk Recherche. Bei der Jahreskonferenz des Vereins am 14./15. Juni 2019 in Hamburg werden die Stipendiaten die Fortschritte ihrer Projekte präsentieren.

Die Grow-Stipendien werden seit 2016 von Netzwerk Recherche und der Schöpflin Stiftung vergeben. Die Gewinner erhalten neben der finanziellen Starthilfe Know-how- und Vernetzungsangebote im gemeinnützigen Journalismus. Zu den bisherigen Stipendiaten zählen zum Beispiel Frag den Staat, das Online-Portal für Informationsfreiheit, das lokaljournalistische Pilotprojekt „Einfach Heidelberg“ mit Nachrichten in leichter Sprache sowie das Online-Magazin MedWatch, das sich auf das Enttarnen von dubiosen Heilsversprechen im Gesundheitswesen konzentriert.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 165, 26.09.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vor einigen Tagen gab es in Deutschland die Aktion “Deutschland spricht”, bei der Bürger aus Deutschland zusammenkamen, und zwar immer zwei, die zu gesellschaftlichen und politischen Fragen ganz unterschiedliche Ansichten haben. Die Aktion, ins Leben gerufen von “Zeit Online” und unterstützt von mehreren Verlagen, scheint zunächst banal: Sind wir in einer pluralen Gesellschaft nicht dauernd umgeben von Leuten, die andere Ansichten haben als wir selbst? Aber offensichtlich ist diese Idee heute geradezu revolutionär, jedenfalls so sehr, dass immerhin der Bundespräsident die Sache unterstützt hat.

Womöglich gibt es die vielbesprochenen Filterblasen nicht nur unter Journalisten, sondern auch Bürger umgeben sich lieber mit Menschen, die denken wie sie. Wahrscheinlich suchen und konsumieren etliche dieser Menschen vor allem Informationen, die ihr Weltbild bestätigen. Insofern ist es eine tolle Idee, ins Gespräch zu kommen mit jenen, die anders sind als man selbst, und die Ansichten vertreten, die man vielleicht nicht immer sympathisch findet. Dabei kann man herausfinden, dass es für einen selbst nicht gefährlich ist, erstmal zu versuchen zu verstehen, wie der andere zu seiner Position kommt. Wenn man zugehört hat, bleibt ja Zeit für die eigenen Gegenargumente.

Eine solche Art des Diskurses scheint aus der Mode gekommen zu sein, dafür sind Pöbeleien, Hass und Beschimpfungen häufiger geworden. Kolleginnen und Kollegen werden Zielscheibe solcher Angriffe, manchmal sogar tätlicher Angriffe. Gegen solche Straftaten muss der Staat entschieden vorgehen und Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes schützen.
Wir als Journalisten, die es sich zum Beruf gemacht haben, mit anderen zu reden, müssen uns aber auch fragen, ob wir unseren Ansprüchen gerecht geworden sind. Haben wir genug gefragt, erstmal wissen wollen, was los ist, bevor wir Urteile gefällt haben? Haben wir uns überhaupt genug interessiert für die Situation und Stimmungslage anderer? Waren wir überhaupt vor Ort?

Ohne dass es hingeschrieben ist, werden die meisten an die AfD denken und an die Frage, wie Journalisten mit Wählern und Politikern der Partei umgehen sollen. Das ist nicht leicht zu beantworten, die bisherigen Erfahrungen zeigen nur, dass Ignorieren und Zurückpöbeln wenig hilfreiche Strategien sind. Weiterlesen

Werkbund Label 2018: Für Pressefreiheit kämpfen

Am 14. September wurde Netzwerk Recherche mit dem Werbund Label 2018 des Deutschen Werkbunds Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Bei der Preisverleihung im Burda Media Tower in Offenburg forderte nr-Geschäftsführer Günter Bartsch, die Presse- und Meinungsfreiheit kämpferisch zu verteidigen. Journalisten und Öffentlichkeit dürften nicht zulassen, dass Medien diffamiert werden: “Lassen wir nicht zu, dass ein transparenter Umgang mit Fehlern als Eingeständnis einer Fälschung verleumdet wird. Lassen wir nicht zu, dass ein Verfassungsschutzpräsident Medien das Recht abspricht, zu berichten, was geschieht. Lassen wir nicht zu, dass sich dieser Verfassungsschutzpräsident hinterher damit herausreden kann, er habe das ja ganz anders gemeint.”

Das Werkbund Label wird für Projekte und Initiativen vergeben, die sich durch herausragende, innovative oder gestalterische Qualitäten und soziale oder politische Vorbildfunktion auszeichnen. Die Verleihung an das Netzwerk Recherche begründete die traditionsreiche Vereinigung von Gestaltern, kulturell-gesellschaftlich engagierten Personen, Selbstständigen und Unternehmen wie folgt: “Seit seiner Gründung 2001 befasst sich Netzwerk Recherche e.V. mit zentralen medienpolitischen Fragen und setzt sich für einen glaubwürdigen Journalismus ein durch Qualität, Handwerk und gute Rahmenbedingungen bei der Recherche unter Berücksichtigung der Chancen und Herausforderungen durch neue Technologien.” Weitere Preisträger 2018 sind Die Mitfahrerbank, die Fibr GmbH, die Glashütte Lamberts Waldsassen GmbH, das Online-Magazin Marlowes, die Druckwerkstatt p98a, das Immobilienentwicklungsunternehmen Senn, die Strandbeest-Kunstobjekte von Theo Jansen, die Architekturinitiative Transfer Wohnraum und das Projekt Warka Water.

Beitrag auf der Website des Deutschen Werkbunds

Die Rede von Günter Bartsch im Volltext:

Sehr geehrte Damen und Herren,

eigentlich wollte ich Ihnen von unserer Arbeit erzählen, von unseren tatsächlich ziemlich tollen Konferenzen und Projekten. Aber als ich mich gestern Abend in den Zug gesetzt habe, hatte ich den Eindruck, dass ich meine Redezeit für etwas Dringlicheres nutzen sollte. Was jetzt folgt, ist vielleicht so etwas wie ein Notruf.

