Professionelle Interviews als journalistische Qualitätstreiber

interviewkulturennr-Fachkonferenz
19.-21. November 2008, Berlin, Evangelische Medienakademie

Zur Dokumentation der Fachtagung in Form der nr-Werkstatt gelangen sie hier.


Programm
Programmblatt (pdf, 200 KB)

Professionelle Interviews sind wesentliche Bedingungen und Erfolgsgaranten für alle journalistischen Produkte. Interviews als Werttreiber im Journalismus werden in der Weiterbildung aber oftmals vernachlässigt. Ausgehend von diesem Defizit wollen wir bei der Fachtagung „Interviewkulturen” mit erfahrenen Profis über ihr Handwerk, die redaktionelle Vorbereitung und Begleitung diskutieren. Bei dieser Fachtagung handelt es sich nicht um eine „Konsum-Konferenz”, die als schnelles Vademecum für „bessere Interviews” dienen könnte. Voraussetzung für die Teilnahme ist vielmehr eine intensive Vorbereitung der Tagung und eine aktive Mitwirkung während der Konferenz.

Fragen stellen gehört zum Alltagsgeschäft im Journalismus. Folglich fühlt sich fast jeder professionelle Fragesteller kompetent, doch die wenigsten Interviewer beherrschen ihr Handwerk: „Die Journalisten haben das Fragen verlernt”, konstatiert Michael Haller bereits 2001. „Seitdem die Printmedien – im Nachgang zu den elektronischen – die Darstellungsform des Interviews wieder entdeckt haben, treten die Schwächen und Schwierigkeiten im Umgang mit dieser Form deutlich zutage”, urteilt der Leipziger Journalistik- Professor. In der Tat sind die wenigsten Journalisten in ihrer Kernkompetenz, effiziente und zielgerichtete Fragen zu stellen, hinreichend geschult – noch vermögen sie Interviews zu gestalten, die wirklich lesens- bzw. hörens- oder sehenswert ist.

Doch gründlich vorbereitete Interviews sind wesentliche Bedingungen und Erfolgsgaranten für alle journalistischen Produkte. Ohne effektive und gleichzeitig sorgfältige Befragungen mit dem notwendigen Einfühlungsvermögen und Know-How sind Beliebigkeit, Missverständnisse und Ziellosigkeit vorprogrammiert – oder aber der Reporter wird von der Gegenseite „geführt”.

Doppelte Aussageleistung – zweifacher Informationswert

Für den Empfänger (Leser, Hörer, Zuschauer) bietet das Interview als Darstellungsform zudem einen wesentlichen Vorteil: Er erfährt nicht nur, was gesagt wird, sondern auch, wie diese Aussagen zustande kommen – und erhält so noch einen ganz anderen Eindruck von dem Interviewten – und somit ein authentischeres Bild. Als Spiegelbild der Gesellschaft sind Interviews hervorragend geeignet, die journalistische Kultur zu fördern: Historisch betrachtet haben sie sich nach dem Ende des Nationalsozialismus aus ihrer dienenden Rolle befreit (vgl. dazu Haller, Das Interview : 21ff.), doch inzwischen – so sind sich Experten einig – scheint die Interviewkultur wieder gefährdet zu sein: anstelle streitbarer, kritischer Nachfragen finden wir häufig Gefälligkeitsinterviews (vgl. dazu auch Peter Linden im Gespräch mit Friedrich Küppersbusch. In: Schweizer Journalist, Journalisten-Werkstatt: Das Interview, Verlag Oberauer). Das liegt an einer Reihe von Faktoren – nicht zuletzt aber an dem massiven PR-Druck.
Die nr-Fachtagung bietet Handwerk und Analyse, Reflexion und Diskurs

Bei der Fachtagung „Interviewkulturen” wollen wir mit erfahrenen Profis über ihr Handwerk, die redaktionelle Vorbereitung und Begleitung intensiv diskutieren. Eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern, die sich mit einer eigenen Analyse (eines Interviewers, einer Sendung oder eines Formats) auf dieses Seminar vorbereitet hat, profitiert von der dichten Gesprächsatmosphäre, in der professionelle und prominente Interviewer anschaulich und offen berichten. Der Reiz und der Innovationscharakter der Tagung besteht in der intensiven workshop-Atmosphäre. Es geht nicht um technische Belehrung, sondern um gut strukturierte Reflexion und persönlichen Austausch.

Das theoretisch-wissenschaftliches Rüstzeug liefert Professor Dr. Michael Haller, während Peter Merseburger, Altmeister der Fernsehbefragung, in die „Die Kunst des Interviewens” einführt. David Crawford, Reporter beim Wallstreet Journal, wird die deutsche Interviewführung mit der angelsächsischen Tradition vergleichen. Das besondere Augenmerk gilt der Talkshow: Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Kommunikation in politischen Talkshows erfahren die Teilnehmer der Fachkonferenz aus erster Hand, wie die Talkshows von Anne Will, Jörg Thadeusz, Maybrit Illner vorbereitet werden: In Werkstatt-Gesprächen analysieren wir gemeinsam das Interviewer-Profil und die Dramaturgie dieser Sendungen.

Aber auch Vertreter aller anderen Sparten wie Print (Arno Luik, stern und Regine Sylvester, Berliner Zeitung), Hörfunk (Jochen Spengler, Deutschlandfunk; Steffi Radke, SWR), Magazin (Galore-Chefredakteur André Boße) und Multimedia (FOLGE-mag, Frerk Lintz) kommen zu Wort. Von der Vorbereitung über die Dramaturgie bis hin zur Durchführung werden alle Aspekte berücksichtigt. Außerdem wollen wir über die Aufbereitung von Printinterviews und die hierzulande gängige Autorisierungspraxis sprechen – und wie es gelingt, ihre Fallstricke zu vermeiden.
Verbindliche Teilnahme-Voraussetzung

ist die schriftliche Analyse eines Interview-Profils einer Sendung (in Hörfunk oder TV über mehrere Folgen hinweg bzw. die Arbeit eines Interviewers) und das Lesen des Tagungs-Readers. Diese intensive Vorbereitung dient als Gesprächsgrundlage, um auf dieser Basis zu diskutieren und so den maximalen Nutzen dieser Tagung für alle Beteiligten zu sichern.