Appell von Verbänden, Sendern und Verlegern: Medienauskunftsgesetz jetzt!

Nach mehrmonatiger Debatte und einer Reihe von Expertenanhörungen stehen aktuelle Gesetzesinitiativen für ein Auskunftsrecht der Medien gegenüber Bundesbehörden scheinbar vor dem Aus. Die schon Ende September 2019 beschlossene Empfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat, eine entsprechende Gesetzesvorlage von Bündnis90/Die Grünen beziehungsweise einen Antrag der FDP abzulehnen, kommt einer Missachtung journalistischer Arbeit gleich.

Während die Landespresse- und -mediengesetze Journalistinnen und Journalisten einen Anspruch auf Auskunft und Informationsrechte zuweisen, bewegen sich Medienvertreter auf Bundesebene in einer Grauzone. In Folge eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2013 müssen sich Journalisten und Journalistinnen ihr Recht immer wieder mühsam vor Gericht erkämpfen. Dabei können sie sich nur auf Artikel 5 des Grundgesetzes berufen, was ihnen aber im Konflikt mit einer Bundesbehörde weder zeitnahe noch umfängliche Auskünfte garantiert.

Langwierige Rechtsstreitigkeiten widersprechen den Sachzwängen der Berichterstattung und behindern die Mitwirkung der Medien an der Meinungsbildung. Unwägbarkeiten des Behördenhandelns und der Rechtsprechung zermürben die Publizistinnen und Publizisten. Insbesondere kleinen Medienunternehmen und freien JournalistInnen fehlen zu solchen Rechtsstreitigkeiten auch schlicht die Kapazitäten.

Der Deutsche Bundestag sollte Journalistinnen und Journalisten Rechtssicherheit im Umgang mit Bundesbehörden nicht länger verwehren. Alle Sachverständigen, die der Ausschuss für Inneres und Heimat gehört hat, haben das Regelungsbedürfnis bejaht – aus Gründen der Rechtsklarheit, aber auch des Grundrechts und demokratiepolitischer Überlegungen wegen.

Es braucht dringend einen Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Bundesbehörden, der mindestens dem inhaltlichen und rechtlichen Niveau der Landespressegesetze entspricht. Besser wäre noch ein Informationsrecht der Medien, das unter anderem ein Recht auf Akteneinsicht sowie ein praxistaugliches Eilverfahrensrecht umfasst.

Die Verbände und Sender fordern den Deutschen Bundestag daher auf, die zentralen Anliegen des Gesetzentwurfs von Bündnis90/Grüne und des Antrags der FDP zeitnah umzusetzen. Der gesellschaftliche Auftrag der Medien und die Stärkung journalistischer Arbeit sind für unser Land von derart herausgehobener Bedeutung, dass die Debatte über das Presseauskunftsrecht nicht länger Fraktionszwang und Koalitionsräson unterworfen sein darf. Weiterlesen

Verfassungsgericht verhandelt Klage von Journalist*innen und GFF gegen das BND-Gesetz

Das Bundesverfassungsgericht wird am 14. und 15. Januar 2020 über das BND-Gesetz verhandeln. Damit rückt ein Grundsatzurteil über die Befugnisse des Geheimdienstes für dessen globale Massenüberwachung des Datenverkehrs im Internet in greifbare Nähe. Anlass für die Verhandlung ist die Verfassungsbeschwerde eines Bündnisses aus fünf Medienorganisationen, u.a. Netzwerk Recherche und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

Darf der Bundesnachrichtendienst – so wie es die Bundesregierung derzeit veranlasst – im Ausland praktisch schrankenlos Telefongespräche abhören, Internet-Verkehr auswerten und damit die Privatsphäre von Milliarden Menschen de facto abschaffen? Wie können besonders gefährdete Berufsgruppen wie Journalistinnen und Journalisten vor einer solchen Massenüberwachung geschützt werden? Fragen, über die spätestens seit den Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden weltweit diskutiert wird, werden nun in Karlsruhe verhandelt.

Das erwartete Grundsatzurteil wird das erste zur BND-Überwachung seit über 20 Jahren sein. Damit äußert sich das Bundesverfassungsgericht erstmals im Lichte der durch die Digitalisierung massiv angestiegenen Überwachungsmöglichkeiten zu dem Thema. Mündliche Verhandlungen sind beim Bundesverfassungsgericht selten und werden typischerweise bei Verfahren einberufen, die aus Sicht der Richterinnen und Richter von grundsätzlicher Bedeutung sind. So fanden beispielsweise im Jahr 2018 vor dem Ersten Senat des BVerfG nur zwei mündliche Verhandlungen statt – bei über 3.000 neu eingegangenen Verfassungsbeschwerden alleine im Ersten Senat. Weiterlesen

Aufruf: Schützt die Pressefreiheit!

Gegen die freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und André Aden wollen Hunderte Neonazis am 23.11.2019 in Hannover demonstrieren. Als Journalist*innen und Medienschaffende verurteilen wir die Drohungen und Anschläge auf unsere Kollegen. Wir rufen dazu auf, sich an den Protesten gegen die Demonstration zu beteiligen und fordern Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit.

Angriffe sind trauriger Alltag

Rechtsextreme hassen Menschen, die über ihre Veranstaltungen, Vereine, Parteien und Straftaten berichten. Die Kollegen Julian Feldmann, David Janzen und André Aden arbeiten seit über zehn Jahren als freie Journalisten und sind, wie so viele, ins Fadenkreuz der braunen Szene geraten.

Der Hass auf die Kollegen geht so weit, dass sie regelmäßig Morddrohungen erhalten. Ein hochrangiger Neonazi-Kader sprach auf mehreren Veranstaltungen über Julian Feldmann und erwähnte dabei einen Revolver, der schon bereit liege. Weiterlesen

Berliner Stammtisch Sonderausgabe: Mini-GIJC mit Hacks Hackers Berlin

Datum: Mittwoch, 13.11.2019 ab 19 Uhr
Ort: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Robert-Havemann-Saal, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Gastgeber: Netzwerk Recherche und Hacks/Hackers

Das Treffen am 13. November versteht sich als Miniversion der Global Investigative Journalism Conference (GIJC), welche Netzwerk Recherche zusammen mit dem Global Investigative Journalism Network und der Interlink Academy for International Dialog and Journalism Ende September in Hamburg veranstaltet hat.

