Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 140, 17.08.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich wuenschte, es gaebe noch das Sommerloch. Denn in Zeiten des Sommerlochs war es doch einfacher, das Wichtige und Richtige vom Unwichtigen und Falschen zu trennen. Heute ist das nicht mehr so, denn es gibt schlicht keine Pause mehr. Weil sich eine solche Pause niemand mehr leisten kann. Weil eine solche Pause dem System widerspricht, in dem wir alle arbeiten.

Politiker lassen sich ihre Pausen moeglichst gar nicht erst anmerken: Kommentieren weiterhin, allzeit bereit, oder laden sich die Journalisten gleich direkt an ihren Urlaubsort ein. Als sei die mediale Praesenz die einzige Waehrung ihres politischen Geschaefts. Und die Medien koennen sich in Live-Ticker-Zeiten einen Stillstand oder eine Themenflaute noch viel weniger erlauben. Unsere digitale DNA macht ein Sommerloch unmoeglich.

Also laeuft die Maschine, tagein, tagaus. Und wir stuerzen uns auf das, was uns wichtig erscheint, natuerlich. Berichten in Echtzeit und nahezu ungefiltert ueber alles rund um die Amoklaeufe – und begeben uns dabei auch noch in einen medialen Wettkampf, wer die meisten Details zutage foerdert. Aus dem Privatleben des Amoklaeufers. Ueber die Verbindungen zum Terrorismus und zum IS. Oder ueber einige Jugendliche, die sich im Internet “auf das Morden vorbereiten” wie die FAS vor einigen Wochen in ihrem Aufmacher enthuellte. Was wir aber mit diesen zuweilen nur vermeintlich relevanten Recherchen bewirken, was fuer eine Aufmerksamkeit wir damit schaffen, darueber diskutieren wir wie immer erst hinterher. Immerhin tun wir es gerade jetzt ausgiebig und kontrovers. Weiterlesen

nr unterstützt Kampagne gegen neues BND-Gesetz

Netzwerk Recherche unterstützt gemeinsam mit einem internationalen Bündnis von Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbänden und Medien die globale Kampagne, um ausländische Journalisten außerhalb der EU vor Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst zu schützen. Ziel der von Reporter ohne Grenzen initiierten Aktion ist es, eine entsprechende Schutzklausel in der Neufassung des BND-Gesetzes durchzusetzen, über die der Bundestag derzeit berät. Die Unterzeichner des Aufrufs halten die globale Massenüberwachung des BND für einen Verstoß gegen die Menschenrechte. In der Überwachung ausländischer Journalisten sehen sie einen schwerwiegenden Angriff auf die Pressefreiheit weltweit. In den kommenden Wochen können Menschen auf der ganzen Welt eine mehrsprachige Online-Petition unterzeichnen, die von den beteiligten Organisationen unterstützt wird und Mitte September den Fraktionen von CDU/CSU und SPD übergeben werden soll.

Direkt zur Online-Petition: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/petition-bnd-de/
Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 139, 25.07.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

es sind turbulente, auch erschuetternde Tage, die uns alle in den Wochen nach unserer Jahrestagung in Hamburg aufwuehlen: Attentat in Muenchen, Terror in Nizza, Putschversuch in der Tuerkei, toedliche Schuesse in den USA, der Dopingskandal in Russland oder das Erschrecken ueber die Gewalttat in einem Zug bei Wuerzburg. Und dazu die wichtigen, uns noch lange beschaeftigenden Themen wie Brexit, Fluechtlingspolitik, IS-Terror, Dieselaffaere, TTIP und viele mehr. Wir Journalisten sind gefordert. Wir muessen recherchieren, berichten, einordnen und sollen erklaeren, was manchmal nicht erklaerbar ist. Und das immer ganz schnell, bisweilen viel zu schnell.

Gleichzeitig kaempfen wir um unsere Glaubwuerdigkeit, sind konfrontiert mit Hetzparolen (nicht nur) im Netz, sorgen uns um Finanzierungsmodelle fuer den Journalismus der Zukunft.

