Schluss mit „jeder gegen jeden“

Panel „Neue Netze, alte Seilschaften – Wie Freie kooperieren können“ mit Marco Heuer, Marcus von Jordan, Moderator Benno Stieber, Kathrin Breer und Tamara Anthony (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Konkurrenz ist in die DNA des Journalismus eingeschrieben. Trotzdem vernetzen sich im Internetzeitalter immer mehr Journalisten und arbeiten zusammen. Vier Projekte zeigen, wie das funktionieren kann.

Über Ländergrenzen hinweg Recherchepartner finden oder bei anderen Journalisten übernachten? Wie das geht, führte Tamara Anthony mit der Internetplattform hostwriter vor. „Die Grundidee ist Zusammenarbeit statt Konkurrenz“, sagte sie. Sie ist eine der Gründerinnen der Plattform. Sie hält nichts vom Kampf um jede Information: “Journalisten können gut zusammenarbeiten und sich beispielsweise über bereits gemachte Interviews austauschen.“ Mittlerweile gebe es schon Partnerorganisationen in verschiedenen Ländern, die das Projekt unterstützen. Eine Hürde hat hostwriter allerdings: Bevor weltweit Kontakte gesucht und Geschichten geteilt werden können, muss sich jedes Mitglied als Journalist akkreditieren. Auf diese Weise wollen sie verhindern, eine reine PR-Plattform zu werden. Weiterlesen

„I want to show it“

Panel „Echter als echt“ mit Jan Feindt und Josh Neufeld (Foto: Franziska Senkel)

Echter als echt: Comics als Medium für harte Geschichten.

„Comics Journalism“ – der Name ist Programm. In Deutschland sind in einem Comic verpackte journalistische Recherchen bisher allerdings kaum zu finden. Anders in Amerika: dort taugt das Format sogar zum Bestseller.

Ende August 2005 richtete der Hurrikan Katrina in den USA erhebliche Schäden an. Die Auswirkungen auf fünf Bürger New Orleans hat Josh Neufeld in einem ungewöhnlichen Format erzählt: in einem journalistischen Comic. Für „A.D.: New Orleans After the Deluge“ sammelte der Amerikaner Fakten rund um „Katrina“. Anhand von Berichten aus Zeitungen, Magazinen und Blogs rekonstruierte er die Geschehnisse in der Stadt; er sprach ausführlich mit den späteren Protagonisten seines Comics und bekam von ihnen Fotos. Zudem hatte er als freiwilliger Helfer in den Wochen nach dem Sturm auch seine eigenen Erfahrungen vor Ort gemacht. 2007 begann Neufeld dann, diese Informationen in Zeichnungen festzuhalten. Diese wurden zunächst als Web-Comic im Smith Magazine (http://www.smithmag.net/afterthedeluge/) veröffentlicht, 2009 dann auch als Buch herausgebracht. Weiterlesen

Die große Schwester der Krautreporter

Monika Bäuerlein (Foto: Wulf Rohwedder)

Journalistin aus Leidenschaft: Die Münchenerin Monika Bäuerlein steht an der Spitze von „Mother Jones“. Das US-Magazin ist seit 1976 das, wovon viele deutsche Journalisten noch träumen: ein gemeinnütziges Print- und Online-Journal auf solider finanzieller Basis. Wird so auch in Deutschland die Zukunft des Journalismus aussehen?

Die Beerdigungsglocken haben geläutet, der Grabstein war in Arbeit. Als in den vergangenen Jahren eine Zeitung nach der anderen starb, schien der Journalismus am Ende. Doch die Nachrufe auf den Recherche-Journalismus wurden zu früh geschrieben, da ist sich Monika Bäuerlein sicher. Die Chefredakteurin des US-Magazins „Mother Jones“ (www.motherjones.com) glaubt an die Wiedergeburt der Recherche. Weiterlesen

Wem gehören die Medien? …und wer kontrolliert sie?

Panel „Wem gehören die Medien?“ mit Fritz Wolf, Tabea Rößner, Nikolaus Brender, Moderatorin Ingrid Scheithauer, Karl-E. Hain und Uwe Grund (v.l.n.r.; Foto: Sebastian Stahlke)

Macht und Einfluss in den öffentlich-rechtlichen Sendern: Die Diskussion ist noch lange nicht vorbei.

Einer der Anlässe der viel diskutierten Frage bot sich im im November 2009. Der Vertrag des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender wurde nicht verlängert, da sich der Verwaltungsrat quer stellte. Die Mitglieder des Gremiums gehören mehrheitlich der CDU an. Im März dieses Jahres forderte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil eine „inhaltliche Vielfaltssicherung“ und mehr „Staatsferne“ seitens der Aufsichtsorgane.

Dem stimmt Nikolaus Brender zu. Die Frage,welche gesellschaftlichen Gruppen im Rundfunkrat repräsentiert sein sollten, muss ihm zufolge neu ausgehandelt werden, denn es gebe weder Migranten noch Arbeitslose in dem Gremien. Es werde so getan, als habe sich die Gesellschaft in den letzten 50 Jahren nicht geändert. Weiterlesen

Die Möglichmacher

Panel „Stipendium zur Geschichte“ mit Egmont R. Koch, Kristina Milz und Michael Billig (v.l.n.r.; Foto: Sebastian Stahlke)

Drei Geschichten, drei Förderungen: Durch das Stipendium von Netzwerk Recherche verwirklichten diese Journalisten ihre Ideen.