Referenten: Weiterlesen

An attack on one is an attack on all: 1.700 Journalisten auf der Global Investigative Journalism Conference 2019

Maria Ressa mahnte: “An attack on one is an attack on all.” Foto: Nick Jaussi

Maria Ressa hatte noch kein Wort gesagt, da erhielt sie schon tosenden Beifall. Gerührt und mit Tränen in den Augen begann die Gründerin von Rappler, der furchtlosen philippinischen Nachrichten-Website, ihre Rede (Video | Volltext) – und setzte damit den Höhepunkt der Global Investigative Journalism Conference 2019. „Der Kampf um die Wahrheit ist der Kampf unserer Generation“, machte sie den Zuhörern deutlich – und appellierte an Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt, zusammenzustehen: “An attack on one is an attack on all“, mahnte die 56-Jährige. „Wenn wir nicht die richtigen Schritte nach vorne machen, ist die Demokratie, wie wir sie kennen, tot.“

Vom 25. bis 29. September 2019 hatten sich 1.700 Journalist*innen aus 130 Ländern in Hamburg versammelt, um Erfahrungen auszutauschen, von Experten zu lernen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und neue Partner für ihre nächsten Recherchen zu finden. Es war das vielfältigste und größte internationale Treffen von investigativen Journalisten – und ein perfekter Ort, um sich für neue Enthüllungen und Recherchen motivieren und inspirieren zu lassen. Eunice Au vom Global Investigative Journalism Network hat die Höhepunkte auf der Konferenz-Website zusammengefasst.

Die Konferenz fand erstmals in Deutschland statt, organisiert vom Global Investigative Journalism Network, Netzwerk Recherche und der Interlink Academy for International Dialog and Journalism. Veranstaltungorte waren u.a. die HafenCity Universität Hamburg, das SPIEGEL-Haus, das Cruise Center HafenCity, das soziokulturelle Veranstaltungsschiff MS Stubnitz, das Designzentrum Designxport – sowie der der Audimax der Universität Hamburg, wo am letzten Konferenzabend die Global Shining Light Awards für herausragende Investigationen in Entwicklungs- und Schwellenländern verliehen wurden. Ermöglicht wurde die Konferenz von namhaften Partnern, Förderern und Sponsoren und 400 Referent*innen, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen ehrenamtlich und honorarfrei teilten. 48 Prozent der Speaker und 50 Prozent der Teilnehmer*innen waren Frauen.

Zur Konferenz-Dokumentation

Global Investigative Journalism Conference in Hamburg: Mehr als 1.500 Journalisten erwartet

Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche e.V. freut sich auf mehr als 1.500 Kollegen aus 131 Staaten, die in dieser Woche zur 11. Global Investigative Journalism Conference (GIJC) nach Hamburg reisen. Die Konferenz mit rund 250 Programmpunkten beginnt am 26. September und dauert vier Tage. Sie findet in der HafenCity Universität und dem Spiegel-Gebäude statt, weitere Veranstaltungsorte sind das Kreuzfahrtterminal in der HafenCity, das Schiff MS Stubnitz sowie die Universität Hamburg, wo am Samstagabend die Shining Light Awards für herausragende Recherchen verliehen werden.

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nr-Stammtisch in Köln mit Cristina Helberg (Correctiv)

Datum: Mittwoch, der 18. September 2019 ab 19:30Uhr
Ort: Lounge in der Comedia Wagenhalle, Vondelstr. 4-8, 50677 Köln (Nähe Clodwigplatz). ACHTUNG: Der Stammtisch findet in der Lounge statt.
Gast: Cristina Helberg, Faktencheckerin und Trainerin für Recherche und Verifikation bei Correctiv

Wir freuen uns, als Gast für den nächsten Stammtisch am 18. September in Köln Cristina Helberg begrüßen zu dürfen. Sie ist Faktencheckerin und Trainerin für Recherche und Verifikation bei Correctiv. In Ihrem Vortrag wird Cristina Helberg über ihre Arbeit berichten und auch ein paar Übungen zum Mitmachen dabei haben. Bitte bringt daher eure Laptops/Tablets mit.

Zur Person: Cristina Helberg arbeitet als Faktencheckerin und Trainerin für Recherche und Verifikation. Im CORRECTIV.Faktencheck-Team recherchiert sie zu Desinformation im Netz und deckt fast täglich Falschnachrichten auf. Für die NRW-Redaktion von CORRECTIV recherchierte sie zum Medizinskandal um unterdosierte Krebsmedikamente aus Bottrop und begleitete den anschließenden Gerichtsprozess, oft als einzige Journalistin im Saal. 2019 absolvierte Cristina Helberg eine Weiterbildung in Investigativer Recherche an der Columbia University in New York. 2018 wurde sie vom Medium Magazin als „Top 30 bis 30“ – Nachwuchsjournalistin ausgezeichnet. Vorher reiste sie um die Welt, studierte Lateinamerikanistik und Sozialwissenschaften auf Kuba und in Köln, absolvierte die Zeitenspiegel Journalistenschule und arbeitete als freie Journalistin.

Das Treffen steht auch nicht-NR-Mitgliedern offen. Bitte gern weitersagen.

Herzliche Grüße
Die Kölner Stammtisch-Organisatoren
Nicole Graaf mit Catrin Behlau

‘Todeslisten’: Offener Brief an Innenminister Seehofer

Meldungen darüber, dass Journalist*innen von Rechtsextremisten bedroht werden, häufen sich. Sechs Vereinigungen von Medienschaffenden, darunter Netzwerk Recherche, wenden sich in einem offenen Brief an den Bundesinnenminister und fordern ihn auf, Vorkehrungen für ihre Sicherheit zu treffen. Eine Entwarnung wegen einzelner ‚Todeslisten‘ reiche nicht.