Was also tun? Eigentlich ganz einfach: Unseren Job. Wissend, dass in all der Hektik auch Fehler passieren koennen – die wir dann auch transparent korrigieren sollten.
Wissend, dass viele unserer Arbeit misstrauen – aber da geht es manch anderer Berufsgruppe nicht anders. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 138, 27.06.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir erleben seit Jahren eine Krise nach der anderen. Krisenzeiten sind eigentlich gute Zeiten fuer Journalisten, weil die Menschen informiert sein wollen, wenn die Welt sich aendert. Doch der Journalismus steckt selbst in der Krise – in einer oekonomischen und in einer Vertrauenskrise. Das Geschaeftsmodell von immer mehr Printmedien zerbroeselt, ohne dass erkennbar waere, was an die Stelle des alten treten koennte. Gleichzeitig nehmen mehr Menschen als frueher uns Journalisten als Teil von “denen da oben” wahr und kuendigen ihr Interesse an unserer Arbeit.

“An der Grenze” heisst deshalb das Motto der Jahrestagung von Netzwerk Recherche, die in zwei Wochen wie immer auf dem Gelaende des NDR in Hamburg stattfindet.

“An der Grenze” waren manche von uns, die ueber Fluechtlingscamps und Fluchtrouten berichteten. An der Grenze der Ratlosigkeit sind manche Kollegen aber auch im Umgang mit den Rechtspopulisten der AfD. Viele Kolleginnen und Kollegen vor allem in Regional- und Lokalzeitungen schliesslich sind an der Grenze, was ihre Arbeitsbedingungen angeht. Weiterlesen

nr-Stammtisch Berlin: Die Keylogger-Affäre in der „taz”

Martin Kaul und Sebastian Erb berichten über ihre Recherche im eigenen Haus

Martin Kaul und Sebastian Erb haben die Hintergründe der Keylogger-Affäre aufbereitet und sind den Spuren von Sebastian Heiser gefolgt. Sie gingen der Frage nach: Warum hat Heiser Kollegen in der taz ausgespäht? Was stand dahinter? Zu den Opfern gehörten auffallend viele junge Frauen.

Wir wollen mit Martin Kaul und Sebastian Erb über ihre Erfahrungen rund um die Affäre sprechen und wie der Fall das Redaktions-Klima in der taz verändert hat. Hintergründe zum Fall gibt es hier:
taz – Dateiname LOG.TXT
detektorFM – Ist das gerecht? 

Der Berliner Stammtisch findet am Mittwoch, dem 20. Juli (ab 19 Uhr) im Recherchebüro von Correctiv statt (Singerstraße 109, 10179 Berlin). Weiterlesen

nr-Leuchtturm für Can Dündar

Can Duendar (tuerkischer Journalist, Dokumentarfilmer und Buchautor)

Can Dündar, Leuchtturm-Preisträger 2016. Foto: Franziska Senkel

„Der Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche geht in diesem Jahr an Can Dündar. Der Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet wird für die mutigen Recherchen seiner Zeitung sowie für seinen Kampf um die Pressefreiheit ausgezeichnet. Obwohl ihm knapp sechs Jahre Haft drohen, kämpft er weiter für die Meinungsfreiheit in der Türkei. Das Netzwerk Recherche ehrt mit dem Preis an Dündar auch die gesamte Redaktion seiner Zeitung.

Vergeben wird der „Leuchtturm“ im Rahmen der zweitägigen Jahrestagung von Netzwerk Recherche beim NDR in Hamburg. Die Verleihung findet am Freitag, 8. Juli 2016, um 16.30 Uhr statt. Can Dündar wird persönlich anwesend sein. Die Laudatio wird der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, halten.

Wir haben Can Dündar bereits vor wenigen Tagen getroffen und ihm gratuliert. Hier das Interview mit Can Dündar zur Auszeichnung und zur Wirkung des Preises.

Weiterlesen

Stipendium abgeschlossen: lokale Umweltbelastung in Nordbaden

Patricia Klatt hat ihr Recherche-Vorhaben abgeschlossen, das von der Olin gGmbH gefördert und von Netzwerk Recherche betreut wurde. Sie ist der lokalen Umweltbelastung in Nordbaden bei Rastatt auf den Grund gegangen. Dort ist das Grundlage auf einer Anbaufläche von 345 Hektar mit per- und polychlorierten Chemikalien (PFC) verseucht. Klatts Artikel ist in der badischen Lokalzeitung „Kontext“ erschienen; Rundfunkbeiträge im SWR sind in Vorbereitung. Patricia Klatts Artikel „Zeitbombe Trinkwasser“ hier lesen: KONTEXT:Wochenzeitung, 04. Mai 2016.

