Grüße aus Sotschi

Arnold van Bruggen (Foto: Raphael Hünerfauth)

Zwei Niederländer berichten seit fünf Jahren über Sotschi und die angrenzenden Länder. Anstatt nur auf Spenden zu setzen, konzipierten sie Bücher und Fotoalben, um ihr Projekt nachhaltig zu finanzieren. Ihren treuen Lesern schickten sie Postkarten.

Arnold van Bruggen und Rob Hornstra kamen gerade aus Abchasien zurück, da verkündete Vladimir Putin, in Sotschi würden 2014 die Olympischen Winterspiele ausgetragen. Die beiden Reporter konnten sich nur wundern. Sotschi? Ein Bezirk in unmittelbarer Nähe zu Abchasien und Georgien, einer Pulverfassregion, geringer Lebensstandard, kaum Industrie.   Inmitten in einer umstrittenen Region. Das wollten die beiden Niederländer weiterverfolgen. Das war 2007. Es war der Startschuss für „The Sochi Project“, dem ersten Crowdfunding Projekt in den Niederlanden, das 2009 begann und noch nicht beendet ist. Weiterlesen

Rechtsschutz vor dem Ruin

Panel „David gegen Goliath – Welchen Schutz brauchen Blogger und freie Journalisten?“ mit Mats Schönauer, Stephan Zimprich, Moderator Benno Stieber und Hubert J. Denk (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Blogger und freie Journalisten haben keine Rechtsabteilung eines Verlages im Rücken, um sich gegen aggressive Anwälte und deren Klagen zu schützen. Das kann in Extremfällen zum finanziellen Untergang führen – doch es gibt Wege, sich zu wehren.

Die journalistische Nahtoderfahrung des Hubert Denk begann mit dem Brief einer Anwaltskanzlei. Betreff: Unterlassungsklage. Ein bayerischer Unternehmer wollte Denk juristisch dazu verdonnern, dass sein Artikel über eine Parteispende nicht mehr verbreitet wird. Der freie Journalist aus Passau bat die Redaktion einer bayrischen Zeitung um Hilfe, die den Text veröffentlicht hatte. „Doch die unterschrieben die Unterlassungserklärung einfach und damit war das Thema für die erledigt“, erinnert sich Denk. Rechtliche oder finanzielle Unterstützung für den langjährigen freien Mitarbeiter? Fehlanzeige. Denk musste sich selbst einen Anwalt nehmen und verlor den ersten Rechtsstreit. Doch er wollte es darauf ankommen lassen, ging in die Revision – und riskierte seinen Ruin. „Ich hatte kein Geld für ein Hauptverfahren, das waren Kosten von über 8000 Euro.“ Nur dank der Hilfe von einigen betuchten Passauern konnte Denk um sein Recht kämpfen. „Wenn das nicht geklappt hätte, wäre ich existenziell vernichtet.“ Das Gericht gab ihm am Ende recht, der Unternehmer verlor und musste die Kosten tragen. Weiterlesen

Verschlossene Auster

Laudator Alfons Kifmann, ehemalige ADAC-Sprecher (Foto: Sebastian Stahlke)

Die „Verschlossene Auster“, der traditionellen Preis für den Informations­blockierer des Jahres, geht 2014 an den ADAC. Die Journalistenorganisation Netzwerk Recherche würdigt damit das Verhalten des Automobilclubs nach den Enthüllungen über Manipulationen beim „Gelben Engel“, dem vom ADAC ausgelobten Autopreis.

„Selten hat ein Preisträger so ‚überzeugend‘ auf kritische Berichterstattung reagiert wie der ADAC nach den ersten Berichten über Missstände beim ‚Gelben Engel‘“, so Netzwerk Recherche in der Begründung. Anstatt aufzuklären, habe der ADAC nach den ersten Enthüllungen in der „Süddeutschen Zeitung“ die Medien pauschal diffamiert. Bei der Preisverleihung des „Gelben Engels“ im Januar 2014 hatte der damalige ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair die Recherchen eine „Schande für den Journalismus“ genannt.

„Als solche robusten Dementi nicht länger haltbar waren, hat sich die ADAC-Führung zwar entschuldigt, Fehler und Defizite wurden aber weiterhin nur scheibchenweise eingestanden“, heißt es in der Begründung weiter: „Bis heute ist von der angekündigten Transparenz bei Deutschlands größtem Verein noch nicht viel zu spüren.“ Weiterlesen

„Glauben Sie nie dem Archivar“

Panel „Recherchen im Gestern – Wie man historische Themen anpackt“ mit Henning Sietz, Moderator Egmont R. Koch, Rosalia Romaniec und Ingolf Gritschneder (v.l.n.r., Foto: Sebastian Stahlke)

Wie wühlt man sich durch unsauber archivierte Akten, wie kommt man an Zeitzeugen? „Recherche im Gestern“ ist kein angestaubtes Thema, sondern aktuell und gefragt wie nie. Die freien Journalisten Ingolf Gritschneder, Rosalia Romaniec und Henning Sietz berichteten von ihren Recherchen zur Zeitgeschichte.

Fast wäre seine Recherche schon am Archivar gescheitert. „Alle zwei Jahre kommt ein Journalist und fragt danach. Haben wir aber nicht“, hieß es beim Staatsarchiv in München, in dem eigentlich Akten über ein Attentat auf Adenauer im Jahr 1952 lagern sollten. Henning Sietz, als freier Journalist vor allem für die FAZ und DIE ZEIT unterwegs, war in einer Jahreschronik auf eine Notiz über das Attentat gestolpert. „Man wusste nichts darüber und das hat natürlich mein Interesse geweckt“, erzählt Sietz.