Mal eben nach Quatar fliegen und sich die Wohnsiedlungen der Arbeiter anschauen, die dort für deutsche Firmen schuften? Das schien der Journalistin Kristina Milz zuerst unmöglich. Als Praktikantin des Magazins „Zenith“ musste sie sich deshalb etwas einfallen lassen, um ihre Recherche zu finanzieren. Sie bewarb sich für ein Stipendium von Netzwerk Recherche – und saß nur wenige Wochen später im Flieger.

Unbürokratisch und unmittelbar soll die Unterstützung für Journalisten sein. Kristina Milz sagt: „Ohne das Stipendium hätte ich die Menschenrechtsverletzungen in Quatar nicht so konkret mit Beispielen belegen können.“ Nr-Stipendienbeauftragter Egmont Koch geht es dabei nicht nur um Geld. Er stellt Recherchierenden auch Mentoren an die Seite, die helfen, beraten und begleiten. Wann immer eine Geschichte eine neue Wendung nimmt oder überraschende Recherchehindernisse auftauchen, ist der Mentor da. Weiterlesen

Nestbeschmutzer

Die Tagungszeitung „nestbeschmutzer“ kann hier als PDF heruntergeladen (Größe 7,7 MB) oder online eingesehen werden.

Der Cybersoldat im Cyberkrieg

Panel „Was hat Snowden mit uns gemacht? – Und was machen wir mit Snowden?“ mit Luke Harding, Katja Gloger, Elmar Theveßen, Georg Mascolo und Moderatorin Annette Dittert (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Ein gutes Jahr ist nach Edward Snowdens Enthüllungen vergangen, ein Jahr in dem das Thema die Berichterstattung so bestimmt hat wie kein anderes. Unter Leitung von Moderatorin Annette Dittert diskutieren Journalisten zum Thema „Was hat Snowden mit uns gemacht? – Und was machen wir mit Snowden?

Georg Mascolo, Leiter des Rechecherverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, sagt: Journalisten haben durch Snowdens Enthüllungen festgestellt, dass „jede Email, jeder Anruf ein Risiko ist“. Dies sei ein „Zustand, der untragbar ist“. Das System der NSA sei kein Einzelfall, denn es „ist ein Prinzip, dass alle Staaten anwenden – nicht nur die USA“.

Für die USA ist Snowden kein Whistleblower. Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF sagt: „Aus Sicht der USA ist Snowden ein Fahnenflüchtiger“. Fahnenflüchtiger? Das klingt nach Krieg: „Edward Snowden ist ein Cybersoldat im Cyberkrieg der USA, ein Munitionssammler im Netz“, fügt Georg Mascolo hinzu. Weiterlesen

„Wir glauben zu sehr an die Worte alter Männer“

Panel „Streitfall Ukraine – Was läuft schief in der Berichterstattung?“ mit Natascha Fiebrig, Uwe Klußmann, Jörg Eigendorf, Katja Gloger und Moderator Volker Weichsel (v.l.n.r., Foto: Sebastian Stahlke)

Was ist schief gelaufen an der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt? Über diese Frage wurde im Panel heftig diskutiert. Natascha Fiebrig (1+1, ukrainischer TV-Sender), Uwe Klußmann (Spiegel), Jörg Eigendorf (Welt) und Katja Gloger (Stern) offenbarten in der Runde vor allem eins: Dass man schlecht gemeinsam über die Berichterstattung sprechen kann, wenn die Interpretation der Ereignisse ganz Unterschiedliche sind.„Wir werden Fakten diskutieren müssen“, begann Moderater Volker Weichsel (Herausgeber von „Osteuropa“) die Debatte. Doch genau hier lag das Problem: Die Faktenlage ist offenkundig alles andere als eindeutig. Das labile Machtgefüge zwischen der schwachen Zentralgewalt in Kiew und den pro-russischen Gebieten im Osten lässt eine Vielzahl von Interpretationen zu. Und so wurden zunächst vier Sichtweisen auf den Konflikt vorgestellt.

„Auf dem Maidan fand eine Revolution der Würde statt“, begann Natascha Fiebrig. Dann habe Russland die Krim annektiert und heize seitdem den Konflikt an. Fiebrig kritisierte die mangelnde Unterstützung der Belange der Ukraine von Seiten der EU.