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Seehofer,

wie Sie wissen, beschreibt der Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention die Verpflichtung des Staates, Leben zu schützen. Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beinhaltet dies die Bringschuld der Behörden, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um eine identifizierte Person zu schützen, deren Leben durch kriminelle Akte einer anderen Person gefährdet ist. Dies bedeutet, dass der Staat jede Person über jegliche aktenkundige Bedrohung ihres Lebens informieren sowie aktiv weitere Maßnahmen ergreifen muss, wenn die Bedrohung real und unmittelbar ist.

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GIJC19

Illustration: Vincent Burmeister

Die 11. Global Investigative Journalism Conference  findet vom 26. bis zum 29. September 2019 in Hamburg statt (mit Pre-Conference-Programm am 25. September). Die Konferenz wird von Netzwerk Recherche, dem GIJN und der Interlink Academy veranstaltet. Auf Grund der hohen Nachfrage ist die Konferenz bereits ausverkauft. Wir erwarten mehr als 1.000 Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt zum größten internationalen Treffen für journalistische Recherche in der Hansestadt.

Auf der Konferenz-Website findet sich ein Überblick über das geplante Programm mit mehr als 150 Workshops, Panels und Spezialveranstaltungen. Zu den Schwerpunkten zählen u.a. Datenjournalismus und Online-Recherche, investigative Methoden und Informationsfreiheit, Cross-Border-Journalismus und internationale Vernetzung, Exiljournalismus und Pressefreiheit ebenso wie Nonprofitjournalismus und alternative Finanzierungsmodelle für Recherche. Die Liste der Speaker ist hier einsehbar [wird noch ergänzt].

# Global Shining Light Awards auf der Global Conference in Hamburg .

Auf der Global Investigative Journalism Conference in Hamburg werden die Global Shining Light Awards verliehen. Das Global Investigative Journalism Network (GIJN) hat die Finalisten bereits bekanntgegeben:
12 Investigative Projects Named as Finalists in 2019 Global Shining Light Awards

Weitere Informationen auf der Konferenzhomepage unter https://gijc2019.org

 

nr-Jahresbericht 2018

Der Jahresbericht 2018 von Netzwerk Recherche kann als pdf-Datei (7 MB) heruntergeladen werden.

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Bayerische Staatsregierung erhält Verschlossene Auster 2019

Die Verschlossene Auster 2019 geht an die Bayerische Staatsregierung. Mit dem Negativpreis zeichnet die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (nr) den Informationsblockierer des Jahres aus. Die Begründung des nr-Vorstands: Die Staatsregierung, getragen von einer Koalition aus CSU und Freien Wählern, blockiert weiterhin die Einführung eines Informationsfreiheitsrechts, wie es in den meisten Bundesländern schon existiert. Außer in Bayern fehlt das Recht zur Einsicht in behördliche Akten nur noch in Sachsen und Niedersachsen – dort ist es aber immerhin in Planung.

„Vor allem die CSU wehrt sich beständig dagegen, die Aktenschränke der Exekutive zu öffnen. Dabei geht es natürlich um Macht“, sagte Arne Semsrott, Projektleiter für FragDenStaat.de bei der Open Knowledge Foundation Deutschland, in seiner Laudatio auf den Preisträger. Vor einem halben Jahr hätte die frisch gewählte bayerische Regierung die Möglichkeit gehabt, ihr Dasein als Transparenzschlusslicht zu beenden, so Semsrott: „Die Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler, hatten in ihrem Wahlprogramm ein Informationsfreiheitsgesetz versprochen. Am Ende der Verhandlungen gab es im Koalitionsvertrag allerdings eine Leerstelle.“

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nr-Leuchtturm 2019 für Juan Moreno

Netzwerk Recherche verleiht den Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen 2019 an Juan Moreno. Die Journalistenvereinigung würdigt damit die Aufdeckung der Relotius-Manipulationen durch den freien Spiegel-Reporter. „Juan Moreno hat seinen journalistischen Kompass und seine Unabhängigkeit beispielhaft bewiesen. Er hat hartnäckig und mutig gegen Widerstände im eigenen Haus recherchiert und dabei viel riskiert – um schließlich zu enthüllen, was lange niemand wahrhaben wollte“, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche.

Juan Moreno und Laudatorin Julia Friedrichs bei der Preisverleihung. Foto: Nick Jaussi

Moreno hatte 2018 gemeinsam mit Relotius an einer Reportage über eine Bürgerwehr gegen Flüchtlinge in Arizona gearbeitet: Moreno recherchierte in Mexiko, den US-amerikanischen Part übernahm Claas Relotius. In dem unter dem Titel „Jaegers Grenze“ am 16. November im Spiegel erschienenen Beitrag entdeckte Moreno Ungereimtheiten – und sprach die Ressortleitung darauf an. Die vertraute jedoch zunächst Relotius’ Erklärungen – und so entschied sich Moreno, auf eigene Faust und auf eigene Kosten in den USA zu recherchieren. Er wies nach, dass sein Co-Autor die Protagonisten nie getroffen hatte. Es war der Anfang einer einzigartigen Enthüllung, im Zuge derer die systematischen Fälschungen des Claas Relotius nach und nach aufgedeckt wurden. Weiterlesen

Armin Wolf und das „Abenteuer Recherche“ – nr-Jahreskonferenz 2019

„Abenteuer Recherche“ – unter diesem Motto findet am 14./15. Juni 2019 die Jahreskonferenz der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche auf dem NDR-Gelände in Hamburg statt. „Die Zeiten für den Journalismus sind herausfordernd. Viele von uns müssen standhalten – gegen Einschüchterungsversuche in der Anonymität des Netzes oder im direkten Umgang“, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche, zur heutigen Veröffentlichung des (vorläufigen) Konferenzprogramms. „Deshalb freuen wir uns besonders, dass Armin Wolf wieder zu den Referenten der nr-Jahreskonferenz zählt. Dass eine Regierungspartei in Österreich ohne größere Folgen einen kritischen Interviewer attackiert und damit die Pressefreiheit infrage stellt, ist beunruhigend. Armin Wolf beugt sich nicht, sondern macht nüchtern, aufrecht und unabhängig seine Arbeit – beispielhaft und nachahmenswert.“ 2017 hatte Netzwerk Recherche Armin Wolf mit dem Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen ausgezeichnet.