Haltung ist ein Begriff, mit dem sich viele Journalisten schwer tun. Ich bin vor knapp 20 Jahren bei der Allgäuer Zeitung zum Redakteur ausgebildet worden. Dass Journalisten „objektiv“ berichten sollten, sich „nicht gemein machen“ sollten – das wurde mir früh eingeimpft. Und das ist natürlich auch heute nicht falsch. Aber mein Eindruck ist: das reicht nicht mehr. Auch wir Journalisten müssen kämpfen. Kämpfen, damit uns die Feinde der Demokratie ein Grundrecht – die Presse- und Meinungsfreiheit – nicht Stück für Stück zerstören.

Jürgen Braun von der AfD sprach gestern im Bundestag. An den Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz gerichtet sagte er:

„Wie können Sie allen Ernstes bestreiten, dass es Medienfälschungen gröbster Art unmittelbar nach Chemnitz und in den Tagen danach gegeben hat? Die ARD-Tagesthemen haben diese Fälschungen selber zugegeben, sie aber verschwurbelt einen ‘Fehler’ nur genannt, ein ‘Versehen’. Wo gezielt gröhlende Horden zusammengeschnitten worden sind mit friedlichen Demonstranten, um übelste Propaganda gegen freiheitlich denkende Menschen zu machen, die sich über einen Mord beklagt haben.“ Weiterlesen

Netzwerk Recherche mit Werkbund Label 2018 ausgezeichnet

Der Deutsche Werkbund Baden-Württemberg vergibt seit 2006 in zweijährigem Turnus das Werkbund Label für außergewöhnliche Projekte, Initiativen und Unternehmen, die eine herausragende innovative, zukunftsweisende oder gestalterische Qualität aufweisen, soziale oder politische Vorbildfunktion haben, umweltfreundliche Technologien und Energien einsetzen oder zivilgesellschaftliche Entwicklungen fördern.

Wir freuen uns sehr, dass in diesem Jahr Netzwerk Recherche zu den Preisträgern zählt. Die Verleihung findet am 14. September 2018 in Offenburg statt.

Der Deutsche Werkbund wurde am 6. Oktober 1907 als wirtschaftskulturelle „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“ auf Anregung von Hermann Muthesius, Friedrich Naumann und Henry van de Velde gegründet. Von 1918 bis 1933 war Theodor Heuss Geschäftsführer und Vorstandsmitglied.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 164, 27.08.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

“Sie begehen eine Straftat, sie begehen eine Straftat!” Der Demonstrant, der das ZDF-Team um Arndt Ginzel erst bepöbelt und dann die Polizei eingeschaltet hat, arbeitet also selbst bei der Polizei. Und die Polizei, die die Journalisten rund 45 Minuten lang mit Ausweiskontrollen schikaniert hat, steht nun noch dümmer da, als sie es von Beginn an tat. Die Aufnahmen, wie die Beamten mehrfach den Presseausweis kontrollieren und feststellen, er sei “in Ordnung” offenbaren eine sonderbare Hilflosigkeit der Polizisten. Denn sie wissen nicht genau, was sie tun sollen, außer die Journalisten von der Arbeit abzuhalten. Und dass ein Presseausweis, der fast für jeden zugänglich ist, als Beleg dafür herhalten muss, dass es sich um “echte” Journalisten handelt, ist auch nicht ohne Komik. Andererseits ist die Unsicherheit der Beamten das Schlimme an der Situation. Denn natürlich sind sie qua Amtes am längeren Hebel und haben die Macht, die Arbeit der Kollegen einfach zu stoppen, trotz ihrer offenkundigen Hilflosigkeit.

Warum sind Journalisten ausgerechnet während einer Pegida-Demonstration für die Polizei das glaubwürdigere Feindbild als pöbelnde Demonstranten? Das ist die Frage, die durch die Äußerungen des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, CDU, noch verstärkt wird. Denn auch für ihn war der Fall sofort klar und er twitterte: “Die einzigen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.” Gerade weil das nicht stimmte, ist es eine sonderbare Bekräftigung. Dass nun ausgerechnet ein LKA-Mann in seiner Freizeit der Auslöser des Gemenges war, lässt den Tweet erst recht absurd erscheinen. Der Innenminister hat klare Worte gefunden für das Verhalten des LKA-Beschäftigen: Er erwarte von allen Bediensteten ein korrektes Verhalten, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhielten. Weiterlesen

Grow-Stipendien: Bewerbungsfrist verlängert!

Wir vergeben in diesem Jahr wieder bis zu drei Grow-Stipendien für Gründerinnen und Gründer im gemeinnützigen Journalismus. Wir haben seit der Ausschreibung im Sommer schon spannende Bewerbungen erhalten, möchten aber noch mehr! Deshalb haben wir die Bewerbungsfrist verlängert – bis Mittwoch, 29.08.2018. Wir freuen uns auf weitere Projektideen im Nonprofitjournalismus.

Die in diesem Jahr auf je 3.000 Euro aufgestockten Grow-Stipendien werden vergeben an journalistische Start-ups, die einen klaren Recherche-Schwerpunkt haben und nicht profitorientiert sind. Wir vermitteln den Stipendiatinnen und Stipendiaten Know-how und Kontakte, damit der Start gelingen und das Projekt wachsen kann. Ermöglicht wird das Stipendienprogramm von der Schöpflin Stiftung. Hier gibt es mehr Informationen zu den Bedingungen, zum Ablauf des Bewerbungsverfahrens und zur Jury.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 163, 31.07.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Was lernen wir aus Mesut Özils vorläufigem Rücktritt und dem unter #MeTwo geteilten Alltagsrassismus? Ich lerne vor allem, dass wir zwar viel Meinung zu lesen bekommen, dass wir aber noch immer viel zu wenig zu Rassismus im Alltag recherchieren. Das liegt daran, dass es in Deutschland zu wenige Kollegen im investigativen Journalismus gibt, die das könnten. Weil zu wenige von uns solche Alltagserfahrungen machen.

