Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 178, 23.10.2019
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
ein Editorial ist ja eher ein Ort, an dem es darum geht, nach vorn zu blicken. Aber dieses Mal lohnt es sich, in die Vergangenheit zu schauen: Unsere große globale Konferenz liegt hinter uns, 1700 Journalisten aus 130 Ländern waren da, mehr als 400 Referenten berichteten von ihrer Arbeit und teilten ihre Erfahrungen. Für uns als Geschäftsstelle und Vorstand von Netzwerk Recherche war es ein einmaliges Erlebnis, so eine Riesenveranstaltung auszurichten – und wir sind überwältigt von den begeisterten Rückmeldungen, die wir bislang bekommen haben. Besonders froh waren wir, dass auch viele Vereinsmitglieder und regelmäßige Gäste unserer Jahreskonferenz dabei waren, als Referenten und als Teilnehmer.
Jeder Konferenzbesucher hat wohl Momente, die ihn besonders bewegt haben. Von den Kolleginnen und Kollegen aus den Philippinen und aus Pakistan, aus Osteuropa, aus Lateinamerika zu hören, mit welchen Problemen sie kämpfen, wie sie mit Rechtspopulisten, Autokraten und Regierungen umgehen müssen, die die Pressefreiheit mit Füßen treten und die recherchierende Journalisten diffamieren, macht zwei Dinge klar: Einerseits, unter welchen ungleich schwierigeren Umständen viele Kollegen arbeiten müssen, etliche in berechtigter Sorge um die eigene Sicherheit. Und dass andererseits die Struktur der Probleme, mit denen die Kollegen kämpfen, durchaus denen ähnelt, mit denen der Journalismus auch in Deutschland konfrontiert ist: ein Vertrauensverlust in Medien, gezielte Desinformation, eine auch durch soziale Medien fragmentierte Öffentlichkeit.
Die charismatische philippinische Chefredakteurin Maria Ressa sprach in ihrer Rede zur Verleihung des Shining Global Light Award über die großen Fragen, die unsere Branche berühren: “den Kampf um die Wahrheit, die Rolle der amerikanischen Plattformen der sozialen Medien und was wir tun können”. Der Kampf um die Wahrheit, so sagte Ressa, sei der Kampf unserer Generation, einer in dem es letztlich darum gehe, die Demokratie zu bewahren. “Mit Technologie als Beschleuniger wird eine Lüge, die eine Million Mal erzählt wird, zur Wahrheit.” Sie erklärte, dass Philippinos mehr Zeit in sozialen Medien verbrächten, als Bürger aller anderen Nationen und man deswegen dort etwas über “die dystopische Zukunft der Demokratie” lernen könne. Es lohnt sich diese Rede zu lesen oder noch besser anzuschauen, weil es klar macht, wo auch für deutsche Journalisten eine ganz große Frage liegt.
Eine zweite wichtige Erfahrung der Konferenz: Uns verbinden weltweit nicht nur die Probleme, uns verbindet auch unser Handwerk. Das wurde zum Beispiel klar, als Musikilu Mojeed, Chefredakteur der Premium Times aus Nigeria, darüber sprach, was einen guten Ressortleiter ausmacht und wie man eine investigative Geschichte druckreif bekommt. Oder als Marina Walker vom Konsortium ICIJ, das die Panama Papers enthüllte, auf demselben Panel erzählte, welche Fragen sie stellt, um herauszufinden, ob es sich lohnt, eine aufwendige Recherche zu beginnen. Unsere Werte und Grundprinzipien sind überall auf der Welt gleich und es begeistert, an den Erfahrungen der Kollegen teilhaben zu können. Und nicht zuletzt hat angespornt, wie viele kleine Redaktionen, manche mit weniger als zehn Journalisten, von ihren großartigen Enthüllungen berichten konnten.
Beim netzwerk machen wir jetzt weiter mit unserer Fachkonferenz am 29. und 30. November in Tutzing, “Was Journalismus aus den Täuschungsfällen lernen muss”. Dort wollen wir den Blick auf unsere eigenen Schwachstellen lenken und diskutieren, was wir aus den Skandalen in der Branche lernen können. Anmeldungen sind noch willkommen.
Es grüßen
Cordula Meyer,
Albrecht Ude Weiterlesen