Der Exot unter den Anwesenden war Uwe Klußmann – zumindest, was seine Einschätzung der Situation anbelangt. Klußmann ist Historiker, schreibt für den „Spiegel“ und war für das Nachrichtenmagazin zehn Jahre lang Korrespondent in Moskau. Seine These: „Der ukrainische Staat wurde von den Nationalisten auf dem Maidan außergerichtlich hingerichtet.“ Für Aussagen wie diese steckte er eine Menge Kritik ein. Aber es störte ihn nicht. „Damit kann ich leben.“ Weiterlesen

Journalismus aus dem Vogelhaus

An der Brille, im Post-Paket oder im Röhrenfernseher: Immer häufiger setzen Journalisten bei der Recherche technische Geräte wie versteckte Kameras oder GPS-Tracker ein. Auch Mirko Mikelski und Christian Salewski setzen auf Gadget-based reporting. Sie berichten von ihren Erfahrungen und erklären, worauf man achten muss.  Weiterlesen

Mobile Reporting – eine Anleitung zum trimedialen Arbeiten mit dem Smartphone

Panel „Mobile Reporting – Trimedial arbeiten mit dem Smartphone” mit Marcus Bösch (Foto: Sebastian Stahlke)

Wie kann ich mit dem Smartphone Fotos, Audios und Videos aufnehmen? Welche Programme gibt es? Welche Schnittsoftware sollte ich verwenden? Marcus Bösch gibt Antworten.Marcus Bösch ist Mr. Mobile Reporting. Nach einem trimedialen Volontariat bei der Deutschen Welle arbeitet er als freier Redakteur, Autor und Dozent. Er ist Geschäftsführer des Game-Studios „The Good Evil“ und entwickelt News Games. Seine Empfehlungen in aller Kürze:

Die Voraussetzungen:

  • Externe Akkus verwenden und Batterien, um dauerhaft Energie zu haben
  • Strom checken
  • Internetempfang
  • Auf Datentarif achten
  • Zwei Smartphones sind besser als eines.

Die Qualität: Weiterlesen

Tausche Couchplatz gegen Kontakte – hostwriter.org

Panel „Hostwriter – Weltweit kooperieren“ (Foto: Raphael Hünerfauth)

Die junge Plattform hostwriter.org will weltweit Journalisten vernetzen und so Rechercheallianzen ermöglichen.

Freie Journalisten haben heute viele Probleme, aber auch eine große Chance. Wie diese aussehen könnte, erläuterten Sandra Zistl, Tabea Grzesyk und Tamara Anthony, Journalistinnen und Gründerinnen von hostwriter.org auf ihrer Info-Veranstaltung. Auf der Internetplattform möchten sie Journalisten dazu ermutigen, miteinander zu kooperieren – und dabei nicht nur Schlafplätze für Recherchereisen zur Verfügung zu stellen. Wenn es nach den drei Gründerinnen geht, dann könnte in Zukunft ein großes globales Netz entstehen. In diesem greifen Journalisten bei ihren Recherche-Projekten auf Wissen und Kontakte lokal ansässiger Kollegen zurück und helfen sich bei Fragen gegenseitig weiter – gewinnen sollen dabei alle. Kooperation statt Konkurrenz lautet die Maxime hinter der stiftungsgeförderten Plattform. Weiterlesen

„Natürlich scanne ich alles“ – Sonja Peteranderl

Panel „Social Criminals – Dealer, Gangs und Kartelle im Internet“ mit Moderator Albrecht Ude und Sonja Peteranderl (Foto: Wulf Rohwedder)

Die Journalistinnen Sonja Peteranderl und Julia Jaroschewski haben mit ihrem Projekt BuzzingCities.net die Favelas von Rio in den Fokus genommen. Auch in ihrer sonstigen journalistischen Arbeit stehen für sie meistens genau die Orte auf dem Plan, die andere wohl eher meiden – wie zum Beispiel die als „gefährlichste Stadt der Welt“ in die Schlagzeilen gekommene Ciudad Juarez in Mexiko. Deren Kartellbosse sind genau wie die Bewohner der Favela immer öfter auch im Internet zu finden. Im Gespräch berichtet Peteranderl von der Sicherheit im Netz und auf den Straßen der Favelas. Jaroschewski liegt mit akutem Jetlag im Bett, erst am Vortag sind die beiden in Deutschland angekommen.

Frau Peteranderl, Sie wohnen zusammen mit Frau Jaroschewski in Rocinha, dem größten Favela in Rio de Janeiro. Außerdem recherchieren Sie online, wie Kriminelle im Internet kommunizieren, Drogengeschäfte abwickeln oder mit Waffen posieren. Haben Sie keine Angst? Weiterlesen

„Erst Mensch, dann Journalist“ – Michael Obert

Panel „Im Reich des Todes” – Die Recherchen des Leuchtturm-Preisträgers 2013 mit Michael Obert und Moderatorin Katharina Finke (Foto: Sebastian Stahlke)

Michael Obert hat mit Folterern in Ägypten und Terroristen von Boko Haram in Nigeria gesprochen. Seine Reportagen sind preisgekrönt, vor kurzem feierte er sein Regiedebüt. Ein Porträt über einen Mann, der schon komplett in einer anderen Welt eingetaucht war und erst spät seine wahre Profession gefunden hat.

Es ist ein Schlag ins Gesicht gewesen und ein harter Bruch. So beschreibt Michael Obert das Aufwachen eines Morgens in Paris im Jahr 1993.