#MeTwo zeigt genau wie #MeToo, wie viele Geschichten seit Jahren unter der Oberfläche schlummern, aber von Medien bisher nicht Ernst genommen wurden. Diese Themen beschäftigen viele Menschen jeden Tag, sie betreffen ganz besonders ohnehin benachteiligte Gruppen – und sie können schwere Schäden hinterlassen. Genau das, wonach investigative Reporter bei Themen stets suchen. Weiterlesen

Wegweiser Nonprofitjournalismus: Neues Informationsportal für gemeinnützigen Journalismus

Netzwerk Recherche stellt mit dem Wegweiser Nonprofitjournalismus ein neues Informationsportal für gemeinnützigen Journalismus vor.

Die Website nonprofitjournalismus.de beantwortet Fragen rund um die Themen Gemeinnützigkeit, Gründen sowie Vernetzung und stellt eine Vielzahl nützlicher Ressourcen – z.B. Best-Practice-Beispiele, kommentierte Linklisten oder Trainingsangebote – zur Verfügung.

Begleitet wird der Relaunch der Internetseite von einer kompakten Broschüre (auch zum Download), in der die wichtigsten Punkte noch einmal zusammengefasst sind.

Wer mehr wissen möchte: Netzwerk Recherche und die Schöpflin Stiftung laden am 21. September in Berlin zu einer Konferenz über gemeinnützigen Journalismus, neue Finanzierungsideen und das Verhältnis von Journalismus und Stiftungen.

Ermöglicht wurde die Erstellung des Wegweisers durch die folgenden Partner und Förderer: Die Schöpflin Stiftung, die Stiftung Mercator, die GLS Treuhand, die Medienstiftung Hamburg-Schleswig-Holstein, die JournalistenAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung und die LfM-Stiftung für Lokaljournalismus Vor Ort NRW.

nr18: Trainingscamp, Diskussionsforum, Eckkneipe

Einen Preis für MeToo-Berichterstattung, einen Preis für einen verschlossenen Bürgermeister und jede Menge Workshops, Debatten und Gespräche – das war die nr18.

Ein Rückblick von Jonathan Gruber

Der verstorbene Mitbegründer des Netzwerks Recherche Thomas Leif sagte einmal, recherchierende Journalistinnen und Journalisten seien keine einsamen Wölfe, sondern zögen ihre Stärke aus der Arbeit im Team. Ende Juni traf sich dieses Team mal wieder zur Netzwerk-Recherche-Jahreskonferenz (nr18) in Hamburg.

In über 100 Veranstaltungen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem über Frauen im Journalismus, die Zukunft des Lokaljournalismus und die Nähe zur Politik, lernten in Workshops etwas über investigative Recherche und Datenjournalismus und begegneten dabei allerlei bekannten und neuen Gesichtern.

Vor allem neue weibliche Gesichter. Netzwerk-Recherche-Vorstandsmitglied Kuno Haberbusch erzählte, dass bei der ersten Konferenz vor 18 Jahren alle Referenten männlich gewesen seien. In diesem Jahr lag der Frauenanteil auf den Podien immerhin bei 42 Prozent. Es war eines der großen Themen der nr18: die Rolle der Frau im Journalismus. Laut Angabe der Initiative Pro Quote war noch vor sechs Jahren bei der Süddeutschen Zeitung nur knapp jede 25. Führungsperson eine Frau, mittlerweile sei es jede Fünfte. In der ARTE-Programmkonferenz sind die acht stimmberechtigten Mitglieder dagegen immer noch allesamt männlich. Pro Quote drängt auf ein 50:50-Verhältnis in den Führungspositionen. Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer sagte, sein Magazin habe genau solchen Druck von außen gebraucht, um sich zu verändern und mehr Frauen Verantwortung zu übertragen (mehr zum Thema im Beitrag von Isolde Fugunt).  Weiterlesen

Gleichberechtigung fängt in der Journalistenausbildung an

Foto: Nick Jaussi

Ein Gastbeitrag von Isolde Fugunt

Ein Frauenanteil von 45 Prozent auf den Podien – und mehr Moderatorinnen als Moderatoren. Darauf waren die Organisatoren der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche in Hamburg stolz. Haben wir jetzt also alles erreicht? Können wir das Thema Gleichberechtigung damit abhaken? Noch nicht ganz, findet Journalistenausbilderin Isolde Fugunt (ifp):

Wenn ich jemandem am ersten Tag bei #nr18 erzählte, dass ich dieses Jahr neben Datenjournalismus ganz viele Panels im Bereich Frauen besuchen würde, erntete ich bisweilen mitleidige Blicke – nicht wegen #ddj. Oder bildete ich mir das nur ein? Denn auch mein eigener kleiner Karriere-Teufel verhöhnte mich: Hier gibt’s so viele spannende Themen und Du beschäftigst Dich damit? Mit Journalistinnen-Netzwerken? Mit der gerechten Verteilung von Journalistenpreisen? Mit Frauen in Führungspositionen? Spätestens im Panel zum Thema „Journalistenpreise“ und Frauen hat sich dann bestätigt, dass diese Konzentration eine Dummheit sein könnte: Denn viel zu viele Frauen schreiben über weiche Themen (Frauen, Pflege, Kinder, Familie und so weiter) und überlassen die harten, die die als gesellschaftlich relevant gelten, ihren männlichen Kollegen. Unter anderem deshalb gewinnen Frauen wohl auch weniger Preise. Texte von Frauen und über Frauen wolle ja auch kein Mann lesen, sagte ein Diskussionsteilnehmer. Ich glaube ja eher, dass Männer sehr wohl Texte von Frauen und über Frauen lesen würden, wenn es diese in ausreichender Zahl gäbe. Machen Sie sich mal den Spaß und zählen Sie im Spiegel Nr. 25 (Zufall) die Autorinnen und Autoren (21:80) sowie die abgebildeten Frauen und Männer (31:113). Ich will Spiegel-Chef Klaus Brinkbäumer gerne glauben, dass in den Führungsetagen auf der Ericusspitz seit kurzem alles besser ist. Er müsse schon gar nicht mehr darüber nachdenken, eine Frau zu befördern, hat er im Führungspositionen-Panel gesagt. Die sind jetzt nämlich automatisch immer schon dabei, wenn der Spiegel nach den besten Leuten für einen Job in Führungsposition suche. Aber sein Heft, sorry, ist ein Männer-Heft. Dieses Missverhältnis wird übrigens schon in der Ausbildung eingeübt: Ich muss zugeben, dass unsere Ausbildungsprojekte hinsichtlich der Gesprächspartner auch oft Männer-Dossiers sind. Weiterlesen