Armin Wolf, Leuchtturm-Preisträger 2017, wird an der nr-Jahreskonferenz 2019 als Referent mitwirken (Foto: Andreas Domma).

Die Verleihung des Preises wird auch dieses Jahr – ebenso wie die Verleihung der Verschlossenen Auster, dem Negativpreis für den Informationsblockierer des Jahres – einer der Höhepunkte der nr-Jahreskonferenz sein. Ihre Mitwirkung zugesagt haben bisher unter anderem: Jan Philipp Reemtsma, Patricia Schlesinger, Julian Reichelt, Anja Reschke, Lutz Marmor, Julia Friedrichs, Steffen Klusmann, Barbara Junge, Christina Elmer, Brigitte Fehrle, Stephan Lamby, Janina Findeisen, Henk van Ess, Franziska Augstein, Georg Mascolo, Eva Müller, Stefan Niggemeier, Bettina Gaus, Christian Fuchs u.v.a. Weiterlesen

Global Investigative Journalism Conference 2019: Website online

2017 fand in der HafenCity Universität Hamburg (HCU) der Civil20-Gipfel statt. Im September 2019 findet hier und im benachbarten SPIEGEL-Haus die Global Investigative Journalism Conference statt. Foto: Civil20/Stephanie von Becker

Investigative Recherche, Datenjournalismus, grenzüberschreitende Kooperationen und Pressefreiheit – um sich über diese und weitere Themen auszutauschen, kommen im September 2019 mehr als 1.000 Journalistinnen und Journalisten aus über 130 Ländern nach Hamburg: zur 11. Global Investigative Journalism Conference (GIJC). Heute geht unter gijc2019.org die Konferenz-Website online, im März beginnt das Anmeldeverfahren.

Die Global Conference ist die größte internationale Tagung für journalistische Recherche. Sie findet zum ersten Mal in Deutschland statt. Träger ist das Global Investigative Journalism Network mit Sitz in Washington D.C. – ein weltweiter Verbund von 177 Journalistenorganisationen mit investigativem Fokus. Ausrichter der GIJC in Hamburg sind die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche und die Interlink Academy for International Dialog and Journalism.

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Grow-Workshop: Zauberwort „Community“

Wie baue ich rund um mein journalistisches Angebot eine Community auf? Und wie bringe ich die Mitglieder meiner Community dazu, aktiv zu werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Workshops für die Stipendiaten im Grow-Programm für Gründerinnen und Gründer im gemeinnützigen Journalismus. Bei dem Treffen in Hamburg tauschten sich die Grow-Gewinner untereinander aus, berichteten über den Fortschritt ihrer Projekte und erhielten hilfreiche Tipps und Anregungen zum Community Building von drei Expertinnen aus der Praxis.

Lisa Urlbauer von Solutions Journalism Network, Simon Jockers von Datenguide sowie Hussam Al Zaher, Sahar Reza, Melina Seiler und Franziska Bauer vom Hamburger Flüchtling-Magazin tauschten sich untereinander aus.

Zwei der geförderten Projekte stehen noch ganz am Anfang und müssen ihr Publikum erst noch finden. So möchten Michaela Haas und Lisa Urlbauer im Rahmen des Stipendiums den lösungsorientierten Journalismus in Deutschland stärken und dafür die umfangreichen kostenlosen Ressourcen des US-amerikanischen Solutions Journalism Network (z. B. Recherche-Trainings und Webinare) für deutschsprachige Journalisten übersetzen und anpassen. Und Simon Jockers und sein Team entwickeln derzeit die Plattform „Datenguide“, die amtliche Statistiken leicht auffindbar machen und verständlich aufbereiten soll. Sie richten sich mit dem Recherchewerkzeug vor allem an Datenjournalisten, Statistiker und Civic-Tech-Akteure.

Das Hamburger Flüchtling-Magazin hat dagegen schon eine große Leserschaft und zahlreiche ehrenamtliche Helfer. Allerdings versucht das Team um Hussam Al Zaher, Sahar Reza, Melina Seiler und Franziska Bauer die Reichweite im Netz und auf Papier mit rechercheintensiven Beiträgen auszubauen und so noch mehr Austausch zwischen Geflüchteten und Deutschen zu ermöglichen. Weiterlesen

nr-Stammtisch mit Bettina Fächer

Datum: Montag, den 21. Januar 2019 um 20 Uhr
Gastrednerin: Bettina Fächer (Projektleiterin, SWR.Online)
Thema: crossmediale journalistische Erzählformen
Ort: Coworking Space von Caspar UG, Berger Straße 175, 60385 Frankfurt*

Journalistische Erzählformen ändern sich durch technische Möglichkeiten. Virtuelle und erweiterte Realitäten, Chat-Bots und Sprachassistenten. Bettina Fächer entwickelt und leitet für SWR.Online von Mainz aus seit mehr als zehn Jahren crossmediale Projekte und innovative Formate. Sie erzählt uns, wie aus ihrer Sicht veränderte Nutzungsgewohnheiten und neue Zielgruppen angesprochen werden können. Möglichkeiten und Grenzen von Transmedia-Projekte, Games, Second-Screen-Anwendungen etc.