Informationen zu den Umwelt-Recherchestipendien von Netzwerk Recherche und der Olin gGmbH

Recherchen gemeinsam gefördert

Zum ersten Mal unterstützen Netzwerk Recherche und die Karl-Gerold-Stiftung gemeinsam ein Recherche-Vorhaben. Jenny Marrenbach geht auf Haiti den Ursachen der Cholera-Epidemie von 2010 nach, bei der mehr als 10.000 Menschen ums Leben kamen. Der Ausbruch der Seuche, soviel steht fest, ging auf nicht fachgerecht entsorgte Fäkalien aus einem Camp der UN-Friedensmission in Haiti (MINUSTAH) zurück.
In Haiti formierte sich heftiger Widerstand gegen die Blauhelme, die bereits im Vorfeld wegen verschiedener Missbrauchs- und Vergewaltigungsfälle in die Kritik geraten waren. Eine Organisation von Menschenrechtsanwälten bereitete im Namen von 5000 Cholera-Opfern eine Klage gegen die Vereinten Nationen vor. Darin enthalten waren Forderungen zum Schadensersatz, die Verpflichtung der UN, in Haiti ein funktionierendes Abwassersystem zu installieren und eine offizielle Entschuldigung an die haitianischen Opfer. Ein langer Rechtsstreit begann, bei dem die UN kategorisch jegliche Verantwortung abstritt.

Das Stipendium von Jenny Marrenbach wird von Netzwerk Recherche (2.000 €) und von der Karl-Georld-Stiftung gefördert (1.200 €). Die Autorin, die inzwischen aus Haiti zurück gekehrt ist, wird auf der Jahreskonferenz von nr über das Projekt berichten.

Khadija Ismajilowa nach eineinhalb Jahren Haft freigelassen!

Freiheit für Khadija Ismayilova, Anar Mammadli und andere Journalisten und Menschenrechtsaktivisten forderten wir auf der Demo vor dem Kanzleramt im Januar 2015. (Foto: Senkel)

Das Oberste Gericht in Aserbaidschan reduzierte die Strafe der Journalistin Khadija Ismajilowa heute von siebeneinhalb auf dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug und setzte sie zur Bewährung aus. Sie unterliegt weiterhin Reiseverbot und weiteren Einschränkungen. Das Gericht sprach die ehemalige Leiterin des Radio Free Europe/Radio Liberty von den Anklagepunkten Untreue und Machtmissbrauch frei, bestätigte aber die Strafen für illegales Unternehmertum und Steuerhinterziehung.

„Wir freuen uns mit Khadija Ismajilowa über ihre Freilassung, aber dieses Urteil kann nur ein erster Schritt zu ihrer Rehabilitierung sein“, kommentierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Khadija Ismajilowa hätte keinen einzigen Tag hinter Gittern verbringen dürfen. Alles andere als eine vollständige Aufhebung ihrer Strafe bleibt eine Justiz-Farce. Nach wie vor sitzen in Aserbaidschan Journalisten und Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.“

Netzwerk Recherche schließt sich der Protastaktion von Reporter ohne Grenzen vor der Aserbaidschanischen Botschaft in Berlin an. Am Freitag (27. Mai, 11 Uhr) – zum 40. Geburtstag von Khadija Ismajilowa – fordern wir die vollständige Aufhebung ihrer Strafe. Weitere Informationen zu Khadija Ismajilowa und der Protestaktion: auf der ROG-Website.

Informationen zu Khadija Ismajilowa und ihren Projekten erhalten Sie auch auf der Website „Free Khadija Ismayilova“ der not-for-profit-Organisation Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP).

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 137, 25.05.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in den vergangenen Monaten haben wir Journalisten viel ueber unsere Haltung debattiert, untereinander und auch mit Lesern, Hoerern und Zuschauern. Es ging um die Berichterstattung ueber Fluechtlinge und die Frage, wann es richtig und wichtig ist, Haltung zu zeigen. Es ging auch darum, ob eine politische Einstellung den Blick auf die Wirklichkeit verengen kann. Es gab die “Luegenpresse”-Choere und einen Vertrauensverlust in die Medien, leider bei mehr Menschen als den Pegida-Anhaengern.

Die Ankunft einer grossen Zahl von Fluechtlingen in Deutschland war eine besondere Situation, in der viele Journalisten auf neue Art und Weise ihre Rolle gesucht, ueberdacht und hinterfragt haben.

Es gibt aktuell ein weiteres, verwandtes Thema, das uns dazu bringt, ueber unsere Rolle nachzudenken: Wie umgehen mit Rechtspopulisten? Das ist kein Problem, das nur deutsche Journalisten haben: In den USA ist der republikanische Praesidentschaftsbewerber Donald Trump auf dem Vormarsch, in Oesterreich die rechte FPOe und in Deutschland ist die AfD bereits in acht Landesparlamenten vertreten.