Er wälzte alte Zeitungen. Die Berichterstattung über die für Adenauer bestimmte Paketbombe, die im Polizeipräsidium München beim Versuch der Entschärfung explodierte und den Sprengmeister in den Tod riss, war nur kurz ein Thema. Sietz suchte nach den Ermittlungsakten zum Fall. Doch im Staatsarchiv München konnte man ihm nicht helfen, auch aus dem Adenauer-Haus in Bonn kam zunächst nichts Verwertbares. Doch nachträglich trudelte ein Brief ein mit einem Dokument, auf dem der Name des damaligen Ermittlungsleiters stand. Sietz machte ihn ausfindig – und der wiederum wusste noch genau, wie er die Akte damals beschriftet hatte: nicht mit „Attentat auf Adenauer“, sondern mit „Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz“. So kam Sietz doch noch an die Polizeiakte und machte aus dem Fall ein Buch. „Glauben Sie dem Archivar nie, wenn er sagt, dass er die Akte nicht hat“, resümiert Sietz. Im Staatsarchiv München treffe an manchem Tag gern mal ein ganzer Möbelwagen neuer Akten ein. „Die meisten Archivare können gar keinen Überblick über ihre riesigen Bestände haben.“ Weiterlesen

Was ist uns Recherche wert? USA und Deutschland im Vergleich

Vor einigen Jahren bereits wurde in den USA und in Deutschland der Tod des Investigativjournalismus‘ vorhergesagt. Bis Wikileaks und die Snowden-Dokumente veröffentlicht wurden. Heute liegt im Investigativen Journalismus die große Hoffnung der Journalismus. Vier Größen beider Länder blicken zurück und nach vorn.

Panel „Was ist uns Recherche wert? – USA und Deutschland im Vergleich“ mit Georg Mascolo, Seymour Hersh, Moderatorin Brigitte Alfter, Monika Bäuerlein und Andrew Lehren (Foto: Wulf Rohwedder)

Deutsche Investigativjournalisten haben einen guten Ruf als die ‚vierte Macht‘, sind untereinander aber gnadenlos. Dagegen heisst es von den US-Amerikanern, sie wühlten im Dreck und hinterließen verbrannte Erde – allerdings würden sie untereinander stärker zusammenhalten. So weit die Vorurteile.

Trotz der verschiedenen Kulturen war die Tendenz in beiden Ländern lange Zeit eindeutig: Wer investigativ arbeiten wollte, musste es entweder in seiner Freizeit tun oder seine Arbeit im Hamsterrad verringern, um recherchieren zu können. Wegen Geldmangels und großer Orientierungslosigkeit verblasste der Recherchejournalismus neben vermeintlich ertragreicheren Gattungen. Sowohl in Deutschland, als auch in den USA lagen die Grabreden für den „research journalism“ bereits in den Schubladen. Weiterlesen

Dienstleister oder Newsmaker

Panel „Datenfeuerwerke: So gelingen Weltklasse-Visualisierungen“ mit Gregor Aisch, Moritz Stefaner, Sylke Gruhnwald und Benjamin Wiederkehr (v.l.n.r., Foto: Benjamin Richter)

Geht es nach Gregor Aisch, sind Grafiker nicht länger Dienstleister: Früher ließen sich Redakteure Infografiken für ihre fertigen Geschichten bauen, heute entstehen aus Infografiken Geschichten. „Das ist anders als bei einem Fotografen, der vielleicht doch primär die Aufgabe hat, ein Foto zum Text zu liefern“, sagt Aisch. Grafikredakteure wie Gregor Aisch sind selbstständiger und kreieren eigene Stories. Anders als der klassische Journalist starten sie nicht immer mit einer Recherchehypothese: Sie finden ihre Geschichten in den Daten. Weiterlesen

„Sie wissen bestimmt, worum es geht“

Panel „Überwachte Journalisten – Wenn Geheimdienste Pressefreiheit und Informantenschutz bedrohen“ mit Stefan Buchen, Andrea Röpke, Marie Delhaes und Moderatorin Julie Kurz (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Wenn Behörden Journalisten zum Zeugen machen wollen – abgehörte Reporter erzählen

Der Anruf kam im September und auf Rügen. Andrea Röpke stapfte gerade durch den Sand und suchte eigentlich den Museums-Eingang zum NS-Koloss Prora. Dann war da diese Nummer auf ihrem Display. Am anderen Ende der Leitung: Maren Brandenburger. Eine halbe Stunde redete sie, die Verfassungsschützerin aus Niedersachsen, mit ihr, der anerkannten Expertin für Neonazismus. Am Ende des Telefonats wusste die Journalistin Andrea Röpke, dass sie überwacht worden war. Eine Stunde blieb ihr da noch, um die richtigen Entscheidungen für ihre journalistische Zukunft zu treffen. Weiterlesen

Datenjournalismus – was ist das?

„Datenjournalist? – Soso.“ Wer sich mit diesem Beruf vorstellt, erntet leicht eine Mischung aus Skepsis und Bewunderung. „Die, die mit den Zahlen sprechen“ sind nicht nur manchen Feuilletonisten suspekt. Andere Kollegen wittern ein teures Modethema, das die letzten freien Ressourcen aus der Redaktion abziehen und sich dann von selbst erledigen könnte: Internetblase, Finanzblase – und nun die Datenblase?