Da die Anzahl der Plätze begrenzt sind, bitten wir um Anmeldung bis zum 20. Januar per Mail an rheinmain@netzwerkrecherche.de

Infos zu den Netzwerk Recherche Stammtischen

Ermittlungen gegen Oliver Schröm einstellen und Journalisten vor Strafverfolgung schützen!

Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche fordert, die Ermittlungen gegen Correctiv-Chefredakteur Oliver Schröm umgehend einzustellen. „Es ist ein Angriff auf den investigativen Journalismus, wenn gegen Rechercheure ermittelt wird, weil diese ihre Arbeit machen“, so Julia Stein, Vorsitzende von Netzwerk Recherche.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen Oliver Schröm, in den Jahren 2011 bis 2015 selbst nr-Vorsitzender, im Zusammenhang mit seinen Recherchen zum Cum-Ex-Betrug. Der Vorwurf: Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Nach Kenntnis von Correctiv handelt es sich dabei um den ersten Fall, bei dem §17 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) auf einen Journalisten angewendet wird.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte im März ein Strafübernahmeersuchen aus der Schweiz erhalten und daraufhin mit den Ermittlungen begonnen (Details siehe Correctiv-Pressemitteilung).

Netzwerk Recherche schließt sich der Forderung an, bei der geplanten Novelle des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen eine verbindliche Schutzklausel für Journalisten vorzusehen. „Der aktuelle Entwurf gefährdet den Informantenschutz und somit die Grundlage investigativer journalistischer Arbeit“, schreibt die Correctiv-Redaktion in einem offenen Brief an Justizministerin Katarina Barley und Finanzminister Olaf Scholz. Am morgigen Mittwoch, 12. Dezember, wird der Gesetzentwurf um 15 Uhr im Rahmen einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages diskutiert.

10. Dezember – Internationaler Tag der Menschenrechte

Den heutigen Internationalen Tag der Menschenrechte nehmen wir zum Anlass, 25 Exemplare des Buches „Todesursache: Flucht. Eine unvollständige Liste“ zu verschenken. Das Buchprojekt von Anja Tuckermann und Kristina Milz wurde von vielen verschiedenen Organisationen und Initiativen – so auch Netzwerk Recherche – unterstützt. Detaillierte Informationen zum Buch und zum Projekt erhalten Sie hier: https://flucht.hirnkost.de/

Ihr könnt heute bis 17 Uhr in der Geschäftsstelle vorbeikommen (Haus der Demokratie und Menschenrechte, Aufgang A, 3.OG rechts, Greifswalder Straße 4 in 10405 Berlin) oder ein Exemplar über folgendes Formular bestellen:

 

Danke für Ihr Interesse am Buch „Todesursache: Flucht. Eine unvollständige Liste“. Leider war eine Bestellung kostenloser Exemplare nur am 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – möglich.

Als Tipp: Im Blog des Hirnkost-Verlags finden Sie weitere Informationen zum Buch und Verkaufsstellen: https://flucht.hirnkost.de/ Ihr nr-Team  

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 166, 25.10.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

belohnt wird, wer dranbleibt, am Besten über Jahre. So wie die Kolleginnen und Kollegen von Panorama, ZEIT und Correctiv, die vergangene Woche gemeinsam mit Partnerteams aus zwölf Ländern aufgedeckt haben, dass Anwälte, Bänker und Superreiche in Europa mindestens 55 Milliarden Euro Steuern erstattet bekommen haben, die sie nie gezahlt hatten.

Die "Cum-Ex-Finanztricks" sind seit Jahren immer wieder Thema von Recherchen, doch politisch hat sich wenig verändert. Im Gegenteil: offenbar laufen ähnliche Tricks unter neuen Namen einfach weiter. Wohl auch deshalb haben sich über Jahre immer wieder Quellen an die Reporter Christian Salewski und Oliver Schröm gewandt. Und Ihnen schließlich einen Stick mit 180.000 Seiten Material übergeben. Die Recherche zeigt, wie wichtig es ist, dass Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit bekommen, über Jahre zu Themen zu recherchieren - und nicht nach der ersten Story weiterlaufen müssen.

Wer mit seinen Recherchen zeigt, dass er mit Informationen verantwortungsvoll umgehen kann - und genug Biss hat, auch über Jahre gegen große Widerstände anzulaufen - der macht es potentiellen Quellen leichter, Informationen weiterzugeben. Ich glaube, dass es häufig nicht an Quellen mangelt, sondern an Reporterinnen und Reportern, denen Quellen ausreichend Kompetenz im Umgang mit ihrem Material zuschreiben. Und die gleichzeitig als Person sichtbar und ansprechbar sind für potentielle Hinweisgeber.

Recherchiert und verbreitet hat die Recherche ein internationales Team aus 19 Redaktionen, koordiniert wurde die Recherche von Correctiv. Das freut mich nicht nur für meine früheren Kolleginnen und Kollegen, sondern zeigt auch: Nicht jede große Recherche-Kooperation muss über das ICIJ laufen. Es gibt jetzt Konkurrenz, wenn es um internationale Kooperationen geht. Konkurrenz belebt auch in diesem Fall hoffentlich die Recherche.

In diesem Sinne grüßen
Daniel Drepper,
Albrecht Ude

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Von Pionieren, Korallen und Komplizen – Ergebnisse der Fachkonferenz „Journalismus? Nicht umsonst!“

Konferenz verpasst? Wir haben einen Bericht über die Ergebnisse der Tagung am 21.09.2018 in Berlin und eine Foto-Dokumentation veröffentlicht.

An diesem Tag kamen rund 100 Journalisten, Gründer, Stiftungsvertreter und Experten zusammen, um über den gemeinnützigen Journalismus und über andere neue Finanzierungsideen für den Recherche-Journalismus zu sprechen. Eingeladen hatten Netzwerk Recherche und die Schöpflin Stiftung.

