Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
es ist schon ein paar Jahre her, aber heute kommt es mir plötzlich vor, als sei es gestern gewesen: Auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses wurden die Großen des Journalismus geehrt. Die besten Schreiber, die besten Reporter, die besten Rechercheure, sie alle wurden ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis. Im Jahr 2012, also vor sechs Jahren ergab sich dabei ein Bild, was schon damals nicht mehr ganz zeitgemäß wirkte: Ein Mann nach dem anderen betrat die Bühne und bekam die Trophäe. In der Kategorie Dokumentation wurden sogar gleich zwölf Kollegen, also zwölf Männer, ausgezeichnet. Unter Frauen schwankten wir im Small-Talk danach zwischen Wüten und Witzeln: ein Mann hätte es wohl alleine nicht geschafft, es mussten gleich zwölf sein. Aber genau das war das Bittere: es wirkte wie ein closed shop, als würden die Männer es im Vorfeld unter sich ausmachen. Frauen gehörten einfach nicht dazu, keine Chance.
Heute ist das anders. Denkt man. Dachte ich. Nach dem Nannen-Preis aber bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob und was genau eigentlich anders ist. Dabei hat sich der Preis seit 2012 geschüttelt und grundlegend verändert: Frauen in der Jury, weniger Chefs, mehr Macher und Macherinnen, vor allem in der Vorjury. Es gab ja auch in diesem Jahr wie in anderen Jahren zuvor überragende Frauen unter den Preisträgerinnen. Herzlichen Glückwunsch, Caterina Lobenstein! Herzlichen Glückwunsch, Souad Mekhennet! (Und herzlichen Glückwunsch allen anderen 15 ausgezeichneten Kollegen!)
Aber: im Investigativen waren es wieder fast ausschließlich Männer unter den letzten dreien. Es waren immerhin insgesamt 17 nominiert in der Sparte “Investigative Leistung” – 16 Männer, eine Frau. Es liegt nicht an der Jury, es fehlt schon an den Einreichungen. Viel weniger Frauen reichen ihre Arbeiten ein. Und noch davor: Viel weniger Frauen arbeiten überhaupt in den investigativen Teams. Warum bloß?
Wir haben so viele Frauen im Journalismus. Es starten mehr Frauen in den Beruf als Männer, weil beim Nachwuchs die Frauen besser sind als Männer. Es gibt ganz und gar überragende Investigativ-Frauen, die in der Spitze mitspielen. Auch können wir regelmäßig lesen, wie froh Medien sind, Frauen in der Führung vorzuzeigen. Aber in der Breite der Investigativ-Ressorts ändert sich letztlich offenbar wenig. Warum bloß? Weiterlesen