Es spricht viel dafür, dass sich das Outing-Gefühl für Datenjournalisten tatsächlich bald erledigen wird, allerdings in einem anderen Sinne. Nicht, dass bald ein Heer von Gleichgesinnten an ihre Seite treten wird, die echte Liebe zum Zerlegen von Datensätzen für sich entdeckt haben. Sondern viel mehr, weil zumindest datenjournalistische Grundkenntnisse zur normalen Journalistenausbildung gehören werden. Weiterlesen

„Lasst euch nicht bange machen!“

Panel „Das Schweigen der Ämter II: Praxisberichte und Tipps zum Auskunftsrecht“ mit Hans-Wilhelm Saure, Stefan Wehrmeyer, Sebastian Mondial und Moderator Manfred Redelfs (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Wie Journalisten Informationen bei Behörden einholen können: Drei Praxisbeispiele

Die Internetseite von Stefan Wehrmeyer raubt Ministerialbeamten vermutlich den Schlaf. Mit „Frag den Staat“ hat der freie Journalist eine Plattform geschaffen, die Bürgern ermöglicht Informationen zu bekommen. Wehrmeyer hilft ihnen beim Quengeln und Nachhaken. Und das lohnt sich. Über 3000 Anfragen stehen mittlerweile auf dem Portal. Auch jene, die nicht von offizieller Seite beantwortet wurden, können für Journalisten interessant sein. So kann „Frag den Staat“ zur Themen-Fundgrube werden.

„Wir versuchen, ein offenes Archiv zu sein, und kämpfen dafür, Dokumente zu veröffentlichen“, sagt Wehrmeyer über seine Seite, die Nutzern hilft Zugang zu Informationen zu bekommen und Anfragen an Behörden zu stellen. Er erkennt aber auch ein Problem: „Oft fehlt Bürgern die Kraft auf Auskunftsanspruch zu klagen oder sich die Informationen auf anderen Wegen zu beschaffen.“ Weiterlesen

„Dann geht halt wat in die Binsen“

Panel „Finanzierungsmodelle – Geld für journalistische Projekte” mit David Schraven, Moderatorin Anna Marohn, Leonie Langer und Richard Gutjahr (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Guter Journalismus und damit Geld verdienen – wie man das online hinbekommt, darüber zerbrechen sich Verlagsmanager und Medienmacher seit Jahren die Köpfe. Bezahlschranken sind das Zauberwort – sie bedeuten auch im Netz für guten Journalismus zu bezahlen. Lösungen wie Mikrobezahlsysteme oder stiftungsfinanzierte Recherchen könnten neue Wege sein.

Man kann mit Journalismus im Netz Geld verdienen – Richard Gutjahr, Journalist und Blogger, will mit dem Münchner Startup-Unternehmen „LaterPay“ dafür den Beweis antreten. Erst nachdem Kunden eine bestimmte Menge an Artikeln konsumiert haben, rechnet die Software gebündelt ab. Grundsätzlich seien Leser nämlich bereit, für Inhalte im Netz zu zahlen – wenn die Qualität der Inhalte stimme. Weiterlesen

Was nun, Krautreporter?

Panel „Krautreporter – Erfolgreich finanziert – und jetzt?“ mit Eva-Maria Schnurr, Sebastian Esser und Moderator Boris Rosenkranz (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Sie wurden totgesagt, noch ehe die Deadline verstrichen war. Als sie es dann war, ist es doch gelungen: Die „Krautreporter“ gehen online. Sie wurden am Ende für fast alles kritisiert: für ein unschlüssiges Konzept, ein liebloses Design, sogar für den Namen. Herausgeber der Krautreporter Sebastian Esser versteht das, denn „wer den Hals aus dem Fenster steckt, muss damit rechnen, dass jemand mit Tomaten wirft“.

Einiges am Konzept ist tatsächlich revolutionär. Etwa, dass die Krautreporter auf Werbung verzichten, dass sie ein ausschließliches, eigenständiges Onlineprodukt erstellen. Und die Nähe zur Community: Jeder, der sich mit 60 Euro als Mitglied beteiligt hat oder es noch vorhat, ist Leser und potenzieller Ideengeber. Mit einem Fragebogen wird jedes Profil erfasst und analysiert – momentan etwa 17.500 – und so werden die Profile zu „einer riesigen Datenbank für uns“, sagt Esser. Der Arzt beispielsweise wird vom Leser zum Informanten und Vermittler von Kontakten zu Gesundheitsthemen. Die Bezahlschranke der Mitgliedschaft verschließt nur die Kommunikation zu den Krautreportern, nicht den Zugang zu den Inhalten. Die sind online frei zugänglich. Weiterlesen

Syrien: „Die Anteilnahme in Deutschland ist wirklich enttäuschend“

Panel „Syrien: Berichten unter Lebensgefahr – Die Lage der Journalisten in Syrien“ mit Majid al-Bunni und Christoph Reuter (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Statt Werbepausen sendet der syrische Exilsender Baladna FM praktische Tipps: Die Hörer lernen, wie man Wunden versorgt oder mit knappen Vorräten eine ganze Familie versorgt. Majid al-Bunni moderiert für das Programm eine Radioshow direkt aus Berlin.

Herr al-Bunni, sie berichten für die Menschen in Syrien, leben aber in Berlin. Wie bekommen Sie da überhaupt zuverlässige Informationen aus dem Kriegsgebiet?