nr-Werkstatt Drehbuch der Recherche: Anleitung für investigative Recherche

Mit einer Anleitung für investigative Recherche setzt Netzwerk Recherche die nr-Werkstattreihe fort. Unter dem Titel „Drehbuch der Recherche“ erscheint zur nr-Jahreskonferenz 2018 eine aktualisierte Übersetzung des Handbuchs „The Hidden Scenario“ (dem Nachf0lger des Klassikers “Story-Based Inquiry” von Mark Lee Hunter und Luuk Sengers. Darin erklären die Autoren, wie man eine investigative Recherche plant, ausführt und abliefert – von der Idee bis zur Story. Daniel Drepper, Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland und Mitglied im Vorstand von Netzwerk Recherche, schreibt in seinem Vorwort: „Auch wenn ich in meiner täglichen Arbeit längst nicht alle Vorschläge der Autoren umsetze, so hat mir das Buch doch sehr dabei geholfen, mir meiner Recherchetechniken bewusst zu werden und mich zu fokussieren. Recherche ist Handwerk. Sie lässt sich erlernen, sie lässt sich strukturieren, sie lässt sich in vielen Fällen auch aus dem Nichts konstruieren – wenn ich klug vorgehe und etwas Zeit investiere. Das ‚Drehbuch der Recherche‘ gibt eine Anleitung, die vor allem jungen Reporterinnen und Reportern ohne Zugang zu gut vernetzten Quellen helfen kann.“

Die nr-Werkstatt 25 “Drehbuch der Recherche” kann als pdf heruntergeladen und als Broschüre bestellt werden.

Verschlossene Auster 2018 für den Bürgermeister von Burladingen

Der Negativpreis “Verschlossene Auster” von Netzwerk Recherche für den Informationsblockierer des Jahres geht in diesem Jahr an den Bürgermeister von Burladingen in Baden-Württemberg. Der AfD-Politiker Harry Ebert erhält die Auszeichnung für seinen selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit der örtlichen Presse.

Weil Harry Ebert die Berichterstattung der Lokaljournalisten nicht gefiel, überzog er sie mit einem regelrechten Strafkatalog: Er verweigerte sich Interviews, ließ Anfragen unbeantwortet und wies städtische Mitarbeiter an, nicht mit der Presse zu sprechen. Er ließ im Amtsblatt der Stadt gegen die örtlichen Journalisten wettern und drohte mit dem Entzug von Abonnements, falls eine unliebsame Reporterin nicht abgezogen werde. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 162, 25.06.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am kommenden Freitag ist es mal wieder soweit: Bereits zum 17. Mal treffen sich hunderte Journalistinnen und Journalisten zur Jahrestagung von Netzwerk Recherche. Was im Jahr 2002 unter dem Motto “Wege zu einer neuen Recherche-Kultur” ganz klein begann, hat sich längst zu einem der wichtigsten Medienkongresse entwickelt. Gab es zu Beginn einen Raum und sechs Panels, gibt es heute 10 Räume und 110 Panels. Gab es damals 18 Referenten, gibt es heute rund 250 Referenten und Referentinnen.

Unverändert geblieben ist das NDR-Gelände als Veranstaltungsort und der NDR als großzügiger Gastgeber. Unverändert auch der Anspruch, den das Netzwerk Recherche als Veranstalter hat: Die Förderung des Recherche-Journalismus. Der konstruktive Streit um aktuelle Probleme, aber auch Chancen unserer Branche. Die Vermittlung von Handwerk und Haltung. Wir wollen motivieren und neue Impulse geben. Und noch etwas hat sich nicht verändert: Diese Konferenz wird ehrenamtlich organisiert: Von Journalisten. Mit Journalisten. Für Journalisten.

Doch etwas hat sich verändert: 2002 gab es 16 männliche Referenten, lediglich zwei Kolleginnen waren auf den Podien vertreten – Susanne Fischer und Patricia Schlesinger. Solch männerlastige Podien gibt es bei vielen, leider zu vielen Medientagungen auch heute noch. Umso erfreulicher die (vorläufige) Bilanz unserer jetzt beginnenden Tagung: Rund 40 Prozent der ReferentInnen sind Frauen, gar mehr als 80 Prozent der Moderationen liegen in weiblicher Hand. Vergleichbare Werte gab und gibt es auf keinem anderen Medienkongress. Zugegeben: Es war nicht ganz einfach. Noch immer gibt es nach unseren Anfragen mehr Absagen von Kolleginnen – aus sehr unterschiedlichen Gründen – als von Kollegen. Deshalb dauert die “ausgeglichene” Besetzung vieler Panels meist sehr viel länger, die Bemühungen sind viel größer. Es lohnt sich, darüber mal zu reden. Weiterlesen

Leuchtturm-Preis 2018 für MeToo-Rechercheteam der ZEIT

Der „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche geht in diesem Jahr an das MeToo-Rechercheteam der ZEIT und des ZEITmagazins. Damit würdigt der Verein die Recherchen und Veröffentlichungen der ZEIT zur Affäre um Dieter Wedel.

Jana Simon, Annabel Wahba und Christian Fuchs erhalten – stellvertretend für das gesamte Team – den mit 3.000 Euro dotierten Preis auch für ihren vorbildlichen Umgang mit den Regeln der Verdachtsberichterstattung. Anstatt vorschnell Gerüchte in die Welt zu setzen, recherchierten sie akribisch über Monate hinweg die Vorwürfe der Vergewaltigung und sexuellen Belästigung gegen den Regisseur und Filmproduzenten Dieter Wedel. Die veröffentlichten Texte überzeugten durch ihre sachliche, an den Fakten orientierte Darstellung der Rechercheergebnisse, die in ihrer Dichte eine immense Wucht entfalteten. Dank der Arbeit des ZEIT-Rechercheteams kam die in den USA nach den Enthüllungen rund um Harvey Weinstein gestartete MeToo-Debatte endgültig auch in Deutschland an.