Zum Bericht und den Fotos…

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 165, 26.09.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

vor einigen Tagen gab es in Deutschland die Aktion “Deutschland spricht”, bei der Bürger aus Deutschland zusammenkamen, und zwar immer zwei, die zu gesellschaftlichen und politischen Fragen ganz unterschiedliche Ansichten haben. Die Aktion, ins Leben gerufen von “Zeit Online” und unterstützt von mehreren Verlagen, scheint zunächst banal: Sind wir in einer pluralen Gesellschaft nicht dauernd umgeben von Leuten, die andere Ansichten haben als wir selbst? Aber offensichtlich ist diese Idee heute geradezu revolutionär, jedenfalls so sehr, dass immerhin der Bundespräsident die Sache unterstützt hat.

Womöglich gibt es die vielbesprochenen Filterblasen nicht nur unter Journalisten, sondern auch Bürger umgeben sich lieber mit Menschen, die denken wie sie. Wahrscheinlich suchen und konsumieren etliche dieser Menschen vor allem Informationen, die ihr Weltbild bestätigen. Insofern ist es eine tolle Idee, ins Gespräch zu kommen mit jenen, die anders sind als man selbst, und die Ansichten vertreten, die man vielleicht nicht immer sympathisch findet. Dabei kann man herausfinden, dass es für einen selbst nicht gefährlich ist, erstmal zu versuchen zu verstehen, wie der andere zu seiner Position kommt. Wenn man zugehört hat, bleibt ja Zeit für die eigenen Gegenargumente.

Eine solche Art des Diskurses scheint aus der Mode gekommen zu sein, dafür sind Pöbeleien, Hass und Beschimpfungen häufiger geworden. Kolleginnen und Kollegen werden Zielscheibe solcher Angriffe, manchmal sogar tätlicher Angriffe. Gegen solche Straftaten muss der Staat entschieden vorgehen und Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes schützen.
Wir als Journalisten, die es sich zum Beruf gemacht haben, mit anderen zu reden, müssen uns aber auch fragen, ob wir unseren Ansprüchen gerecht geworden sind. Haben wir genug gefragt, erstmal wissen wollen, was los ist, bevor wir Urteile gefällt haben? Haben wir uns überhaupt genug interessiert für die Situation und Stimmungslage anderer? Waren wir überhaupt vor Ort?

Ohne dass es hingeschrieben ist, werden die meisten an die AfD denken und an die Frage, wie Journalisten mit Wählern und Politikern der Partei umgehen sollen. Das ist nicht leicht zu beantworten, die bisherigen Erfahrungen zeigen nur, dass Ignorieren und Zurückpöbeln wenig hilfreiche Strategien sind. Weiterlesen

Werkbund Label 2018: Für Pressefreiheit kämpfen

Am 14. September wurde Netzwerk Recherche mit dem Werbund Label 2018 des Deutschen Werkbunds Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Bei der Preisverleihung im Burda Media Tower in Offenburg forderte nr-Geschäftsführer Günter Bartsch, die Presse- und Meinungsfreiheit kämpferisch zu verteidigen. Journalisten und Öffentlichkeit dürften nicht zulassen, dass Medien diffamiert werden: “Lassen wir nicht zu, dass ein transparenter Umgang mit Fehlern als Eingeständnis einer Fälschung verleumdet wird. Lassen wir nicht zu, dass ein Verfassungsschutzpräsident Medien das Recht abspricht, zu berichten, was geschieht. Lassen wir nicht zu, dass sich dieser Verfassungsschutzpräsident hinterher damit herausreden kann, er habe das ja ganz anders gemeint.”

Das Werkbund Label wird für Projekte und Initiativen vergeben, die sich durch herausragende, innovative oder gestalterische Qualitäten und soziale oder politische Vorbildfunktion auszeichnen. Die Verleihung an das Netzwerk Recherche begründete die traditionsreiche Vereinigung von Gestaltern, kulturell-gesellschaftlich engagierten Personen, Selbstständigen und Unternehmen wie folgt: “Seit seiner Gründung 2001 befasst sich Netzwerk Recherche e.V. mit zentralen medienpolitischen Fragen und setzt sich für einen glaubwürdigen Journalismus ein durch Qualität, Handwerk und gute Rahmenbedingungen bei der Recherche unter Berücksichtigung der Chancen und Herausforderungen durch neue Technologien.” Weitere Preisträger 2018 sind Die Mitfahrerbank, die Fibr GmbH, die Glashütte Lamberts Waldsassen GmbH, das Online-Magazin Marlowes, die Druckwerkstatt p98a, das Immobilienentwicklungsunternehmen Senn, die Strandbeest-Kunstobjekte von Theo Jansen, die Architekturinitiative Transfer Wohnraum und das Projekt Warka Water.

Beitrag auf der Website des Deutschen Werkbunds

Die Rede von Günter Bartsch im Volltext:

Sehr geehrte Damen und Herren,

eigentlich wollte ich Ihnen von unserer Arbeit erzählen, von unseren tatsächlich ziemlich tollen Konferenzen und Projekten. Aber als ich mich gestern Abend in den Zug gesetzt habe, hatte ich den Eindruck, dass ich meine Redezeit für etwas Dringlicheres nutzen sollte. Was jetzt folgt, ist vielleicht so etwas wie ein Notruf.

Haltung ist ein Begriff, mit dem sich viele Journalisten schwer tun. Ich bin vor knapp 20 Jahren bei der Allgäuer Zeitung zum Redakteur ausgebildet worden. Dass Journalisten „objektiv“ berichten sollten, sich „nicht gemein machen“ sollten – das wurde mir früh eingeimpft. Und das ist natürlich auch heute nicht falsch. Aber mein Eindruck ist: das reicht nicht mehr. Auch wir Journalisten müssen kämpfen. Kämpfen, damit uns die Feinde der Demokratie ein Grundrecht – die Presse- und Meinungsfreiheit – nicht Stück für Stück zerstören.