Er hatte das, wovon viele Betriebswirte träumen: einen gutbezahlten Job, Dienstwohnung und Dienstwagen – das Leben eines erfolgreichen Managers. Doch dann kam die traumatische Erfahrung, in der Michael Obert realisierte, dass er ein interessenloser Mensch war, der mehr in seinen Beruf rein gerutscht war, als ihn zu wählen. Statt wieder jeden Tag ins Büro zu fahren, buchte er sich ein Flugticket nach Südamerika. Zwei Jahre lang tourte er durch den Kontinent und erkannte dort, was er wirklich wollte: Geschichten erzählen. Weiterlesen

You’ll never walk alone – Recherchekooperationen

Altes Prinzip im neuen Gewand: Das „Experiment“ Recherchekooperation – Redaktionsübergreifende Recherche ist derzeit en vogue. Aber ist sie wirklich journalistisches Neuland? Bericht aus zwei Veranstaltungen

Podium: „Mafia-in-Deutschland.de -eine Recherchekooperation von Spiegel, WAZ, WDR und IRPI“

Panel „Mafia-in-Deutschland.de – Eine Recherchekooperation von Spiegel, WDR, WAZ & IRPI“ mit Anna Maria Neifer, Cecilia Anesi, Jörg Diehl, David Schraven und Moderator Jochen Becker (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Stellen zwei Journalisten unterschiedlicher Medien bei ihrer Recherche fest, dass sie am selben Thema dran sind, haben sie zwei Möglichkeiten: gegeneinander arbeiten, oder miteinander. Jörg Diehl und David Schraven haben sich entschlossen, die Geschichte „Mafia in Deutschland“ miteinander zu machen – „weil wir uns so gut kannten“, sagt Jörg Diehl, Chefreporter bei Spiegel Online. Beide Journalisten waren in der Recherche schon weit fortgeschritten. Gemeinsam mit WDR-Volontärin Anna Neifer hat Schraven im Recherchepool der Funke-Mediengruppe ein Dokument mit Mitgliedern und Kontakten der Mafia in Deutschland zusammengestellt. Diese Datenbank hat der Spiegel ausgewertet. Gemeinsam mit dem WDR-Format „die story“ konnten Neifer, Schraven und Diehl ihre Geschichte um die Mafia in Deutschland auf allen Kanälen streuen – im Internet, im Spiegel, im WDR. Als sich die Recherchen nach Italien ausweiteten, holte man Cecilia Arnesi von „Investigative Reporting Project Italy“ (IPRI) dazu.
„Mafia in Deutschland“ ist das Ergebnis einer einmaligen Kooperation zwischen befreundeten Journalisten, die zufällig am gleichen Thema dran waren. Die Komplexität der Geschichte forderte mehrere Köpfe, die exklusive Geschichte sollte multimedial aufbereitet werden. Weiterlesen

Die undankbare Arbeit der Stringer

Panel „Handlanger und Lebensretter – Über die gefährliche Arbeit von Stringern in Krisengebieten“ mit Ahmed Jimale, Moderator Lutz Mükke und Joanna Itzek (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Mogadischu, 1992 – In Somalia herrscht Ausnahmezustand: Ein Großteilteil der Bevölkerung ist vom Hungertod bedroht, während sich die verfeindeten Clans erbitterte Kämpfe liefern und sich das Scheitern der UN-Mission abzeichnet. In einem solchen Chaos kann sich ein ausländischer Journalist nur mit der Unterstützung eines Einheimischen zurecht finden – den Stringern. Ahmed Jimale war einer von ihnen.

Sein erster Kontakt zur westlichen Medienwelt kam durch einen Zufall zustande: Albrecht Reinhardt, damaliger Leiter des ARD-Studios Nairobi war vor Ort und auf der Suche nach Mietwagen für sich und sein Filmteam. Ein Freund Jimales war Autovermieter, sprach allerdings kein Englisch. Also bat er Jimale, für ihn als Dolmetscher in den Verhandlungen mit den ARD-Journalisten auszuhelfen. Nach Abschluss des Autogeschäfts fragte ihn Reinhardt, ob er nicht noch bleiben und für ihn arbeiten wolle. Nachdem sich Jimale als vertrauenswürdiger Ortskundiger erwiesen hatte, wollte er  selbst filmen – und bekam spontan eine Kamera in die Hand gedrückt. „Dabei wusste ich leider überhaupt nicht, wie man so ein Ding bedient“, sagt er und lacht. Nur Wochen später sollte sein Filmmaterial von den Kämpfen in Mogadischu um die Welt gehen. Weiterlesen

Die Quotenfrau

Panel „Jung, weiblich, digital – Bestimmen Frauen die Online-Zukunft?“ mit Frauke Böger, Barbara Hans, Anita Zielina (v.l.n.r., Foto: Franziska Senkel)

Ginge es nach Frauke Böger von taz.de, hieße das Arbeitsmotto der deutschen Redaktionen: „Qualität statt Quote“. Fragt man dagegen Annette Bruhns von „ProQuote“, gäbe es schon lange eine verbindliche Frauenquote in deutschen Redaktionen.

Die beiden Frauen, jung, weiblich und digital unterwegs, bilden Gegenpositionen in einer Debatte, die seit über zwei Jahren Deutschland polarisiert: die Frage nach der Quotenfrau. Die auch vor dem Journalismus nicht Halt macht. Nicht vor Print-Redaktionen. Nicht vor Online-Redaktionen.