Die Vorsitzende von Netzwerk Recherche, Julia Stein: „Es ist den Autorinnen und Autoren der ZEIT zu verdanken, dass mit ihrer Recherche ein altes Wertesystem ins Wanken geraten ist: Was an Sexismus und bisweilen sogar an Despotismus lange hingenommen wurde, darf nun nicht mehr sein. Für das Unrecht der Vergangenheit gibt es durch diese Veröffentlichung einen neuen Gradmesser. Bemerkenswert – und auch sehr erfreulich – ist, dass an dieser Recherche vor allem Frauen beteiligt waren, die doch im Investigativen sonst meist leider unterrepräsentiert
sind.“ Weiterlesen

#FreeThePhone: Mobiltelefon an Journalistin zurückgeben!

Vor zwei Wochen hat die slowakische Polizei die Journalistin Pavla Holcová – eine enge Kollegin des ermordeten Ján Kuciak – acht Stunden lang befragt und ihr Mobiltelefon beschlagnahmt. Die Behörden haben das Gerät bis heute nicht zurückgegeben. Netzwerk Recherche hat sich mit folgendem Schreiben an die Ermittlungsbehörden gewandt und die sofortige Rückgabe des Telefons gefordert:

To: Jana Tökölyová, Spokeswoman of Special Prosecution
To: Andrea Predajnova, Spokeswoman of General Prosecution

Dear Mrs. Predajnova, dear Mrs. Tökölyová,

we at Netzwerk Recherche, a German investigative journalists’ association, are seriously concerned about the Slovakian authorities’ attacks on the work of our colleague Pavla Holcová. Source protection is one of free press’ central pillars. The fact that the police has withdrawn and still not returned our colleagues’ mobile phone is a blatant violation of this principle. Therefore we ask Slovakian authorities to return the device immediately. It is unacceptable that the police of an European Union member country is obstructing the work of a journalist in this way.

Even tough these measures have already caused irreparable damage, we appreciate a swift reply from you acknowledging that at least the working conditions of our colleague will be restored.

Yours sincerely,
Netzwerk Recherche board

Hintergrund:

Slovak Police Must Return Reporter’s Seized Phone Immediately — OCCRP, 16.5.2018

Unter Druck – Fall Ján Kuciak: Nach der Befragung einer Journalistin durch die Polizei sorgen sich Medien um Quellenschutz — SZ, 17.5.2018

And then, they took her cellphone – Washington Post, 17.5.2018

„Sie wollen mich in Verbindung mit dem Verbrechen bringen“ – Welt, 18.5.2018

 

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 161, 22.05.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die #MeToo-Debatte wird in Deutschland nicht mehr nur abstrakt geführt. Nach den Enthüllungen über Dieter Wedel in der “Zeit” berichten unsere Kollegen auch über andere Fälle – in der Kulturbranche und im Journalismus. Es ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, dass sexuelle Belästigung nicht länger als Bagatelle abgetan wird und dass Journalisten Hinweise auf solche Vorfälle sorgfältig recherchieren. Aber es brauchte vorher den Fall Weinstein. Also vor allem mutige Frauen, die bereit waren, ihre Vorwürfe öffentlich zu erheben. Und Journalistinnen und Journalisten, die aus deren Aussagen, aus Schweigevereinbarungen, aus vielen Interviews ein Bild zusammensetzten, das Verhaltensmuster von Belästigern offenbarte.

Einige der jetzt beschuldigten Männer haben sich teils jahrzehntelang auffällig verhalten, ohne dass Vorwürfe laut wurden. Es waren offenbar Führungskräfte in den Redaktionen nötig, die Recherchen über Belästigung und Missbrauch ermutigen und unterstützen, es war eine Kampagne von Frauen auf Twitter nötig, die ihrer Empörung Ausdruck verliehen und es war offenbar ein verändertes Verständnis davon nötig, was sexuelle Belästigung ausmacht und wie sie zu ahnden ist.

Die Gesellschaft blickt heute anders auf das Thema sexuelle Belästigung als noch vor einem Jahr. Das ist auch das Verdienst von Journalisten, die solche Recherchen betrieben haben, aber es ist gleichzeitig ein bisschen entmutigend, dass die Zeit für diese Veränderung erst jetzt zusammen mit der #MeToo-Welle reif war. Weiterlesen

Stipendien abgeschlossen: Garnelenzucht in Vietnam & Handel mit exotischen Arten

Josephine Pabst hat ihr von Olin gefördertes und von nr betreutes Stipendium abgeschlossen. Sie recherchierte in Vietnam über die Probleme in der Garnelenzucht, die gegenwärtig im Lande einen Boom erlebt, weil sich beim Export gute Gewinne erzielen lassen. Wie bei allen Aquakulturen kommt es jedoch auch hier zum massiven Einsatz von Antibiotika, um die Verbreitung von Krankheitskeimen zu verhindern. Das Ergebnis der Recherchen von Josephine Pabst wurde bei Zeit Online veröffentlicht.

Auch Andrea Rehmsmeier hat ihr von Olin gefördertes und von nr betreutes Stipendium abgeschlossen. Sie recherchierte über den illegalen Handel mit exotischen Arten aus Madagaskar, der nicht selten unter dem Deckmantel offizieller Papiere erfolgt. Mit Chamäleons und anderen nur auf Madagaskar lebenden Reptilien lassen sich durch den Schmuggel in Deutschland horrende Preise erzielen. Die Recherchen von Andrea Rehmsmeier wurden im Spiegel Nr. 15/2018 veröffentlicht.

nr-Jahresbericht 2017

Der Jahresbericht 2017 von Netzwerk Recherche kann als pdf-Datei (8 MB) heruntergeladen werden.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 160, 19.04.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist schon ein paar Jahre her, aber heute kommt es mir plötzlich vor, als sei es gestern gewesen: Auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses wurden die Großen des Journalismus geehrt. Die besten Schreiber, die besten Reporter, die besten Rechercheure, sie alle wurden ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis. Im Jahr 2012, also vor sechs Jahren ergab sich dabei ein Bild, was schon damals nicht mehr ganz zeitgemäß wirkte: Ein Mann nach dem anderen betrat die Bühne und bekam die Trophäe. In der Kategorie Dokumentation wurden sogar gleich zwölf Kollegen, also zwölf Männer, ausgezeichnet. Unter Frauen schwankten wir im Small-Talk danach zwischen Wüten und Witzeln: ein Mann hätte es wohl alleine nicht geschafft, es mussten gleich zwölf sein. Aber genau das war das Bittere: es wirkte wie ein closed shop, als würden die Männer es im Vorfeld unter sich ausmachen. Frauen gehörten einfach nicht dazu, keine Chance.