Jürgen Braun von der AfD sprach gestern im Bundestag. An den Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz gerichtet sagte er:

„Wie können Sie allen Ernstes bestreiten, dass es Medienfälschungen gröbster Art unmittelbar nach Chemnitz und in den Tagen danach gegeben hat? Die ARD-Tagesthemen haben diese Fälschungen selber zugegeben, sie aber verschwurbelt einen ‘Fehler’ nur genannt, ein ‘Versehen’. Wo gezielt gröhlende Horden zusammengeschnitten worden sind mit friedlichen Demonstranten, um übelste Propaganda gegen freiheitlich denkende Menschen zu machen, die sich über einen Mord beklagt haben.“ Weiterlesen

nr18: Trainingscamp, Diskussionsforum, Eckkneipe

Einen Preis für MeToo-Berichterstattung, einen Preis für einen verschlossenen Bürgermeister und jede Menge Workshops, Debatten und Gespräche – das war die nr18.

Ein Rückblick von Jonathan Gruber

Der verstorbene Mitbegründer des Netzwerks Recherche Thomas Leif sagte einmal, recherchierende Journalistinnen und Journalisten seien keine einsamen Wölfe, sondern zögen ihre Stärke aus der Arbeit im Team. Ende Juni traf sich dieses Team mal wieder zur Netzwerk-Recherche-Jahreskonferenz (nr18) in Hamburg.

In über 100 Veranstaltungen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem über Frauen im Journalismus, die Zukunft des Lokaljournalismus und die Nähe zur Politik, lernten in Workshops etwas über investigative Recherche und Datenjournalismus und begegneten dabei allerlei bekannten und neuen Gesichtern.

Vor allem neue weibliche Gesichter. Netzwerk-Recherche-Vorstandsmitglied Kuno Haberbusch erzählte, dass bei der ersten Konferenz vor 18 Jahren alle Referenten männlich gewesen seien. In diesem Jahr lag der Frauenanteil auf den Podien immerhin bei 42 Prozent. Es war eines der großen Themen der nr18: die Rolle der Frau im Journalismus. Laut Angabe der Initiative Pro Quote war noch vor sechs Jahren bei der Süddeutschen Zeitung nur knapp jede 25. Führungsperson eine Frau, mittlerweile sei es jede Fünfte. In der ARTE-Programmkonferenz sind die acht stimmberechtigten Mitglieder dagegen immer noch allesamt männlich. Pro Quote drängt auf ein 50:50-Verhältnis in den Führungspositionen. Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer sagte, sein Magazin habe genau solchen Druck von außen gebraucht, um sich zu verändern und mehr Frauen Verantwortung zu übertragen (mehr zum Thema im Beitrag von Isolde Fugunt).  Weiterlesen

Gleichberechtigung fängt in der Journalistenausbildung an

Foto: Nick Jaussi

Ein Gastbeitrag von Isolde Fugunt

Ein Frauenanteil von 45 Prozent auf den Podien – und mehr Moderatorinnen als Moderatoren. Darauf waren die Organisatoren der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche in Hamburg stolz. Haben wir jetzt also alles erreicht? Können wir das Thema Gleichberechtigung damit abhaken? Noch nicht ganz, findet Journalistenausbilderin Isolde Fugunt (ifp):

Wenn ich jemandem am ersten Tag bei #nr18 erzählte, dass ich dieses Jahr neben Datenjournalismus ganz viele Panels im Bereich Frauen besuchen würde, erntete ich bisweilen mitleidige Blicke – nicht wegen #ddj. Oder bildete ich mir das nur ein? Denn auch mein eigener kleiner Karriere-Teufel verhöhnte mich: Hier gibt’s so viele spannende Themen und Du beschäftigst Dich damit? Mit Journalistinnen-Netzwerken? Mit der gerechten Verteilung von Journalistenpreisen? Mit Frauen in Führungspositionen? Spätestens im Panel zum Thema „Journalistenpreise“ und Frauen hat sich dann bestätigt, dass diese Konzentration eine Dummheit sein könnte: Denn viel zu viele Frauen schreiben über weiche Themen (Frauen, Pflege, Kinder, Familie und so weiter) und überlassen die harten, die die als gesellschaftlich relevant gelten, ihren männlichen Kollegen. Unter anderem deshalb gewinnen Frauen wohl auch weniger Preise. Texte von Frauen und über Frauen wolle ja auch kein Mann lesen, sagte ein Diskussionsteilnehmer. Ich glaube ja eher, dass Männer sehr wohl Texte von Frauen und über Frauen lesen würden, wenn es diese in ausreichender Zahl gäbe. Machen Sie sich mal den Spaß und zählen Sie im Spiegel Nr. 25 (Zufall) die Autorinnen und Autoren (21:80) sowie die abgebildeten Frauen und Männer (31:113). Ich will Spiegel-Chef Klaus Brinkbäumer gerne glauben, dass in den Führungsetagen auf der Ericusspitz seit kurzem alles besser ist. Er müsse schon gar nicht mehr darüber nachdenken, eine Frau zu befördern, hat er im Führungspositionen-Panel gesagt. Die sind jetzt nämlich automatisch immer schon dabei, wenn der Spiegel nach den besten Leuten für einen Job in Führungsposition suche. Aber sein Heft, sorry, ist ein Männer-Heft. Dieses Missverhältnis wird übrigens schon in der Ausbildung eingeübt: Ich muss zugeben, dass unsere Ausbildungsprojekte hinsichtlich der Gesprächspartner auch oft Männer-Dossiers sind. Weiterlesen

Verschlossene Auster 2018 für den Bürgermeister von Burladingen

Der Negativpreis “Verschlossene Auster” von Netzwerk Recherche für den Informationsblockierer des Jahres geht in diesem Jahr an den Bürgermeister von Burladingen in Baden-Württemberg. Der AfD-Politiker Harry Ebert erhält die Auszeichnung für seinen selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit der örtlichen Presse.