Das kommt darauf an, wie ich die Menschen am besten erreichen kann: Über Skype, Facebook oder Telefon. Manchmal kann man sie auch persönlich treffen, zum Beispiel an der Grenze zur Türkei. So erfährt man die neuesten Nachrichten. Es hängt also mehr von ihnen als von uns ab. Wir machen viermal pro Woche ein Liveprogramm für je eine Stunde. Trotzdem habe ich manchmal schon am Wochenende bis nach Mitternacht im Studio gesessen, nur weil ich auf einen Anruf gewartet habe. Aber ich brauchte halt das Interview oder die Informationen, und anders bekomme ich sie nicht.

Ist das für ihre Interviewpartner nicht gefährlich? Weiterlesen

„Journalismus ist kein Verbrechen“

Antonia Rados: Von der Quotenfrau zur Kriegsreporterin

Eröffnungsrede „Von der Quotenfrau zur Kriegsreporterin“ mit Antonia Rados (Foto: Wulf Rohwedder)

„Stellen Sie sich vor, Sie wären jetzt rund 3.000 Kilometer südlich von hier,“ so die RTL-Auslandskorrespondentin in ihrer Eröffnungsrede. „Sie wären in Kairo. Die Polizei sammelt alle unsere Handys ein, wir werden alle verhaftet und sehen uns im Gefängnis wieder. Denn wir, Sie alle und ich, wir sind die ‘Terrorzelle NDR/nr’.“ So geschehen mit den Kollegen von Al Jazeera, die nichts anderes gemacht haben, als zu recherchieren und zu berichten, von der ägyptischen Justiz aber als „Terrorzelle Marriott“, benannt nach dem Kairoer Hotel, in dem sie arbeiteten, zu Gefängnisstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt wurden. Journalismus als Verbrechen. Aber, so Antonia Rados: „Journalismus ist kein Verbrechen.“

Die Kriminalisierung von Journalisten findet überall auf der Welt statt. In demokratischen Staaten zwar weniger, aber auch hier werden Maulkörbe erteilt, auch hier findet eine Diskriminierung statt. Und es seien nicht nur Menschen wie Edward Snowden, die verfolgt und angeklagt werden, sondern eben auch die berichtenden Journalisten und ihre Angehörigen. Beispiel: Die Verhaftung des Lebensgefährten vom Guardian-Journalisten Glenn Greenwald auf dem Londoner Flughafen. Weiterlesen

Syrien: Reporter an der Grenze

Panel „Syrien: Berichten unter Lebensgefahr – Die Lage der Journalisten in Syrien” mit Antonia Rados, Houssam Aldeen, Moderatorin Astrid Frohloff, Majid al-Bunni und Christoph Reuter (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Kriegsberichterstattung im 21. Jahrhundert ist ebenso wichtig wie fordernd. Im Gespräch berichteten erfahrene Reporter von Problemen und Chancen der Berichterstattung aus Syrien und dem Irak.

“Wir sind gereist wie im 17. Jahrhundert, zu Zeiten des 30-jährigen Krieges. Für die 300 Kilometer nach Hula haben wir 10 Tage gebraucht, es war ein kurviger Weg.” Ein Weg auf dem Rücken von Eseln, vermummt, auf verschlungenen Pfaden, von Checkpoint zu Checkpoint – Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter schildert seinen Weg nach Hula. Hier richtete der syrische Diktator Baschar Al-Assad vor mittlerweile zwei Jahren ein grausames Massaker mit chemischen Waffen an, mehr als tausend Menschen starben. Im Gespräch mit seiner Kollegin Antonia Rados (Kriegsreporterin RTL), dem politischen Aktivisten und Radiojournalisten Majid al-Bunni (Baladna FM) und dem Produzent und Stringer Houssam Aldeen (beide aus Syrien) diskutierte Reuter über die Berichterstattung unter Lebensgefahr. Moderiert von Astrid Frohloff (Reporter ohne Grenzen) boten die vier JournalistInnen einen eindrucksvollen Einblick in die Arbeit von Kriegsberichterstattern. Weiterlesen

Der Investigative (Andrew Lehren)

Andrew Lehren (Foto: Wulf Rohwedder)

Von der lokalen Sportberichterstattung bis zu Recherchen in Sachen NSA war es für Andrew Lehren ein weiter Weg. In einem Interview spricht er von einem „Turning Point“, als er 1988 zum ersten Mal eine Tagung der „Investigative Reporters and Editors“ besuchte.

Sein Glaube an die Zuverlässigkeit von Quellen war gebrochen. Er begann zunehmend investigativ zu recherchieren und Interessekonflikte seiner Quellen stärker zu berücksichtigen. Sprachgeschicklichkeit reiche eben nicht aus, um systematischen und verantwortungsvollen Journalismus zu realisieren, meint er. Bei der New York Times stellte er sich Herausforderungen auch emotional aufgeladener Themen wie Afghanistan, dem Irakkrieg und Guantanamo. Zuletzt berichtete er, wie die NSA über scheinbar harmlose Apps wie „Angry Birds“ die persönlichen Daten der Nutzer ausspioniert. Außerdem beschrieb er anhand von NSA-Dokumenten, wie die der US-Geheimdienst Hilfsorganisationen und ausländische Energiekonzerne ausspionierte. Inzwischen gibt er sein Wissen auch an der New Yorker City University weiter – etwa darüber, wie Journalisten Behördeninformationen und Datenbanken nutzen können.

Von Lehrens Erfahrungen profitieren die nr14-Teilnehmer in der Veranstaltung „Crunching the numbers: the secrets behind big data journalism projects“.