Heute ist das anders. Denkt man. Dachte ich. Nach dem Nannen-Preis aber bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob und was genau eigentlich anders ist. Dabei hat sich der Preis seit 2012 geschüttelt und grundlegend verändert: Frauen in der Jury, weniger Chefs, mehr Macher und Macherinnen, vor allem in der Vorjury. Es gab ja auch in diesem Jahr wie in anderen Jahren zuvor überragende Frauen unter den Preisträgerinnen. Herzlichen Glückwunsch, Caterina Lobenstein! Herzlichen Glückwunsch, Souad Mekhennet! (Und herzlichen Glückwunsch allen anderen 15 ausgezeichneten Kollegen!)

Aber: im Investigativen waren es wieder fast ausschließlich Männer unter den letzten dreien. Es waren immerhin insgesamt 17 nominiert in der Sparte “Investigative Leistung” – 16 Männer, eine Frau. Es liegt nicht an der Jury, es fehlt schon an den Einreichungen. Viel weniger Frauen reichen ihre Arbeiten ein. Und noch davor: Viel weniger Frauen arbeiten überhaupt in den investigativen Teams. Warum bloß?

Wir haben so viele Frauen im Journalismus. Es starten mehr Frauen in den Beruf als Männer, weil beim Nachwuchs die Frauen besser sind als Männer. Es gibt ganz und gar überragende Investigativ-Frauen, die in der Spitze mitspielen. Auch können wir regelmäßig lesen, wie froh Medien sind, Frauen in der Führung vorzuzeigen. Aber in der Breite der Investigativ-Ressorts ändert sich letztlich offenbar wenig. Warum bloß? Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 159, 26.03.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist wieder passiert. Mitten in Europa – im EU-Land Slowakei. Ein Journalist wird ermordet. Ján Kuciak mit einem Schuss in den Bauch, seine Freundin Martina Kusnirova mit einem Schuss in den Hinterkopf. Es war eine Hinrichtung.

Ján Kuciak recherchierte – wie auch seine im Dezember letzten Jahres im EU-Land Malta ermordete Kollegin Daphne Caruana Galizia – über Korruption und organisierte Kriminalität in den politischen Führungszirkeln. Auch wenn in beiden Fällen weder Auftraggeber noch alle Details der Morde feststehen, ist eines gewiss: Weder Daphne Galizia noch Ján Kuciak sind “Zufallsopfer” eines schlimmen Verbrechens. Beide sind tot, weil sie manchen Leuten wohl zu neugierig waren. Weil sie mutige Journalisten waren. Weil sie ihren Beruf liebten.

Einen Beruf, den der langjährige – mittlerweile zurückgetretene – Ministerpräsident der Slowakei, Robert Fico, verachtete und bekämpfte. Kritische Journalisten waren für ihn “schleimige Schlangen”, “dreckige Huren” oder “dumme Hyänen”. Der Sozialdemokrat (!!!) attackierte verbal, andere (vielleicht dadurch ermutigt?) jetzt mit tödlicher Gewalt.

Diese verbalen Brandstifter gibt es in vielen Ländern. Regierungen in Polen, Ungarn, Russland oder den USA und vielen anderen Ländern haben keinerlei Skrupel, wenn sie gegen Journalisten hetzen. Und auch bei uns gehört diese Hetze offenkundig zur politischen DNA einiger Kreise – u.a. der AfD (“Lügenpresse”) oder Pegida (“Regierungshuren”). Erschreckend, dass sich auch einige (nicht nur ehemalige) Journalisten an dieser Treibjagd beteiligen.

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Bündnis Transparentes Hessen: Gesetzentwurf zu Datenschutz und Informationsfreiheit völlig unzureichend

Der Gesetzentwurf zu Datenschutz und Informationsfreiheit, der am morgigen Donnerstag im Innen- und Unterausschuss Datenschutz des Hessischen Landtags behandelt wird, ist in der jetzigen Form völlig unzureichend. So lautet das Urteil des Bündnisses „Transparentes Hessen“, das sich für einen besseren Informationszugang von Bürgerinnen und Bürgern an Verwaltungsinformationen einsetzt. Der Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen sieht das im Koalitionsvertrag versprochene offene und transparente Verwaltungshandeln nicht erfüllt. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 158, 21.02.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am 4. März will die SPD verkünden, ob sie eine GroKo möchte. Die Inhalte sind längst auf dem Tisch, der 177-seitige Entwurf für einen Koalitionsvertrag ist öffentlich; er wird das Leben von mindestens 80 Millionen Menschen für die nächsten vier Jahre bestimmen. Doch wer sich die Berichterstattung der vergangenen Wochen ansieht, der liest, hört, sieht vor allem Beiträge über Posten und Personen, nicht über Inhalte.

Wer bei den Verhandlungen den Längeren zieht, wie der neue Finanzminister heißt, wer Vorsitzende wird – das betrifft die meisten Bürger kaum. Viel spannender wären Recherchen und Analysen zu den großen Projekten der GroKo. Was wird für wen besser, was schlechter? Dieser Fokus auf den Bürger ist aufwändig, er braucht Fachwissen, Ausdauer und Recherche. Diesen Fokus gibt es viel zu selten.

Wie wichtig es ist, dass (Recherche-)Redaktionen sich auf die Anliegen aller Bürger konzentrieren, dass sie divers aufgestellt sind, dass sie nicht von weißen, in der Oberschicht sozialisierten Männern dominiert werden – das zeigt auch #metoo. In Deutschland reden wir fast ausschließlich über den Fall Dieter Wedel. Die Diskussion zu sexualisierter Gewalt ist verglichen mit den USA meilenweit zurück. Das liegt auch daran, dass hier bislang kaum jemand harte Recherchen dazu veröffentlicht hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies anders wäre, hätten wir mehr Frauen im investigativen Journalismus – und mehr Frauen in journalistischen Führungspositionen. Auf der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche werden wir uns am 29./30. Juni diesen Herausforderungen widmen.