Journalisten wurde bereits der Vorwurf gemacht, sie haetten geholfen, die AfD gross zu machen, schon weil deren Politiker haeufig in Talkshows eingeladen wurden. Also besser ignorieren?

Dass das keine Loesung ist, merkten Politiker der etablierten Parteien als sie vor den Landtagswahlen im Maerz TV-Gespraechsrunden mit AfD-Politikern boykottierten. Das kam beim Publikum nicht gut an. Auch die Strategie, AfD-Vertreter mit ‘knallhart’ gefuehrten Interviews entlarven zu wollen, funktionierte nur selten. Im Gegenteil, manchmal gewannen AfD-Leute noch Sympathien, weil sie von Journalisten so deutlich aggressiver angegangen wurden als andere Gespraechspartner. Weiterlesen

nr-Stammtisch zum Thema Investigativer Journalismus

Berliner Stammtisch mit Mark Lee Hunter

Datum: Mittwoch, 18. Mai 2016 ab 19 Uhr
Gastredner: Mark Lee Hunter, Gründungsmitglied des Global Investigative Journalism Network
Thema: Investigativer Journalismus: neue Akteure & neue Geschäftsmodelle
Ort: Correctiv (Singerstr. 109, 10179 Berlin).

Wir möchten Sie herzlich zum nächsten Treffen unseres Berliner Stammtischs einladen. Unser Gesprächspartner am Mittwoch, dem 18. Mai (ab 19 Uhr) ist Mark Lee Hunter .

Mit dem Beginn der Krise der Nachrichtenindustrie zu Beginn des 21. Jahrhunderts traten neue Akteure im investigativen Journalismus auf den Plan. Diverse Gruppen, Verbünde und Büros – beispielsweise Greenpeace oder soziale und politische Aktivisten – versuchen, ihre eigenen Ziele durch ihre eigenen Medien zu fördern. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 136, 21.04.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Hinter uns liegen verrueckte Tage: der islaendische Ministerpraesident ist zurueckgetreten. In England kaempft David Cameron um seine politische Zukunft. Gegen den argentinischen Praesidenten ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die UEFA-Zentrale wurde durchsucht. In China arbeitet die Zensurbehoerde auf Hochtouren, damit niemand mitbekommt, dass die chinesische Elite zu den Stammkunden Mossack Fonsecas zaehlt, der nunmehr beruehmten Kanzlei in Panama. Und vermutlich war das noch lange nicht alles an Reaktionen und Ermittlungen, die die PanamaPapers hervorgerufen haben. Wahnsinn.

All das vollzog sich schlagartig, wie beim Domino. Ein Stein folgte auf den naechsten, schneller als man gucken konnte. Taeglich gab es neue Nachrichten zu dem Datenleck. Am allerschnellsten aber hatten sich die Kritiker zu Wort gemeldet. Die PanamaPapers waren noch nicht einmal 24 Stunden lang veroeffentlicht, da wurde schon gemeckert, ob das jetzt schon alles sei, warum es so intransparent laufe, warum nicht einfach alle Daten sofort vollstaendig veroeffentlicht wuerden, warum man ueberhaupt Namen nenne, warum, warum, warum. Auf dem direkten Weg erreichten uns diese Fragen allerdings nicht.

Zur Transparenz: Ich bin befangen, denn ich habe mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen mitgearbeitet an der Auswertung der PanamaPapers in Deutschland. Als ich die Kritik im Netz erst Tage spaeter realisierte, habe ich gestaunt: Wie schnell einige Kollegen in der Lage sind, ihr Urteil zu faellen. Wie reflexhaft in der Sekunde der Veroeffentlichung schon bewertet wird. Daumen hoch, Daumen runter. Es ist offenbar ein Wert, sofort alles besser zu wissen. Weiterlesen

nr-Stammtisch zu Rosssmann-Recherchen

Berliner Stammtisch mit Hans-Martin Tillack

Datum: Mittwoch, 4. Mai 2016 ab 19 Uhr
Gastredner: Hans-Martin Tillack, Journalist beim stern und Buchautor
Thema: Rosssmann-Recherchen
Ort: Correctiv (Singerstr. 109, 10179 Berlin).