„Die Debatte um die Frauenquote an sich ist wichtig“, sagt Barbara Hans. „Man muss sich heutzutage rechtfertigen, wenn man keine Frauen beschäftigt.“

Trotzdem sind Frauke Böger (taz.de), Barbara Hans (Spiegel Online) und Anita Zielina (stern.de) gegen eine Frauenquote nach Bruhns‘ Vorstellungen. Mehr Frauen in Führungspositionen, das ja, aber bitte ohne „Alibi-Quote“, wie Anita Zielina sie nennt. Stattdessen müssten bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Frauen ermöglichen, Beruf und Familie zu vereinen. Weiterlesen

Grüße aus Sotschi

Arnold van Bruggen (Foto: Raphael Hünerfauth)

Zwei Niederländer berichten seit fünf Jahren über Sotschi und die angrenzenden Länder. Anstatt nur auf Spenden zu setzen, konzipierten sie Bücher und Fotoalben, um ihr Projekt nachhaltig zu finanzieren. Ihren treuen Lesern schickten sie Postkarten.

Arnold van Bruggen und Rob Hornstra kamen gerade aus Abchasien zurück, da verkündete Vladimir Putin, in Sotschi würden 2014 die Olympischen Winterspiele ausgetragen. Die beiden Reporter konnten sich nur wundern. Sotschi? Ein Bezirk in unmittelbarer Nähe zu Abchasien und Georgien, einer Pulverfassregion, geringer Lebensstandard, kaum Industrie.   Inmitten in einer umstrittenen Region. Das wollten die beiden Niederländer weiterverfolgen. Das war 2007. Es war der Startschuss für „The Sochi Project“, dem ersten Crowdfunding Projekt in den Niederlanden, das 2009 begann und noch nicht beendet ist. Weiterlesen

Rechtsschutz vor dem Ruin

Panel „David gegen Goliath – Welchen Schutz brauchen Blogger und freie Journalisten?“ mit Mats Schönauer, Stephan Zimprich, Moderator Benno Stieber und Hubert J. Denk (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Blogger und freie Journalisten haben keine Rechtsabteilung eines Verlages im Rücken, um sich gegen aggressive Anwälte und deren Klagen zu schützen. Das kann in Extremfällen zum finanziellen Untergang führen – doch es gibt Wege, sich zu wehren.

Die journalistische Nahtoderfahrung des Hubert Denk begann mit dem Brief einer Anwaltskanzlei. Betreff: Unterlassungsklage. Ein bayerischer Unternehmer wollte Denk juristisch dazu verdonnern, dass sein Artikel über eine Parteispende nicht mehr verbreitet wird. Der freie Journalist aus Passau bat die Redaktion einer bayrischen Zeitung um Hilfe, die den Text veröffentlicht hatte. „Doch die unterschrieben die Unterlassungserklärung einfach und damit war das Thema für die erledigt“, erinnert sich Denk. Rechtliche oder finanzielle Unterstützung für den langjährigen freien Mitarbeiter? Fehlanzeige. Denk musste sich selbst einen Anwalt nehmen und verlor den ersten Rechtsstreit. Doch er wollte es darauf ankommen lassen, ging in die Revision – und riskierte seinen Ruin. „Ich hatte kein Geld für ein Hauptverfahren, das waren Kosten von über 8000 Euro.“ Nur dank der Hilfe von einigen betuchten Passauern konnte Denk um sein Recht kämpfen. „Wenn das nicht geklappt hätte, wäre ich existenziell vernichtet.“ Das Gericht gab ihm am Ende recht, der Unternehmer verlor und musste die Kosten tragen. Weiterlesen

Verschlossene Auster

Laudator Alfons Kifmann, ehemalige ADAC-Sprecher (Foto: Sebastian Stahlke)

Die „Verschlossene Auster“, der traditionellen Preis für den Informations­blockierer des Jahres, geht 2014 an den ADAC. Die Journalistenorganisation Netzwerk Recherche würdigt damit das Verhalten des Automobilclubs nach den Enthüllungen über Manipulationen beim „Gelben Engel“, dem vom ADAC ausgelobten Autopreis.

„Selten hat ein Preisträger so ‚überzeugend‘ auf kritische Berichterstattung reagiert wie der ADAC nach den ersten Berichten über Missstände beim ‚Gelben Engel‘“, so Netzwerk Recherche in der Begründung. Anstatt aufzuklären, habe der ADAC nach den ersten Enthüllungen in der „Süddeutschen Zeitung“ die Medien pauschal diffamiert. Bei der Preisverleihung des „Gelben Engels“ im Januar 2014 hatte der damalige ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair die Recherchen eine „Schande für den Journalismus“ genannt.

„Als solche robusten Dementi nicht länger haltbar waren, hat sich die ADAC-Führung zwar entschuldigt, Fehler und Defizite wurden aber weiterhin nur scheibchenweise eingestanden“, heißt es in der Begründung weiter: „Bis heute ist von der angekündigten Transparenz bei Deutschlands größtem Verein noch nicht viel zu spüren.“ Weiterlesen

„Glauben Sie nie dem Archivar“

Panel „Recherchen im Gestern – Wie man historische Themen anpackt“ mit Henning Sietz, Moderator Egmont R. Koch, Rosalia Romaniec und Ingolf Gritschneder (v.l.n.r., Foto: Sebastian Stahlke)

Wie wühlt man sich durch unsauber archivierte Akten, wie kommt man an Zeitzeugen? „Recherche im Gestern“ ist kein angestaubtes Thema, sondern aktuell und gefragt wie nie. Die freien Journalisten Ingolf Gritschneder, Rosalia Romaniec und Henning Sietz berichteten von ihren Recherchen zur Zeitgeschichte.