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Grow-Workshop: Stipendiaten berichten über ihre Fortschritte

Gemeinnützigkeit erlangt, öffentliche Diskussion in Gang gebracht, hochklassigen Kolumnisten verpflichtet – die von Netzwerk Recherche und der Schöpflin Stiftung unterstützten Gründer im gemeinnützigen Journalismus haben in den vergangenen Monaten schon viel erreicht. Bei einem Workshop in Berlin in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung und in Kooperation mit der FES-JournalistenAkademie berichteten sie jüngst über Fortschritte und Hürden bei der Realisierung ihrer Projekte.

Das gesundheitsjournalistische Portal MedWatch wurde vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt und hat nun erste Beiträge auf der Website veröffentlicht. Das hyperlokale Medienprojekt Ihme-Zentrum prägt den Diskurs über die Stadtentwicklung in Hannover maßgeblich mit und erregte mit seinen Recherchen überregional Aufmerksamkeit. Und der Fußball-Plattform 120minuten ist es gelungen, den namhaften Sportjournalisten Ronny Blaschke für eine Kolumne zum Thema Fußball und Menschrechte zu gewinnen. Weiterlesen

No Trust, No News: Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz eingereicht

notrustnonewsIm Bündnis mit Journalistenverbänden und Bürgerrechtsorganisationen hat Netzwerk Recherche Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz eingereicht, in der sich internationale Journalisten gegen Überwachungsbefugnisse des deutschen Auslandsgeheimdienstes wehren. Nähere Informationen auf der No trust, no news Website und in der Pressemitteilung unseres Bündnispartners Reporter ohne Grenzen:

Die Kläger sind überwiegend investigative Journalisten, unter anderem die Trägerin des alternativen Nobelpreises, Khadija Ismajilowa aus Aserbaidschan, und der mexikanische Investigativjournalist Raúl Olmos, der Teil des internationalen Reporter-Teams war, das die Paradise Papers ausgewertet hat. Auch die internationale Organisation von Reporter ohne Grenzen mit Sitz in Paris zählt zu den Klägern, die vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verletzung der Pressefreiheit und des Rechts auf geschützte Kommunikation geltend machen.

„Das Gesetz erlaubt es dem Bundesnachrichtendienst, Journalisten im Ausland praktisch schrankenlos zu überwachen und die Informationen mit anderen Geheimdiensten zu teilen. Das ist eine inakzeptable Einschränkung der Pressefreiheit, weshalb wir die Betroffenen bei ihrem Gang vor das Gericht unterstützen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Projekte wie die Paradise Papers zeigen, dass investigativer Journalismus zunehmend in internationalen Kooperationen entsteht. Wenn der BND ausländische Journalisten überwacht, höhlt er damit auch das Redaktionsgeheimnis in Deutschland aus.“ Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 157, 24.01.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ging mal wieder alles rasend schnell – die Nachricht von Thomas Leifs Tod, sie zischte durch die Medien. In die Welt gesetzt durch einen Tweet – ausgerechnet. Hauptsache Erster sein, eine Todesnachricht zu verbreiten? Es ist befremdlich, erst recht, weil der Tod von Thomas Leif ja schon ein paar Tage zurücklag und nichts näher lag als die Frage, warum die Information darüber bislang nicht veröffentlicht worden war. Alle, die frühzeitig vom Tod erfahren hatten, schwiegen und respektierten den Wunsch der Familie, den Zeitpunkt der Nachricht selbst zu bestimmen. Das Gute ist – am Ende ist der Tweet unwichtig und vergessen. Was dagegen hängen bleibt, sind wie immer die wahren Würdigungen und die präzisen Porträts, die wir lesen durften.

Wir trauern um Thomas Leif, unseren Gründer, der uns mit dem Netzwerk Recherche etwas Großes hinterlassen hat.

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Ein nachhaltiger Impulsgeber

Persönliche Erinnerungen an den großen politischen Journalisten Thomas Leif

Von Volker Lilienthal

Zuletzt waren wir am 19. September vergangenen Jahres in Frankfurt verabredet – zur Jurysitzung des Otto-Brenner-Preises. Seit 13 Jahren hatten wir dort zusammengearbeitet, immer auf der Suche nach den besten Hervorbringungen des kritischen Journalismus. Beim Wiedersehen in Frankfurt wollte ich ihm gratulieren zu seinem neuesten Film „Wahre Christen oder böse Hetzer? Spaltet die AfD die Kirchen?“, der fünf Tage zuvor Erstausstrahlung gehabt hatte.

Thomas Leif und Volker Lilienthal auf der Message-Fachtagung "Medienjournalismus – Probleme und Perspektiven" im April 2010. Foto: Andreas Lamm

Thomas Leif und Volker Lilienthal auf der Message-Fachtagung “Medienjournalismus – Probleme und Perspektiven” im April 2010.
Foto: Andreas Lamm

Ein Film, der abermals alle Qualitäten des großen deutschen Journalisten Thomas Leif offenbarte: interessiert in der Grundhaltung, offen in der Herangehensweise, kritisch im Ergebnis, recherchestark und filmisch mit sehr viel Sinn für das sprechende Detail. Zum Beispiel die optische Entdeckung eines „Adolf Hitler“ beschrifteten Aktenordners im Kellerregal eines AfD-Aktivisten. Nur ein Kameraschwenk, das genügte.