Die Datenleserin (Nicola Kuhrt)

Nicola Kuhrt (Foto: privat)

Die Arbeit als Einzelkämpferin gehörte für Nicola Kuhrt lange Zeit zum Alltag: Ihre Karriere begann sie nach einem Volontariat als Allein-Redakteurin im Wissenschaftsressort der Westdeutschen Zeitung. Inzwischen arbeitet sie als stellvertretende Wissenschaftsressortleiterin bei Spiegel Online mit einem ganzen Team – und engagiert sich mit weiteren Medizin-Journalisten in Projekten wie medien-doktor.de, einem Qualitätsmonitoring der Medizinberichterstattung.

Und auch wenn es bei ihr (neben dem Schwerpunkt Medizin) um Datenjournalismus geht, ist die Zeit als Einzelkämpferin längst vorbei. Gemeinsam mit Kollegen von Spiegel Online trägt sie auf dem Blog #datenlese (fast) alles zum Thema Daten zusammen. Weiterlesen

Die Gerichtsfeste (Jennifer LaFleur)

Jennifer LaFleur mit Moderator Mirko Lorenz im Panel „Best of Data-Driven Journalism – Ten things every data journalist should know“ (Foto: Wulf Rohwedder)

Ärzte in den USA verschrieben Rezepte für Markenpräparate, obwohl günstigere Varianten des gleichen Medikaments verfügbar gewesen wären. Dass dieser Missbrauch der öffentlichen Krankenkasse „Medicare“ viele Milliarden US-Dollar kostete, machte erst eine Recherche der Datenjournalistin Jennifer LaFleur und ihres Teams transparent. Aber egal ob Zahlen zu den Kosten im Gesundheitssystem oder eine Statistik zum Einsatz von Gefängniswärtern mit kriminellem Hintergrund: Beharrlich und mit viel Ausdauer kämpfte sich Jennifer LaFleur schon mehr als ein Dutzend Mal durch alle Rechtsinstanzen, um zum Beispiel wertvolle Daten zu erstreiten – ohne sich während langjähriger Prozesse einschüchtern oder gar durch Niederlagen vor Gericht entmutigen zu lassen. Sie arbeitete u.a. für die „Dallas Morning News“, die „San Jose Mercury News“ und „ProPublica“. Als Senior Editor für Datenjournalismus am Centre for Investigative Reporting gibt sie ihre Erfahrungen auch an junge Journalisten weiter. Weiterlesen

Die „Stadt in der Stadt“ geht online

Julia Jaroschewski und Sonja Peteranderl im Panel „Favelas Online – Digitaler Wandel der Armenviertel“ (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Lange waren die brasilianischen Favelas von der Außenwelt abgeschottet. Mit der wachsenden Nutzung von sozialen Medien bekommen nun auch die Bewohner der Armenviertel eine mediale Stimme. Mittendrin: Die beiden deutschen Journalistinnen Julia Jaroschewski und Sonja Peteranderl.

Sie nennen es die „größten Start-Ups von Lateinamerika“ – die Favelas. In den Armensiedlungen hat sich fernab von staatlicher Kontrolle eine eigene Welt entwickelt, die sich täglich neu erfindet – in einem Lebensalltag, der hauptsächlich durch Improvisation bestritten wird. Die Holzhütten wachsen zu Ziegelhäusern, Schicht um Schicht stapeln sich die Stockwerke bis zur Einsturzgefahr, der Strom wird aus den riesigen Kabelknäueln illegal angezapft. Bürgermeister der Favela sind die Drogengangs, die den Einwohnern zwar diktatorisch ihr eigenes Gesetz aufzwingen, aber nicht selten auch eine soziale Agenda verfolgen, zum Beispiel indem sie Medikamente zur Verfügung stellen. Weiterlesen

Alexa O’Brien über Chelsea Manning

Alexa O’Brien (Foto: Raphael Hünerfauth)

Du bist der Whistleblowerin Chelsea Manning in Deiner Arbeit rund um ihren Prozess so nahe gekommen wie sonst kaum jemand. Wer ist Chelsea Manning? 

Viele Leute wissen es nicht, aber tatsächlich habe ich noch nie direkt mit Chelsea gesprochen. Nur mit ihrem Anwalt. Es gab einen Briefwechsel zwischen uns. Aber so etwas wie eine Beziehung zwischen uns besteht nicht. Und trotzdem kann ich sagen, dass Chelsea in meinen Augen eine ernsthafte, junge amerikanische Soldatin war, die aus tiefer innerer Überzeugung heraus gehandelt hat. Jetzt, da das Militärtribunal zu Ende ist, darf sie sich wieder öffentlich äußern und ich bin sicher, wir werden noch viel von ihr hören.

Du hast vier Jahre lang 14 Stunden täglich an dem Fall gearbeitet. Außerdem bist Du während Deiner Arbeit an dem Prozess selbst in den Fokus der Geheimdienste geraten. Woher hast Du die Kraft für all das genommen?   Weiterlesen

Paul Myers: “I’m a researcher for the BBC”

Paul Myers (Foto: Raphael Hünerfauth)

Paul Myers Arbeit beginnt mit dem immer gleichen Satz: „Finde jemanden für uns.“ Wenn die Recherche für die meisten Journalisten beendet ist, zu schwierig, zu wenig Hinweise, dann fängt sie für Myers erst an. 

Myers ist Internetexperte, Rechercheur und Trainer bei der BBC. Früher wäre er ein klassischer Mann der zweiten Reihe gewesen. Jemand, der im Archiv wühlt, während die Journalisten die großen Geschichten schreiben und den Ruhm ernten. Aber heute hält jemand wie Myers Vorträge in Deutschland, Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden, mit hunderten Zuhörern.