Wir möchten Sie herzlich zum nächsten Treffen unseres Berliner Stammtischs einladen. Unser Gesprächspartner am Mittwoch, dem 4. Mai (ab 19 Uhr) ist Hans-Martin Tillack, einer der bekanntesten investigativen Journalisten im Land. Hans-Martin Tillack ist im Berliner Büro des stern verantwortlich für investigative Recherche. Nach dem Studium der Soziologie und Politologie arbeitete er zunächst fünf Jahre lang als Redakteur für die „tageszeitung“. 1993 wechselte er in das Bonner Büro des stern. Von 1999 bis 2004 war er EU-Korrespondent des stern in Brüssel.

Gemeinsam mit seiner Kollegin Laura Himmelreich hat Hans-Martin Tillack monatelang zu den Arbeitsbedingungen bei einem Subunternehmen der Drogeriekette Rossmann recherchiert. Roßmann verweist gern auf die guten Löhne und Arbeitsbedingungen in seinem Unternehmen – über die Potsdamer promota.de, das Unternehmern firmierte bis vor kurzem als Iostore Solutions Services GmbH (ISS), lässt er mehrere tausend Regaleinräumer per Werkvertrag in den Drogerien seines weit verzweigten Imperiums werkeln. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns erhalten die Angestellten 8,50 Euro in der Stunde. Bis Ende 2014 bekamen die Regaleinräumer teilweise lediglich 6,63 Euro (West) bzw. 6,12 Euro (Ost) pro Arbeitsstunde. Weiterlesen

Panama Papers – weltweite Recherche-Kooperationen und jede Menge Daten

Seit einigen Tagen schlottern weltweiter Prominenz – vom Staatschef bis zum Fußballstar – die Knie. Die Panama Papers bringen lang unentdeckte Offshore-Geschäfte ans Licht, decken versteckte Milliarden auf und bringen einiges ins Wanken. Sie erhöhen den nötigen politischen und gesellschaftlichen Druck, Steueroasen trockenzulegen. Und sie zeigen auf, wie wichtig guter Recherche-Journalismus ist.

Was innerhalb des letzten Jahres hinter verschlossenen Türen recherchiert wurde und heute als unvergleichbare Enthüllungsgeschichte Wellen schlägt, begann mit einer kurzen E-Mail an das Investigativteam der Süddeutschen Zeitung. Aus der ersten Nachricht des „John Doe“ wurde eine stetig wachsende Datensammlung geleakter Informationen über die Geheimnisse der Kanzlei „Mossack Fonseca“, die von Panama City aus anonyme Briefkastenfirmen gründet: Zur Vertuschung großer Vermögen etwa, zur Geldwäsche, zur Finanzierung von Krieg und Terror oder der Umgehung von Sanktionen. Circa 2,6 Terabyte groß ist die Datenmenge, die der anonyme John Doe nach und nach an die Journalisten schickte. Schon früh war klar, dass dieser Berg an Informationen nicht von einer einzelnen deutschen Redaktion ausgewertet werden kann. Weiterlesen

Stipendium abgeschlossen: Folgen des Kohleabbaus in Kolumbien

Linda Tutmann hat ihr Stipendium abgeschlossen, das von der Olin gGmbH finanziert und von Netzwerk Recherche betreut wurde. In ihrer Geschichte „Ovidio Orozco wird blind“, die in der ZEIT erschienen ist, erzählt sie über die ökologischen und medizinischen Folgen des Abbaus von Kohle in Kolumbien. Auch deutsche Energiekonzerne importieren zunehmend der Kohle aus Südamerika, um ihre Meiler zu befeuern. Die Folgen für die Umwelt und, mehr noch, für die Gesundheit der Arbeiter sind katastrophal.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 135, 21.03.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

sind ja “nur” Umfragen, wird schon nicht so schlimm kommen. So dachten viele vor der Wahl am letzten Wochenende. Es kam, wir wissen es jetzt alle, noch schlimmer. Es sei ein Schock fuer die etablierten Parteien, ein Denkzettel, ein Fanal. So die Botschaft der Politik. Ratlosigkeit macht sich breit. Garniert mit wuetenden Kommentaren und gelegentlicher Nachdenklichkeit.