Auch in diesem Film trat Thomas selbst auf, als „Presenter“. Als er das im Mai 2005 zum ersten Mal gewagt hatte, in der TV-Dokumentation „Gelesen, gelacht, gelocht – vom Irrsinn der Beraterrepublik“, gab’s dafür nicht nur den Helmut-Schmidt-Journalistenpreis, sondern anfangs auch viel Spott in Fachpresse und Fernsehkritik. Leute, die vor einer Fernsehkamera selbst untergehen würden, sahen Unbeholfenheit und Narzissmus – das Übliche halt. Der AfD-Film, der Thomas’ letzter werden sollte, zeigte aber auch, was dieser Mann als Interviewer vermochte: kritisch zu fragen bei großer Geistesgegenwart, ohne an einem Leitfaden zu kleben, beneidenswerte rhetorische Beweglichkeit also, Mut zur krassen Konfrontation und dann aber doch auch das Talent, die so Überraschten und Brüskierten wieder einzufangen, einzufangen mit einem fortgesetzten eifrigen Nicken, als sei der Fragesteller nun doch geneigt, dem Befragten Glauben zu schenken. Die Erzählung in Gang halten, bis zum Selbstverrat – darum ging es ihm. Interview als Verführung – auch das kann erlaubt sein. Die Technik gehörte zu Thomas Leifs Recherchemethoden, und davon beherrschte er viele. Ihm für den AfD-Film mein Lob auszusprechen, dazu kam ich leider nicht mehr, denn schon an der Jurysitzung konnte er nicht mehr teilnehmen. Warum, das wussten wir damals noch nicht. Und mussten ahnungslos auch bei der Preisverleihung im November auf ihn verzichten. Anfang Januar erst verdichteten sich die Gerüchte und es herrschte traurige Gewissheit. Weiterlesen

nr trauert um Gründungsvorsitzenden Thomas Leif

Das Netzwerk Recherche trauert um seinen Gründungsvorsitzenden Prof. Dr. Thomas Leif.

“Thomas Leif war die Triebfeder für die Gründung von Netzwerk Recherche und als dessen Vorsitzender zehn Jahre lang maßgeblicher Impulsgeber des Vereins”, so nr-Vorsitzende Julia Stein. “Damit haben Thomas Leif und seine Mitstreiter etwas Bleibendes geschaffen. Wir empfinden Anerkennung und Dankbarkeit vor dieser großen Leistung.”

Die von Thomas Leif angestoßenen Debatten prägten und prägen das Selbstverständnis von Netzwerk Recherche. Ohne diese Diskurse wäre Netzwerk Recherche nicht die Organisation, die sie heute ist. In Leifs Amtszeit hat die Journalistenvereinigung unter anderem den Medienkodex veröffentlicht, dessen Passus “Journalisten machen keine PR” eine überfällige Debatte über die Trennung von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit entfachte. Thomas Leif engagierte sich auch immer wieder für eine Stärkung des Recherche-Journalismus. Schon in den ersten Jahren nach der Gründung entwickelte sich deshalb die nr-Jahreskonferenz beim NDR in Hamburg zu einer der größten europäischen Tagungen für journalistische Recherche. Zahlreiche Fachtagungen und Publikationen wie die Reihe “nr-Werkstatt” entstanden auf Leifs Initiative.

Seine große Leidenschaft war immer die Recherche. Er war streitbar, stellte sich jeder Diskussion. Ungezählt sind die Stunden, die Thomas Leif ehrenamtlich für das Netzwerk Recherche gearbeitet hat. Dieses Verdienst bleibt. Und das Netzwerk Recherche wird ihm dafür immer sehr dankbar sein.

Volker Lilienthal über Thomas Leif: Ein nachhaltiger Impulsgeber. 

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 156, 20.12.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ist zwar nur eine kleine Geste, hat aber dennoch eine große Symbolkraft: "Saal Daphne Caruana Galizia" - so heißt jetzt der Raum, in dem sich das Europäische Parlament den Fragen der Journalisten stellt. So soll die Erinnerung an unsere Kollegin aus Malta wachgehalten werden, die durch eine Autobombe ermordet wurde. Sie recherchierte seit vielen Jahren über Korruption in ihrem Heimatland, prangerte auf ihrem Blog immer wieder Filz und Amtsmissbrauch nicht nur der Regierenden im EU-Land Malta an. Furchtlos und ausdauernd. Es war beeindruckend und auch bewegend, wie die Abgeordneten im EU-Parlament parteiübergreifend ihre Arbeit würdigten und mit harschen Worten von Maltas Regierung die Aufklärung dieses Verbrechens forderten.

Daphne Caruana Galizia ist eine von 52 Journalisten, die bislang in diesem Jahr ermordet wurden - weil sie Journalisten waren. 179 sind aktuell im Gefängnis - weil sie Journalisten sind.

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Global Investigative Journalism Conference 2019 in Hamburg

26. bis 29. September 2019, Hamburg
(HafenCity Universität / Der Spiegel)

mit Pre-Conference-Programm am 25. September 2019

Weitere Informationen und Anmeldung auf der Konferenz-Website:

gijc2019.org

Foto: Jörg Modrow (mediaserver.hamburg.de)

Foto: Jörg Modrow (mediaserver.hamburg.de)

Die Global Investigative Journalism Conference (GIJC) kommt erstmals nach Deutschland! Investigative Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt werden sich im Jahr 2019 in Hamburg treffen.

Das Netzwerk Recherche hatte sich gemeinsam mit der Interlink Academy for International Dialog and Journalism und dem Recherchezentrum Correctiv um die Ausrichtung der Tagung beworben – und diesen Wettbewerb gewonnen. Die GIJC ist die größte internationale Tagung für journalistische Recherche, alle zwei Jahre findet sie an einem anderen Ort statt. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 155, 23.11.2017

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es liegen aufregende Tage hinter uns: bei der Global Investigative Journalism Conference in Johannesburg hat sich Netzwerk Recherche gemeinsam mit der Interlink Academy und Correctiv für die Austragung der nächsten Global Conference 2019 in Hamburg beworben. Und: Wir haben gewonnen! Schon lange hat ein kleines Team des Netzwerks daraufhin gearbeitet, diese Konferenz nach Deutschland zu holen. Jetzt hat es geklappt, wir freuen uns sehr und starten in eine Phase neuer Arbeit. Vielen Dank an all diejenigen, die uns unterstützt haben auf diesem Weg bis hierhin!

Dass sich Dranbleiben lohnt, zeigen auch die „Paradise Papers“: Stimmt, nicht jeder Reporter bekommt große Leaks mit geheimen Steuerdaten auf den Tisch. Aber von der Geschichte hinter der Recherche können wir alle lernen.

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