Weil Harry Ebert die Berichterstattung der Lokaljournalisten nicht gefiel, überzog er sie mit einem regelrechten Strafkatalog: Er verweigerte sich Interviews, ließ Anfragen unbeantwortet und wies städtische Mitarbeiter an, nicht mit der Presse zu sprechen. Er ließ im Amtsblatt der Stadt gegen die örtlichen Journalisten wettern und drohte mit dem Entzug von Abonnements, falls eine unliebsame Reporterin nicht abgezogen werde. Weiterlesen

Leuchtturm-Preis 2018 für MeToo-Rechercheteam der ZEIT

Der „Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche geht in diesem Jahr an das MeToo-Rechercheteam der ZEIT und des ZEITmagazins. Damit würdigt der Verein die Recherchen und Veröffentlichungen der ZEIT zur Affäre um Dieter Wedel.

Jana Simon, Annabel Wahba und Christian Fuchs erhalten – stellvertretend für das gesamte Team – den mit 3.000 Euro dotierten Preis auch für ihren vorbildlichen Umgang mit den Regeln der Verdachtsberichterstattung. Anstatt vorschnell Gerüchte in die Welt zu setzen, recherchierten sie akribisch über Monate hinweg die Vorwürfe der Vergewaltigung und sexuellen Belästigung gegen den Regisseur und Filmproduzenten Dieter Wedel. Die veröffentlichten Texte überzeugten durch ihre sachliche, an den Fakten orientierte Darstellung der Rechercheergebnisse, die in ihrer Dichte eine immense Wucht entfalteten. Dank der Arbeit des ZEIT-Rechercheteams kam die in den USA nach den Enthüllungen rund um Harvey Weinstein gestartete MeToo-Debatte endgültig auch in Deutschland an.

Die Vorsitzende von Netzwerk Recherche, Julia Stein: „Es ist den Autorinnen und Autoren der ZEIT zu verdanken, dass mit ihrer Recherche ein altes Wertesystem ins Wanken geraten ist: Was an Sexismus und bisweilen sogar an Despotismus lange hingenommen wurde, darf nun nicht mehr sein. Für das Unrecht der Vergangenheit gibt es durch diese Veröffentlichung einen neuen Gradmesser. Bemerkenswert – und auch sehr erfreulich – ist, dass an dieser Recherche vor allem Frauen beteiligt waren, die doch im Investigativen sonst meist leider unterrepräsentiert
sind.“ Weiterlesen

nr-Jahresbericht 2017

Der Jahresbericht 2017 von Netzwerk Recherche kann als pdf-Datei (8 MB) heruntergeladen werden.

Bündnis Transparentes Hessen: Gesetzentwurf zu Datenschutz und Informationsfreiheit völlig unzureichend

Der Gesetzentwurf zu Datenschutz und Informationsfreiheit, der am morgigen Donnerstag im Innen- und Unterausschuss Datenschutz des Hessischen Landtags behandelt wird, ist in der jetzigen Form völlig unzureichend. So lautet das Urteil des Bündnisses „Transparentes Hessen“, das sich für einen besseren Informationszugang von Bürgerinnen und Bürgern an Verwaltungsinformationen einsetzt. Der Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen sieht das im Koalitionsvertrag versprochene offene und transparente Verwaltungshandeln nicht erfüllt. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 158, 21.02.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

am 4. März will die SPD verkünden, ob sie eine GroKo möchte. Die Inhalte sind längst auf dem Tisch, der 177-seitige Entwurf für einen Koalitionsvertrag ist öffentlich; er wird das Leben von mindestens 80 Millionen Menschen für die nächsten vier Jahre bestimmen. Doch wer sich die Berichterstattung der vergangenen Wochen ansieht, der liest, hört, sieht vor allem Beiträge über Posten und Personen, nicht über Inhalte.

Wer bei den Verhandlungen den Längeren zieht, wie der neue Finanzminister heißt, wer Vorsitzende wird – das betrifft die meisten Bürger kaum. Viel spannender wären Recherchen und Analysen zu den großen Projekten der GroKo. Was wird für wen besser, was schlechter? Dieser Fokus auf den Bürger ist aufwändig, er braucht Fachwissen, Ausdauer und Recherche. Diesen Fokus gibt es viel zu selten.

Wie wichtig es ist, dass (Recherche-)Redaktionen sich auf die Anliegen aller Bürger konzentrieren, dass sie divers aufgestellt sind, dass sie nicht von weißen, in der Oberschicht sozialisierten Männern dominiert werden – das zeigt auch #metoo. In Deutschland reden wir fast ausschließlich über den Fall Dieter Wedel. Die Diskussion zu sexualisierter Gewalt ist verglichen mit den USA meilenweit zurück. Das liegt auch daran, dass hier bislang kaum jemand harte Recherchen dazu veröffentlicht hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies anders wäre, hätten wir mehr Frauen im investigativen Journalismus – und mehr Frauen in journalistischen Führungspositionen. Auf der Jahreskonferenz des Netzwerk Recherche werden wir uns am 29./30. Juni diesen Herausforderungen widmen.

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Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 157, 24.01.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es ging mal wieder alles rasend schnell – die Nachricht von Thomas Leifs Tod, sie zischte durch die Medien. In die Welt gesetzt durch einen Tweet – ausgerechnet. Hauptsache Erster sein, eine Todesnachricht zu verbreiten? Es ist befremdlich, erst recht, weil der Tod von Thomas Leif ja schon ein paar Tage zurücklag und nichts näher lag als die Frage, warum die Information darüber bislang nicht veröffentlicht worden war. Alle, die frühzeitig vom Tod erfahren hatten, schwiegen und respektierten den Wunsch der Familie, den Zeitpunkt der Nachricht selbst zu bestimmen. Das Gute ist – am Ende ist der Tweet unwichtig und vergessen. Was dagegen hängen bleibt, sind wie immer die wahren Würdigungen und die präzisen Porträts, die wir lesen durften.

Wir trauern um Thomas Leif, unseren Gründer, der uns mit dem Netzwerk Recherche etwas Großes hinterlassen hat.

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