Was also tun? Diese Frage richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an uns, die Medien. Wie umgehen mit einer Partei, deren Funktionaere und auch Waehler oftmals nicht nur die in der Verantwortung stehenden Parteien verachten, sondern auch uns als “Luegenpresse” beschimpfen. Oder – um es mit Frauke Petry zu sagen – als “Pinocchio-Presse”. Macht es nicht besser. Es bleibt perfide. Umso irritierender, dass ausgerechnet sie sich in festlicher Robe als Gast auf dem Bundespresseball praesentieren darf – umringt von Journalisten und im Blitzlichtgewitter der Fotographen. Vielleicht sollten auch einige von uns sich mal ueberlegen, mit wem man feiert, wem man eine solche Buehne bereitet. Weiterlesen

Initative „Open Web Index“ – vorgestellt von N. Huss und A. Ude

Berliner Stammtisch mit Nikolaus Huss und Albrecht Ude

Datum: Mittwoch, 30.03.2016 ab 19 Uhr
Gastredner: Nikolaus Huss (Sprecher der Initiative Open Web Index) und Albrecht Ude (Journalist)
Ort: Correctiv (Singerstr. 109, 10179 Berlin).

Offener Web-Index

Quelle: openwebindex.eu/

Suchmaschinen nutzt Jede und Jeder, jeden Tag. Aber was haben die mit Politik zu tun, mit Autonomie, mit wirtschaftlicher Entwicklung und mit gesellschaftlichem Fortschritt. Daran denkt man ja erst mal nicht, wenn man sich die naechste Pizzeria googlet.

Der Kern einer Suchmaschine ist ihr „Index“, eine Datenbank, die das Internet abbildet und durchsuchbar macht. Dabei sind die Moeglichkeiten der Einflussnahme und des Filterns gross. Das merkt man schon, wenn man schaut, wo die grossen Suchmaschinen sitzen: in den USA (Google, Bing), in Russland (Yandex) und in der VR China (Baidu) – nicht zufaellig Machtzentren dieser Welt.

Wo ist da Europa? Wir stellen die Initative „Open Web Index“ (OWI) vor, die einen offenen, europaeischen Webindex auf den Weg bringen soll. Und wir erlaeutern, was das fuer recherchierende Journalisten an Moeglichkeiten bedeutet.
Weitere Infos und zur Anmeldung bitte hier klicken.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 134, 24.02.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

diese Woche koennen wir alle ins Kino gehen und uns exakt 40 Jahre nach dem Watergate-Film “All the Presidents Men” erneut fuer einige Helden des investigativen Journalismus begeistern: “Spotlight” laeuft in Deutschland an, der Film ueber die investigative Einheit der US-Tageszeitung “Boston Globe”, die im Jahr 2001 damit begann, den Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche von Boston aufzudecken. Ausgehend von einer kleinen Nachricht ueber einen paedophilen Priester hat der neue Chefredakteur, der nicht mit den Honoratioren verbandelt war, das Spotlight-Team an die Recherche gesetzt. Die Reporter fanden nach langen Recherchen heraus, dass es nicht nur einen, sondern neunzig (!) Priester gab, die Kinder missbrauchten und die vom Bischof gedeckt wurden. Der “Globe” bekam dafuer im Jahr 2003 den Pulitzer Preis. Weiterlesen

Das Zugunglück von Bad Aibling und die Medien – Thema auf nr-Fachtagung

Aus aktuellem Anlass haben wir das Zugunglück von Bad Aibling zusätzlich ins Programm der nr-Fachtagung “Im Visier der Meute – Journalistische Recherche zwischen Fairness und Exzess” (11.–13. März, Tutzing) genommen. Moritz Schwegler, der am 9. Februar in einem der Züge saß und körperlich nahezu unverletzt blieb, und seine Mutter, die Medienjournalistin Petra Schwegler, werden mit Rudolf Bögel (Chefredakteur der tz) über das Agieren der Journalisten neben den Wracks diskutieren.

Anmeldungen für die Tagung sind noch möglich, allerdings stehen im Haus der Akademie für Politische Bildung keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung. In Tutzing gibt es aber mehrere Gasthäuser und Hotels; der Teilnehmerbeitrag reduziert sich ohne Übernachtung.

Zur Konferenz-Seite…

Dokumentation zur Fachkonferenz Daten-Labor

In 24 Beiträgen fassen Studierende des Wissenschaftsjournalismus die Ergebnisse der Fachkonferenz Daten-Labor an der Technischen Universität Dortmund zusammen: Porträts der Referenten und Artikel zu verschiedensten Themen – vom perfekten Datenteam bis zum algorithmengetriebenen Journalismus – geben interessante Einblicke in den Datenjournalismus und zeigen, wo es Berührungspunkte zu verschiedenen Wissenschaften gibt. Alle Beiträge unter: nrch.de/datenlabor15doku

Einige Highlights:

Profil ist nicht alles – aber ohne Profil ist alles nichts!