Fast wäre seine Recherche schon am Archivar gescheitert. „Alle zwei Jahre kommt ein Journalist und fragt danach. Haben wir aber nicht“, hieß es beim Staatsarchiv in München, in dem eigentlich Akten über ein Attentat auf Adenauer im Jahr 1952 lagern sollten. Henning Sietz, als freier Journalist vor allem für die FAZ und DIE ZEIT unterwegs, war in einer Jahreschronik auf eine Notiz über das Attentat gestolpert. „Man wusste nichts darüber und das hat natürlich mein Interesse geweckt“, erzählt Sietz.

Er wälzte alte Zeitungen. Die Berichterstattung über die für Adenauer bestimmte Paketbombe, die im Polizeipräsidium München beim Versuch der Entschärfung explodierte und den Sprengmeister in den Tod riss, war nur kurz ein Thema. Sietz suchte nach den Ermittlungsakten zum Fall. Doch im Staatsarchiv München konnte man ihm nicht helfen, auch aus dem Adenauer-Haus in Bonn kam zunächst nichts Verwertbares. Doch nachträglich trudelte ein Brief ein mit einem Dokument, auf dem der Name des damaligen Ermittlungsleiters stand. Sietz machte ihn ausfindig – und der wiederum wusste noch genau, wie er die Akte damals beschriftet hatte: nicht mit „Attentat auf Adenauer“, sondern mit „Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz“. So kam Sietz doch noch an die Polizeiakte und machte aus dem Fall ein Buch. „Glauben Sie dem Archivar nie, wenn er sagt, dass er die Akte nicht hat“, resümiert Sietz. Im Staatsarchiv München treffe an manchem Tag gern mal ein ganzer Möbelwagen neuer Akten ein. „Die meisten Archivare können gar keinen Überblick über ihre riesigen Bestände haben.“ Weiterlesen

Was ist uns Recherche wert? USA und Deutschland im Vergleich

Vor einigen Jahren bereits wurde in den USA und in Deutschland der Tod des Investigativjournalismus‘ vorhergesagt. Bis Wikileaks und die Snowden-Dokumente veröffentlicht wurden. Heute liegt im Investigativen Journalismus die große Hoffnung der Journalismus. Vier Größen beider Länder blicken zurück und nach vorn.

Panel „Was ist uns Recherche wert? – USA und Deutschland im Vergleich“ mit Georg Mascolo, Seymour Hersh, Moderatorin Brigitte Alfter, Monika Bäuerlein und Andrew Lehren (Foto: Wulf Rohwedder)

Deutsche Investigativjournalisten haben einen guten Ruf als die ‚vierte Macht‘, sind untereinander aber gnadenlos. Dagegen heisst es von den US-Amerikanern, sie wühlten im Dreck und hinterließen verbrannte Erde – allerdings würden sie untereinander stärker zusammenhalten. So weit die Vorurteile.

Trotz der verschiedenen Kulturen war die Tendenz in beiden Ländern lange Zeit eindeutig: Wer investigativ arbeiten wollte, musste es entweder in seiner Freizeit tun oder seine Arbeit im Hamsterrad verringern, um recherchieren zu können. Wegen Geldmangels und großer Orientierungslosigkeit verblasste der Recherchejournalismus neben vermeintlich ertragreicheren Gattungen. Sowohl in Deutschland, als auch in den USA lagen die Grabreden für den „research journalism“ bereits in den Schubladen. Weiterlesen

Dienstleister oder Newsmaker

Panel „Datenfeuerwerke: So gelingen Weltklasse-Visualisierungen“ mit Gregor Aisch, Moritz Stefaner, Sylke Gruhnwald und Benjamin Wiederkehr (v.l.n.r., Foto: Benjamin Richter)

Geht es nach Gregor Aisch, sind Grafiker nicht länger Dienstleister: Früher ließen sich Redakteure Infografiken für ihre fertigen Geschichten bauen, heute entstehen aus Infografiken Geschichten. „Das ist anders als bei einem Fotografen, der vielleicht doch primär die Aufgabe hat, ein Foto zum Text zu liefern“, sagt Aisch. Grafikredakteure wie Gregor Aisch sind selbstständiger und kreieren eigene Stories. Anders als der klassische Journalist starten sie nicht immer mit einer Recherchehypothese: Sie finden ihre Geschichten in den Daten. Weiterlesen

„Sie wissen bestimmt, worum es geht“

Panel „Überwachte Journalisten – Wenn Geheimdienste Pressefreiheit und Informantenschutz bedrohen“ mit Stefan Buchen, Andrea Röpke, Marie Delhaes und Moderatorin Julie Kurz (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Wenn Behörden Journalisten zum Zeugen machen wollen – abgehörte Reporter erzählen

Der Anruf kam im September und auf Rügen. Andrea Röpke stapfte gerade durch den Sand und suchte eigentlich den Museums-Eingang zum NS-Koloss Prora. Dann war da diese Nummer auf ihrem Display. Am anderen Ende der Leitung: Maren Brandenburger. Eine halbe Stunde redete sie, die Verfassungsschützerin aus Niedersachsen, mit ihr, der anerkannten Expertin für Neonazismus. Am Ende des Telefonats wusste die Journalistin Andrea Röpke, dass sie überwacht worden war. Eine Stunde blieb ihr da noch, um die richtigen Entscheidungen für ihre journalistische Zukunft zu treffen. Weiterlesen

Datenjournalismus – was ist das?

