Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche fordert aus humanitären Gründen die sofortige Freilassung des in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Gründers Julian Assange. Der Verband appelliert zudem an die US-Regierung, die Spionagevorwürfe gegen Assange fallenzulassen.

Seit siebeneinhalb Jahren lebt Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht mehr in Freiheit. Im Juni 2012 floh er aus Furcht vor einer Auslieferung in die USA in die ecuadorianische Botschaft in London. Nachdem Ecuador 2019 den Aufenthalt in der Botschaft beendete, nahm die britische Polizei ihn fest. Er sitzt im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, bis vor wenigen Tagen offenbar in Einzelhaft. Die USA verlangen seine Auslieferung. In wenigen Wochen, Ende Februar, soll die Verhandlung darüber vor einem Londoner Gericht beginnen. Schweden hat die Ermittlungen wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen Assange im November 2019 eingestellt, weil sich die Beweislage deutlich abgeschwächt habe, da die Vorwürfe schon so lange zurückliegen.

Die US-Regierung will Assange nach dem Spionagegesetz von 1917 anklagen, wegen der Veröffentlichung von Geheimdokumenten. Aus diesen ging u.a. hervor, dass die USA die Zahl der zivilen Opfer im Irak deutlich zu niedrig angegeben hatten und die zudem Kriegsverbrechen nahelegten. So zeigte ein Video die Tötung unbewaffneter Zivilisten. „Wikileaks hat bewiesen, dass die US-Regierung den Bürgern nicht die Wahrheit über den Krieg gesagt hat. Dieses öffentlich zu machen, ist eine zentrale Aufgabe der Medien. Wenn diejenigen wegen Spionage verfolgt werden, die Journalisten Material über gravierendes staatliches Fehlverhalten übermitteln, ist das auch ein Angriff auf die Pressefreiheit“, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche.

Netzwerk Recherche fordert die US-Regierung auf, die Anklage nach dem Spionagegesetz, nach dem Assange zu lebenslanger Haft verurteilt werden könnte, unverzüglich fallen zu lassen. Die sofortige Freilassung durch Großbritannien ist auch deswegen geboten, weil sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtert hat. Der UN-Sonderberichterstatter äußerte nach einem Besuch im vorigen Jahr, das Leben von Assange sei in Gefahr.

„Assange hat auch Dinge getan, die nach den Standards des Journalismus unverzeihlich sind“, so Julia Stein. So habe Wikileaks während des US-Wahlkampfs gehackte E-Mails von Hillary Clinton veröffentlicht und sich so dem Vorwurf ausgesetzt, sich vor den Karren russischer Hacker und Putins spannen zu lassen. Auch würden Journalisten auf die Publikation brisanter Dokumente verzichten, wenn die Rechte unbeteiligter Dritte berührt seien. „Aber hier geht es um das Prinzip: Was Assange jetzt droht, könnte in Zukunft allen Whistleblowern drohen und denen, die brisante Informationen veröffentlichen. Im Fall Assange ist deshalb auch die Solidarität der Journalisten gefragt“, so Stein.