Berliner Stammtisch mit Prof. Bascha Mika

Datum: Mittwoch, 24.02.2016 ab 19 Uhr
Gast: Prof. Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau
Ort: Correctiv (Singerstr. 109, 10179 Berlin).

Foto_Bascha_Mika_01092014_KopfWir möchten Sie herzlich zum nächsten Treffen unseres Berliner Stammtischs einladen. Unser Gast im Februar ist Bascha Mika. Sie ist seit 2014 Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, nachdem die Zeitung 2013 kurz vor der Insolvenz vom Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung übernommen wurde.
Mit Bascha Mika wollen wir darüber sprechen, wie ein Comeback der journalistischen Qualität die Frankfurter Rundschau wieder zum Erfolg führt.

Weitere Infos und zur Anmeldung bitte hier klicken.

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 133, 25.01.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

als im vergangenen Sommer die Zahl der Fluechtlinge massiv zunahm und pro Tag mehrere Tausend Menschen ueber die Grenzen in Bayern kamen, stieg auch die Zahl der Leserbriefe, die Redaktionen von Tageszeitungen, Magazinen und Sendern erreichten. Die Schreiber warnten vor dramatischen Folgen einer massenhaften Einwanderung, der angeblichen Verantwortungslosigkeit Angela Merkels und kaum loesbaren Problemen mit den Neuankoemmlingen. Eine ganze Reihe dieser Briefe war unertraeglich im Ton. Der Vorwurf, den sie an uns, die Journalisten richteten, war es, dass wir diese Probleme verschweigen wuerden, oft tauchte das Wort Luegenpresse auf. Viele dieser Schreiber unterstellten, wir waeren ein PR-Kartell, dessen Ziel es sei, die Politik der Kanzlerin medial zu flankieren. Diese Briefe kamen offensichtlich nicht nur von Pegida-Freunden, sondern auch aus dem buergerlichen Leser- und Zuschauermilieu, immer wieder erreichten mich Briefe mit der Frage, warum wir Straftaten von Fluechtlingen verschweigen wuerden. Vielleicht noch besorgniserregender: Auch die andere Seite glaubte dies. In Hintergrundgespraechen lobten hohe Repraesentanten des Staates, wie verantwortungsbewusst es doch sei, dass Medien Straftaten ignorierten, bei denen Fluechtlinge als Vergewaltiger oder Gewalttaeter aufgefallen waren. Umfragen bestaetigen, dass ein erheblicher Teil unserer Leser das Vertrauen in unsere Objektivitaet verloren hat. Weiterlesen

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 132, 21.12.2015

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Es fing schrecklich an, das journalistische Jahr 2015: am Morgen des 7. Januar riefen zwei schwerbewaffnete maskierte Maenner “Allah ist gross”, dann erschossen sie elf Menschen. Mit ihrem Kugelhagel beerdigten sie auf einen Schlag eine ganze Redaktion, sie quaelten ein ganzes Land und erschuetterten Journalistinnen und Journalisten weltweit. Ueberwaeltigend war die Solidaritaet mit Charlie Hebdo: “Je suis Charlie” – einer fuer alle, alle fuer einen! Aber die Wunde klafft bis heute – und keine Solidaritaet dieser Welt kann sie schliessen. Allenfalls uebertuenchen liessen sich die Schreckensmeldungen von damals, von neuen Nachrichten – so zynisch ist es. Weiterlesen

Stipendium abgeschlossen: Waldprojekt verdrängt Bauern

Susanne Götze hat ihr von der Olin gGmbh finanziertes und von nr betreutes Projekt abgeschlossen und auf Spiegel Online veröffentlicht. Sie besuchte ein Aufforstungsprojekt in Kikonda/Uganda und macht an diesem Beispiel deutlich, wie fragwürdig solche Vorhaben des Klimaschutzes sind. In Kikonda entstand eine Kiefernplantage, eine Monokultur, nicht einmal ein Wald, als Kompensation für Kohlendioxid-Ausstoß in anderen Regionen der Welt. Die Bäume stehen kilometerlang in Reih und Glied. Da es zwischen ihren kahlen Stämmen kaum schützendes Gras gibt, hat sich die Wildfauna zurückgezogen. „Die Viehhirten klagen, dass ihre Tiere in den Plantagen erkranken und Kühe missgebildete Kälber zur Welt bringen“, sagt Götze. Das könne an dem Herbizid liegen, dass rund um die Jungbäume versprüht werde.