Auch an diesem Freitagnachmittag steht Myers auf einer Bühne, die Sitze vor ihm sind bis auf den letzten besetzt. Myers trägt ein St.-Pauli-Trikot, am Bauch spannt es ein wenig. Ein Zuschauer hat Bedenken: Müsse Myers denn nicht erwähnen, dass jedes Mal, wenn jemand mit Hilfe von google recherchiert, die NSA mithöre? Stimmt, sagt Myers. Einmal habe er eine Geschichte über britische Verteidigungspolitik recherchiert. Er war der IP-Adresse des Verteidigungsministeriums auf der Spur, als sein Handy anfing zu klingeln. Eine halbe Minute klingelte es, bis er auf Google ging und in die Tastatur tippte: „I’m a researcher at the BBC.“ Myers grinst: „Dann ging das Telefon aus.“ Ungläubige Pause. Das Publikum lacht. Weiterlesen

„Man muss die eigene Expertise breiter vermarkten”

Panel „Lasst uns über Geld reden – Neue Modelle für Freie im Ausland“ mit Sonja Volkmann-Schluck, Sandra Zistl, Birgit Svensson, Ulrich Krökel und Moderatorin Gemma Pörzgen (v.l.n.r., Foto: Benjamin Richter)

Es ist hart, als freier Auslandsjournalist von der Arbeit leben zu können. Im Panel „Lasst uns über Geld reden – Neue Modelle für Freie im Ausland“ diskutierten freie Reporter und Gründer zum Thema. Klar wurde dabei: Nicht jedes Modell kommt bei jedem gut an.

Falls noch jemand im Raum Illusionen gehabt haben sollte – Ulrich Krökel räumte sie aus dem Weg. „Dass es bei mir klappt, ist ein glücklicher Einzelfall“, stellte der Journalist klar, der seit vier Jahren in Warschau als freier Osteuropa-Korrespondent arbeitet. Krökel hat einen großen Pool an Redaktionen, die seine Artikel regelmäßig kaufen, darunter Zeit Online, Spiegel Online und etwa 20 Regionalzeitungen. Als er nach Warschau kam, war Staatspräsident Lech Kaczynski gerade bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen – ein tragisches Unglück, das sich für Krökel zynischerweise als berufliches Glück herausstellte: Die Folgeberichterstattung erleichterte ihm den Einstieg. Weiterlesen

Journalismus aus der Luft – lohnen Drohnen?

Live-Vorführung im Panel „Lohnen Drohnen? – Journalismus von oben“ (Foto: Raphael Hünerfauth)

Mit einem Piepsen startet der Motor, rote und blaue Lichter leuchten an den Rotoren auf. Mit einem lauten Brummen hebt die Maschine von  Fabian Werba ab: Sein Oktokopter – acht Rotoren, kreisförmig angeordnet, 20.000 Euro wert – steht in der Luft. Was die Kamera der Drohne 80 Meter über dem Boden einfängt, flimmert über den Bildschirm von Elke Thimm, Werbas Geschäftspartnerin. Sanft bewegt sich die Drohne über das NDR-Gelände. Von unten faszinierte Blicke: Schon viel haben Zuschauer von den unbemannten Flugobjekten gehört und auch darüber berichtet. Live und aus nächster Nähe betrachtet haben sie jedoch nur wenige. Die Vorführung beeindruckt die 15 Teilnehmer der Präsentation von Datenjournalist Lorenz Matzat, Blogger Max Ruppert und Drohnenpilot Fabian Werba sichtlich, stößt allerdings auch auf Skepsis.

„Lohnen Drohnen?“ – fragte Autor und Dozent Bernd Oswald in dem von ihm moderierten Panel. Die Vorführung zeigte: Technisch können die Drohnen viel. Mit Kameras ausgerüstet starten sie zu atemberaubenden Aufnahmeflügen, wie das jüngste Projekt Werbas und Thimms zeigt, bei dem sie ihre Drohne für eine Reportage über die Plattenbauten des Märkischen Viertels in Berlin ziehen ließen. Während die Aufnahmen problemlos liefen, waren innerhalb weniger Minuten mehrere Beschwerden bei der Polizei eingegangen. „Ich kann das verstehen, so ein Teil sieht ja schon bedrohlich aus“, sagt Werba. Weiterlesen

Die gefallenen Engel

Panel „Die Entlarvung des ADAC – Wie Journalisten einen Giganten stürzten“ mit Uwe Ritzer und Julia Stein (Foto: Benjamin Richter)

Sprach man in den letzten Jahren vom ADAC, so sprach man von einem Club mit 19 Millionen Mitgliedern. Knapp 25 Prozent der deutschen Bevölkerung also. Eine Marke, der man blind vertraute: Wenn der ADAC sagte, der Kindersitz sei sicher, dann war er das auch. Der Autoclub war wie Nivea, er brauchte keine Marketingstrategie. Wer mit dem Auto liegen blieb, konnte sicher sein, dass die Gelben Engel kommen und helfen.

Nach den Enthüllungen der letzten Monate ist dieses blinde Vertrauen in den ADAC deutlich erschüttert, sagen zwei Journalisten, die die Aufdeckungen ins Rollen gebracht haben. Auf der nr-Tagung in Hamburg erzählen Uwe Ritzer und Bastian Obermayer (beide Süddeutsche Zeitung) vom Beginn ihrer Recherchen, der Informantensuche und warum sie selbst mit der heftigen Reaktion der Medienöffentlichkeit nicht gerechnet haben. „Mit der ganzen Seite Drei der SZ war uns schon klar, dass die Geschichte Aufmerksamkeit bekommt. Aber es waren keine Breaking News, die dringend auf die erste Seite gehört hätten“, sagt Uwe Ritzer. Weiterlesen

„Seien Sie lästig!“

Es gibt zu wenige fest angestellte Auslandskorrespondentinnen. Doch sind dafür verkrustete, männliche Machtstrukturen verantwortlich? Oder müssen die Frauen lauter Wort ergreifen, wenn sie ins Ausland möchten? 