„Datenjournalist? – Soso.“ Wer sich mit diesem Beruf vorstellt, erntet leicht eine Mischung aus Skepsis und Bewunderung. „Die, die mit den Zahlen sprechen“ sind nicht nur manchen Feuilletonisten suspekt. Andere Kollegen wittern ein teures Modethema, das die letzten freien Ressourcen aus der Redaktion abziehen und sich dann von selbst erledigen könnte: Internetblase, Finanzblase – und nun die Datenblase?

Es spricht viel dafür, dass sich das Outing-Gefühl für Datenjournalisten tatsächlich bald erledigen wird, allerdings in einem anderen Sinne. Nicht, dass bald ein Heer von Gleichgesinnten an ihre Seite treten wird, die echte Liebe zum Zerlegen von Datensätzen für sich entdeckt haben. Sondern viel mehr, weil zumindest datenjournalistische Grundkenntnisse zur normalen Journalistenausbildung gehören werden. Weiterlesen

„Lasst euch nicht bange machen!“

Panel „Das Schweigen der Ämter II: Praxisberichte und Tipps zum Auskunftsrecht“ mit Hans-Wilhelm Saure, Stefan Wehrmeyer, Sebastian Mondial und Moderator Manfred Redelfs (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Wie Journalisten Informationen bei Behörden einholen können: Drei Praxisbeispiele

Die Internetseite von Stefan Wehrmeyer raubt Ministerialbeamten vermutlich den Schlaf. Mit „Frag den Staat“ hat der freie Journalist eine Plattform geschaffen, die Bürgern ermöglicht Informationen zu bekommen. Wehrmeyer hilft ihnen beim Quengeln und Nachhaken. Und das lohnt sich. Über 3000 Anfragen stehen mittlerweile auf dem Portal. Auch jene, die nicht von offizieller Seite beantwortet wurden, können für Journalisten interessant sein. So kann „Frag den Staat“ zur Themen-Fundgrube werden.

„Wir versuchen, ein offenes Archiv zu sein, und kämpfen dafür, Dokumente zu veröffentlichen“, sagt Wehrmeyer über seine Seite, die Nutzern hilft Zugang zu Informationen zu bekommen und Anfragen an Behörden zu stellen. Er erkennt aber auch ein Problem: „Oft fehlt Bürgern die Kraft auf Auskunftsanspruch zu klagen oder sich die Informationen auf anderen Wegen zu beschaffen.“ Weiterlesen

„Dann geht halt wat in die Binsen“

Panel „Finanzierungsmodelle – Geld für journalistische Projekte” mit David Schraven, Moderatorin Anna Marohn, Leonie Langer und Richard Gutjahr (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Guter Journalismus und damit Geld verdienen – wie man das online hinbekommt, darüber zerbrechen sich Verlagsmanager und Medienmacher seit Jahren die Köpfe. Bezahlschranken sind das Zauberwort – sie bedeuten auch im Netz für guten Journalismus zu bezahlen. Lösungen wie Mikrobezahlsysteme oder stiftungsfinanzierte Recherchen könnten neue Wege sein.

Man kann mit Journalismus im Netz Geld verdienen – Richard Gutjahr, Journalist und Blogger, will mit dem Münchner Startup-Unternehmen „LaterPay“ dafür den Beweis antreten. Erst nachdem Kunden eine bestimmte Menge an Artikeln konsumiert haben, rechnet die Software gebündelt ab. Grundsätzlich seien Leser nämlich bereit, für Inhalte im Netz zu zahlen – wenn die Qualität der Inhalte stimme. Weiterlesen

Was nun, Krautreporter?

Panel „Krautreporter – Erfolgreich finanziert – und jetzt?“ mit Eva-Maria Schnurr, Sebastian Esser und Moderator Boris Rosenkranz (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Sie wurden totgesagt, noch ehe die Deadline verstrichen war. Als sie es dann war, ist es doch gelungen: Die „Krautreporter“ gehen online. Sie wurden am Ende für fast alles kritisiert: für ein unschlüssiges Konzept, ein liebloses Design, sogar für den Namen. Herausgeber der Krautreporter Sebastian Esser versteht das, denn „wer den Hals aus dem Fenster steckt, muss damit rechnen, dass jemand mit Tomaten wirft“.