Recherchestipendium abgeschlossen: Der Schmuggel mit Markenzigaretten

Robert Schmidt und Mathieu Martiniere haben ihre mit einem nr-Stipendium geförderten Recherchen zum internationalen Zigarettenschmuggel abgeschlossen und in einem Beitrag für den Tagesspiegel veröffentlicht. Sie untersuchen die Rolle der Tabakkonzerne auf dem Schwarzmarkt in Montenegro. Über das kleine Land auf dem Balkan gelangen viele unversteuerte Zigaretten in die Europäische Union. Fazit der beiden Autoren: Die Hersteller profitieren durchaus von den Geschäften der Tabakmafia.

Zum Artikel im Tagesspiegel

Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 131, 23.11.2015

### Inhaltsverzeichnis. Weiterlesen

Olin-Stipendien: Zusammenarbeit verlängert

UmweltstipendienSlider-verlaengertDie gemeinnützige Olin gGmbH in Berlin, die sich der Förderung von Umweltprojekten verschrieben hat, wird Netzwerk Recherche auch im Jahre 2016 Fördermittel für die Vergabe von Stipendien zur Verfügung stellen. Mit insgesamt 30.000 € sollen 6 bis 8 Recherchevorhaben aus dem Naturschutz- und Umweltbereich unterstützt werden.

Wer sich um ein Olin-Stipendium bewerben möchte, kann sich mit einem formlosen Antrag an die Geschäftsstelle von Netzwerk Recherche wenden. Der Vorstand entscheidet dann nach Rücksprache mit Olin über die Vergabe der Mittel. Netzwerk Recherche stellt den Stipendiaten auch einen erfahrenen Mentor zur Seite, der das jeweilige Projekt betreut.

Zu den Informationen über das Stipendium Umwelt/Ökologie.

Ein Überblick über bereits geförterte Projekte erhalten Sie hier.

Videomitschnitte Datenlabor15

Datenlabor-VideosDie Videomitschnitte aus dem Saal der Konferenz und der Einspieler von Marco Maas Vortrag in Hamburg: Youtube Datenlabor15-Playlist

Algorithmen — Wer kontrolliert die neuen Machthaber?

****Hintergrundwissen: Beitrag von der Jahreskonferenz 2015****

„Die klassiche Aufgabe investigativer Journalisten ist es, die Machthaber in Wirtschaft und Politik zu kontrollieren. Inzwischen haben sich Algorithmen, die gewaltige Datenmengen auswerten, zu den neuen Machthabern unserer Gesellschaft entwickelt. Die automatisierten Entscheidungen dieser Algorithmen müssen ebenso aufmerksam kontrolliert werden wie andere einflussreiche Akteure.“ So Nicholas Diakopoulos in seinem Bericht für das Tow Center for Digital Journalism der Columbia University.

Nur: Wie identifiziert man relevante Algorithmen? Welchen Aufwand muss man treiben, um sie sinnvoll zu analysieren? Wie müsste das organisiert sein – in Teams aus Journalisten und Informatikern? Was würde es kosten, und wer bezahlt es? Schließlich: Können Journalisten wirklich Algorithmen prüfen? In diesem Panel der Jahrestagung von Netzwerk Recherche diskutiert Matthias Spielkamp (Rights.info) mit dem investigativen Datenjournalisten Sebastian Mondial (DIE ZEIT) und den beiden Informatik-Professoren Kristian Kersting (TU Dortmund) und Katharina Anna Zweig (TU Kaiserslautern).

Goldene Regeln im Daten-Design? — Wann es hilft, sie zu brechen

****Hintergrundwissen: Beitrag von der Jahreskonferenz 2015****

Was geht und was nicht, scheint in der Datenvisualisierung eigentlich klar zu sein. Dreidimensionale Diagramme zum Beispiel sind verpönt, Wordclouds gelten als verboten. Doch in der Praxis werden die Regeln ständig gebrochen – und das sogar sehr erfolgreich, wie die Projekte von Gregor Aisch regelmäßig zeigen. Seit 2014 arbeitet er als Graphics Editor bei der New York Times, auf der Jahrestagung von Netzwerk Recherche gibt er Einblicke in seine Projekte: Wann ist es okay, die Komfortzone einfacher Balkendiagramme zu verlassen? Und wie gelingen ungewöhnliche Darstellungsformen?

 

ZurückWeiter