Unter den leitenden Auslandsreportern der ARD sind nur 20 Prozent Frauen, beim ZDF ist es gerade mal jede Sechste. Das ist problematisch, findet Spiegel-Redakteurin und ProQuote-Vorsitzende Annette Bruhns, würden doch gerade im Ausland „Karrieren gestartet und gemacht“. Antonia Rados kann das bestätigen. Als sie in den 1970er-Jahren beim ORF einstieg, seien für Frauen in den Medien Karrieren nicht vorgesehen gewesen. „Als ich jung war, musste man sich als Frau Lücken schaffen, seinen eigenen Job kreieren.“ Rados ging auf eigene Faust ins Ausland, wurde Korrespondentin in Südamerika, Afrika und im Nahen Osten. Dort wurde sie zur preisgekrönten Kriegsreporterin. Dass die Auslandspositionen im Journalismus auch heute noch eine Männerdomäne sind, hat für Rados eine klare Ursache: „Im Kreis der Macht“, wo Personalentscheidungen getroffen werden, seien noch immer hauptsächlich Männer vertreten. „Seilschaften spielen eine große Rolle“, sagt Rados. Weiterlesen

Enthüllungsjournalismus in der Ukraine

Kateryna Kapliuk (Journalistin, Mitbegründerin von Yanukovychleaks) im Panel „YanukovychLeaks – Die Spurensuche in den Akten des ukrainischen Ex-Präsidenten“ (Foto: Wulf Rohwedder)

22. Februar 2014: Hunderte Ukrainer stehen vor den schweren Eisentoren der Mezhyhirya, der privaten Residenz des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Am Morgen nach seiner Flucht wollen sie sehen, wie verschwenderisch ihr Präsident wirklich gelebt hat. Andere wollen es genauer wissen und nicht nur die Verschwendung, sondern auch die Intrigen Janukowitschs aufdecken. Yanukovychleaks wird die Ukrainer in Aufruhr versetzen.

Am Abend seiner Flucht lässt Janukowitsch tausende Dokumente in den See vor seinem Haus werfen, um seine Spuren zu verwischen. Taucher fischen die Unterlagen wieder heraus, Journalisten und freiwillige Helfer beginnen sofort, die Dokumente zu trocknen und einzuscannen. Schon zwei Tage später laden sie die ersten der insgesamt 25.000 Dokumente auf www.Yanukovychleaks.org. Die Journalisten werten die Dokumente aus, verschaffen sich langsam einen Überblick darüber, wie Janukowitsch sich seine Residenz finanziert hat — bei einem Jahresgehalt von 83.000 Euro.

Nach und nach enttarnen sie das Netz des Janukowitsch-Clans. Wöchentlich erscheinen neue Artikel auf der Website, vor allem über die Geschäftsbeziehungen der Familie zu ukrainischen Oligarchen. Bereits am ersten Tag hat die Website zwei Millionen Klicks. Und Yanukovychleaks beeinflusst die ukrainische Politik, genauso wie es den Journalismus verändert. Vor dem Projekt seien Medienkooperationen in der Ukraine kaum ein Thema gewesen, sagt Kateryna Kapliuk, Mitbegründerin von Yanukovychleaks (Foto). Durch das Projekt habe auch andernorts die Zusammenarbeit zugenommen. Den Journalisten sei bewusst geworden, dass einer alleine niemals 25.000 Dokumente auswerten kann. „It was a very good school.“

Mittlerweile setzt sogar die Staatsanwaltschaft auf die Hilfe von Journalisten bei der Auswertung der Daten. Und Politiker werden nervös. Sie wissen, dass auch sie in den Fokus geraten können, wenn sich die politische Situation verändert. „They all have something to hide. The politicians should be more transparent“, fordert Kapliuk deshalb.
Sie glaubt, dass die ukrainischen Journalisten mutiger und immer mehr zu Kontrolleuren der Politik werden.

Ihre Rolle wollen die Gründer von Yanukovychleaks jetzt nutzen und ihre investigative Arbeit auf die aktuelle Politik ausweiten. Yanukovychleaks soll nur der Anfang sein.

Gülen-Bewegung: Wie recherchieren, wenn keiner reden will?

Panel „Gülen und die Medien – Mit Shitstorms und Seilschaften gegen kritische Journalisten” mit Cornelia Uebel, Moderator Steffen Grimberg und Volker Siefert (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Die religiös ausgerichtete Fethullah-Gülen-Bewegung, die unter anderem eigene Schulen unterhält, klinge doch eigentlich ganz harmlos, eher liberal, sagt ein Mann im Publikum. Warum sich die Dokumentarfilmerin Cornelia Uebel und der Redakteur Volker Siefert vom Hessischen Rundfunk ausgerechnet auf dieses Thema gestürzt hätten?