Einiges am Konzept ist tatsächlich revolutionär. Etwa, dass die Krautreporter auf Werbung verzichten, dass sie ein ausschließliches, eigenständiges Onlineprodukt erstellen. Und die Nähe zur Community: Jeder, der sich mit 60 Euro als Mitglied beteiligt hat oder es noch vorhat, ist Leser und potenzieller Ideengeber. Mit einem Fragebogen wird jedes Profil erfasst und analysiert – momentan etwa 17.500 – und so werden die Profile zu „einer riesigen Datenbank für uns“, sagt Esser. Der Arzt beispielsweise wird vom Leser zum Informanten und Vermittler von Kontakten zu Gesundheitsthemen. Die Bezahlschranke der Mitgliedschaft verschließt nur die Kommunikation zu den Krautreportern, nicht den Zugang zu den Inhalten. Die sind online frei zugänglich. Weiterlesen

Syrien: „Die Anteilnahme in Deutschland ist wirklich enttäuschend“

Panel „Syrien: Berichten unter Lebensgefahr – Die Lage der Journalisten in Syrien“ mit Majid al-Bunni und Christoph Reuter (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Statt Werbepausen sendet der syrische Exilsender Baladna FM praktische Tipps: Die Hörer lernen, wie man Wunden versorgt oder mit knappen Vorräten eine ganze Familie versorgt. Majid al-Bunni moderiert für das Programm eine Radioshow direkt aus Berlin.

Herr al-Bunni, sie berichten für die Menschen in Syrien, leben aber in Berlin. Wie bekommen Sie da überhaupt zuverlässige Informationen aus dem Kriegsgebiet?

Das kommt darauf an, wie ich die Menschen am besten erreichen kann: Über Skype, Facebook oder Telefon. Manchmal kann man sie auch persönlich treffen, zum Beispiel an der Grenze zur Türkei. So erfährt man die neuesten Nachrichten. Es hängt also mehr von ihnen als von uns ab. Wir machen viermal pro Woche ein Liveprogramm für je eine Stunde. Trotzdem habe ich manchmal schon am Wochenende bis nach Mitternacht im Studio gesessen, nur weil ich auf einen Anruf gewartet habe. Aber ich brauchte halt das Interview oder die Informationen, und anders bekomme ich sie nicht.

Ist das für ihre Interviewpartner nicht gefährlich? Weiterlesen

„Journalismus ist kein Verbrechen“

Antonia Rados: Von der Quotenfrau zur Kriegsreporterin

Eröffnungsrede „Von der Quotenfrau zur Kriegsreporterin“ mit Antonia Rados (Foto: Wulf Rohwedder)

„Stellen Sie sich vor, Sie wären jetzt rund 3.000 Kilometer südlich von hier,“ so die RTL-Auslandskorrespondentin in ihrer Eröffnungsrede. „Sie wären in Kairo. Die Polizei sammelt alle unsere Handys ein, wir werden alle verhaftet und sehen uns im Gefängnis wieder. Denn wir, Sie alle und ich, wir sind die ‘Terrorzelle NDR/nr’.“ So geschehen mit den Kollegen von Al Jazeera, die nichts anderes gemacht haben, als zu recherchieren und zu berichten, von der ägyptischen Justiz aber als „Terrorzelle Marriott“, benannt nach dem Kairoer Hotel, in dem sie arbeiteten, zu Gefängnisstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt wurden. Journalismus als Verbrechen. Aber, so Antonia Rados: „Journalismus ist kein Verbrechen.“

Die Kriminalisierung von Journalisten findet überall auf der Welt statt. In demokratischen Staaten zwar weniger, aber auch hier werden Maulkörbe erteilt, auch hier findet eine Diskriminierung statt. Und es seien nicht nur Menschen wie Edward Snowden, die verfolgt und angeklagt werden, sondern eben auch die berichtenden Journalisten und ihre Angehörigen. Beispiel: Die Verhaftung des Lebensgefährten vom Guardian-Journalisten Glenn Greenwald auf dem Londoner Flughafen. Weiterlesen

Syrien: Reporter an der Grenze

Panel „Syrien: Berichten unter Lebensgefahr – Die Lage der Journalisten in Syrien” mit Antonia Rados, Houssam Aldeen, Moderatorin Astrid Frohloff, Majid al-Bunni und Christoph Reuter (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Kriegsberichterstattung im 21. Jahrhundert ist ebenso wichtig wie fordernd. Im Gespräch berichteten erfahrene Reporter von Problemen und Chancen der Berichterstattung aus Syrien und dem Irak.

“Wir sind gereist wie im 17. Jahrhundert, zu Zeiten des 30-jährigen Krieges. Für die 300 Kilometer nach Hula haben wir 10 Tage gebraucht, es war ein kurviger Weg.” Ein Weg auf dem Rücken von Eseln, vermummt, auf verschlungenen Pfaden, von Checkpoint zu Checkpoint – Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter schildert seinen Weg nach Hula. Hier richtete der syrische Diktator Baschar Al-Assad vor mittlerweile zwei Jahren ein grausames Massaker mit chemischen Waffen an, mehr als tausend Menschen starben. Im Gespräch mit seiner Kollegin Antonia Rados (Kriegsreporterin RTL), dem politischen Aktivisten und Radiojournalisten Majid al-Bunni (Baladna FM) und dem Produzent und Stringer Houssam Aldeen (beide aus Syrien) diskutierte Reuter über die Berichterstattung unter Lebensgefahr. Moderiert von Astrid Frohloff (Reporter ohne Grenzen) boten die vier JournalistInnen einen eindrucksvollen Einblick in die Arbeit von Kriegsberichterstattern. Weiterlesen

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