Die beiden Journalisten sitzen in einer Gesprächsrunde mit dem Titel “Gülen und die Medien”. Cornelia Uebel antwortet: Die Gülen-Bewegung, die nach außen einen moderaten Eindruck mache, sei intransparent. “Bei einem katholischen Kindergarten steht im Namen oder in einer Unterzeile, dass er katholisch ist, und ich weiß, welche Werte dort vermittelt werden. Die Gülen-Schulen versuchen zu verschleiern, dass sie mit der Bewegung zu tun haben.” Das habe sie neugierig gemacht, denn immerhin seien es Kinder und Jugendliche der Bundesrepublik, die diese Schulen besuchten. Eigentlich wollte sie also nur wissen, was dort überhaupt geschehe. Mittlerweile beschäftigt sich die Journalistin seit zwei Jahren mit dem Thema. Weiterlesen

Mut zum Scheitern

Pauline Tillmann im Panel „Per Crowdfunding zur Geschichte – Der flammende Tibeter” (Foto: Raphael Hünerfauth)

Ein Mönch, der in Flammen steht: Dieses Bild aus der „Spiegel Online“-Jahreschronik geht der Auslandskorrespondentin Pauline Tillmann tagelang nicht aus dem Kopf. Warum zündet sich jemand selbst an? Die Reporterin will Antworten. Für die Recherchereise benötigt sie allerdings 3500 Euro. Geld, das ihr keine Redaktion geben will. Da versucht sie es mit Crowdfunding.

„Ich hatte keine Ahnung wie man das macht, das war alles Learning-by-doing“, sagt sie heute. Klar habe sie Fehler gemacht: Ihr Pitch-Video war doppelt so lang wie empfohlen, die Prämien für Unterstützer nicht optimal. Ihr Aufruf stand 53 Tage online, üblich sind 20 bis 30 Tage. Ihre Werbekanäle Twitter und Facebook lieferten kaum Erfolge, und eine Woche vor Ende ihrer Sammelaktion hatte sie zwar 37 Unterstützer, aber immer noch 2000 Euro zu wenig in der Kasse. „Ich begann innerlich mit dem Projekt abzuschließen“, erinnert sich Tillmann. Weiterlesen

Massenüberwachung: Wissen ist Macht

Panel „Pressefreiheit in Zeiten der Massenüberwachung – Netzdissidenten im Exil berichten” mit Alexa O’Brien, Moderator Christian Mihr und Sarah Harrison (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Eine Veranstaltung, zwei Frauen, zwei Fragen und das Thema Pressefreiheit in Zeiten der Massenüberwachung. Alexa O’Brien und Sarah Harrison sind Expertinnen auf einem Gebiet, das zum Thema einer ganzen Generation geworden ist: Staatliche Massenüberwachung. Ihre Namen sind aufs Engste verbunden mit Wikileaks und den beiden prominentesten Whistleblowern unserer Zeit: Chelsea Manning und Edward Snowden.

Die Britin Harrison arbeitet für Wikileaks und begleitete Snowden mehrere Monate lang, bis er in Russland Asyl erhielt. Die US-Amerikanerin O’Brien machte sich unter anderem durch ihre Berichterstattung über den Gerichtsprozess gegen die Soldatin Manning einen Namen. Heute leben O’Brien und Harrison in Berlin. Weiterlesen

„Wir dürfen nicht aus Faulheit autorisieren lassen“

In der Diskussion um die Autorisierung von Interviews kamen vier Referenten mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen zusammen. Ihre gemeinsame Aussage: Es gibt kein eindeutiges Ja oder Nein zum Thema Autorisieren, sondern man muss je nach Situation differenzieren.

Der stellvertretende Spiegel-Chefredakteur Martin Doerry berichtete, dass sein Magazin bei Interviews mit Politikern immer eine Alternativ-Geschichte auf Vorrat habe. Man müsse Gespräche auch wegwerfen können, wenn sie durch die Autorisierung zu sehr verwässert würden. Zuweilen informiere der Spiegel auch seine Leser, wenn jemand nachträglich Aussagen zurücknimmt. Je renommierter die Interviewpartner, desto schwieriger gestalte sich meist die Autorisierung.

Monika Bäuerlein vom amerikanischen Magazin Mother Jones erzählte, dass sich auch in den USA die Autorisierung von Zitaten immer mehr durchgesetzt habe. Dabei sei eine solche Praxis früher undenkbar gewesen; jetzt lasse sie sich jedoch nicht mehr zurücknehmen. Bei Mother Jones werden lediglich die Fakten mit dem Interviewten noch einmal durchgesprochen, die Kontrolle über die Zitate bleibt beim Journalisten. Weiterlesen

Ein Leben in Heimlichkeiten

Panel „Von wegen normal! – Hitzlspergers Coming-Out in den Medien” mit Moritz Müller-Wirth, Moderatorin Caren Miosga, Carolin Emcke und Thomas Krüger (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Es war ein Sonntag, als der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger den damaligen Feuilleton-Chef der ZEIT, Moritz Müller-Wirth, um ein Gespräch bat. Der Spieler, damals beim VfL Wolfsburg, offenbarte dem Journalisten an diesem Tag seine Homosexualität – und den Plan, sie irgendwann öffentlich machen zu wollen. Eine Wahnsinnsstory, auf die Medien seit Jahren gewartet hatten.

Müller-Wirth weiht seine Kollegin Carolin Emcke ein. Beide raten Hitzlsperger von einem öffentlichen Coming-Out ab. „Solange nicht geklärt war, ob er persönlich und professionell abgesichert ist, wollten wir das nicht publik machen“, sagt Müller-Wirth heute. In Großbritannien habe sich damals ein junger Spieler aus der Premier League zu seiner Homosexualität bekannt. „Er wurde anschließend so massiv gemobbt, dass er sich das Leben nahm“, begründet Emcke die Vorsicht. Weiterlesen

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