Gegenrede zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2011

Austerpreisträger: die vier deutschen Kernkraftwerksbetreiber  RWE, EnBW, Vattenfall und EON
Redner: Dr. Guido Knott (EON)
Hamburg, 2. Juli 2011

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr verehrte Vergabejury,
sehr geehrter Herr Prantl,

vielen Dank zunächst für Ihre Aufmerksamkeit, heute in den kommenden 10 Minuten und überhaupt, was unsere Arbeit in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten angeht.
Mein Name ist Guido Knott. Ich verantworte seit gut einem Jahr die Kommunikations- und Politikarbeit des E.ON-Konzerns, und ich spreche stellvertretend für die vier Unternehmen, denen Sie die Auszeichnung oder besser Kennzeichnung zugedacht haben.
Sie können sich vorstellen, dass es bessere Zeiten oder auch schönere Jobs für einen Kommunikationschef gibt, als insbesondere in den vergangenen vier Monaten für eines der vier Betreiberunternehmen zu arbeiten. Aber das ist kein Werben um Ihr Mitleid oder etwa Resignation, sondern schlichtweg eine Vorbemerkung.
It´s all about perception. Mit dieser Einstellung sind meine drei Kollegen und ich heute zu Ihnen gekommen. Unter der festen Annahme, dass die Preisverleihung nicht bloß dem allgemeinen Mainstream folgt, den vermeintlich Aussätzigen noch einmal einen mitzugeben, noch einmal drauf zu hauen, weil es so schön ist und weil man  wohl automatisch die Richtigen trifft.
Die Begründung lässt nicht unmittelbar darauf schließen, aber ich bleibe einfach bei meiner Unschuldsvermutung, dass es Ihnen nicht darum geht, uns als Sündenbock hinzustellen, dem man alle Schuld – welche und woran auch immer – zuschiebt, den man wie das historische Vorbild in die Wüste verjagt oder schreibt und damit alles – was auch immer – löst. Bestimmt geht es Ihnen um die Sache, um eine kritische Auseinandersetzung mit einem komplexen Thema. Und weil das sicher so ist, setze ich mich gern mit den vorgebrachten Kritikpunkten und deren Erfüllung bzw. Nichterfüllung als Bedingung für die Auszeichnung auseinander.
Um was geht es also? Was prädestiniert uns für eine verschlossene Auster? In der Rede von Herrn Prantl habe ich eine ganze Reihe von Rechtfertigungen gehört. Er hat ja sehr deutlich gesagt, dass der Preis mit seiner ursprünglichen Intention gar nicht zu uns passt. Wir kriegen ihn ja offensichtlich nicht, weil wir Auskunft verweigert haben. Es dürfte kaum jemand im Saal sein, der in der jüngsten Zeit nicht in irgendeiner Weise mit uns Kontakt hatte, wenn er es denn wollte – und in dem Fall selbstverständlich eine Auskunft von uns erhalten hat.
Wenn wir Herrn Prantl folgen, haben wir „wie der Teufel“ kommuniziert. Unheimlich viel, das aber gefährlich einseitig, marktmächtig und Gefahren verharmlosend.
Wenn eines völlig klar geworden ist in den ganz überwiegend politischen Bekenntnissen von Herrn Prantl, dann, dass Ihr Preis und unsere Kommunikationsarbeit rein gar nichts miteinander zu tun haben. Offenbar sollten wir ihn aber unbedingt erhalten, auf Teufel komm raus eben. Worauf Sie kurzerhand alle Vergabekriterien über Bord geworfen und neue definiert haben. Was nicht passend ist, wird passend gemacht. Beeindruckend, wie sehr Sie, Herr Prantl, und die Vergabejury sich hier von rein politischen Motiven haben leiten lassen. Nur schade um den Preis, der damit zum Spielball politischer Interessen einiger Verlage und Meinungsmacher verkommt.
Dem flammenden Plädoyer gegen die Kernenergie bin ich aufmerksam gefolgt. Neues habe ich dabei nicht gehört. Lauter alte Klischees, lauter Halbwahrheiten, lauter Stimmungsmache – also genau die gefährliche Einseitigkeit, die uns vorgehalten wird. Mit einem entscheidenden Unterschied: Sie geben sich den Deckmantel journalistischer Objektivität.
Stichwort Objektivität. Wie objektiv, wie seriös sind eigentlich Medien, die Feindbilder schüren? Neuerdings werden wir ja gern „Atomkonzerne“ genannt.  E.ON zum Beispiel hat in etwa so viel Erzeugungskapazität in Erneuerbaren Energien wie in Kernkraft. „Erneuerbarer Energien-Konzern“ klingt aber – zugegeben – etwas holprig, und wirklich reiben kann man sich daran auch nicht. Da macht ein  „Atomkonzern“ schon mehr her. Sicher nur zufällig wird mit diesem Begriff auch vieles einfacher: Hier die „Atomkonzerne“, da der Rest der Republik. Wenige Böse, viele Gute – alles klar. Und wer zu den Bösen gehört, hat natürlich auch keine Rechte mehr. Wenn ich Herrn Prantl richtig verstehe, sollen nicht Gerichte darüber entscheiden, ob man uns Steuermilliarden abnehmen und unsere Kraftwerke ohne Entschädigung stilllegen darf. Das hat ja die Vergabejury der „verschlossenen Auster“ schon getan. Nichts gegen Medien als vierte Gewalt im Staat, aber es gibt da noch drei andere! Und wie jedem Bürger, steht es auch uns frei, die dritte davon anzurufen, wenn wir unsere Rechte verletzt sehen.
Zu diesem Bild passt ganz hervorragend der Vorwurf des angeblich beispiellosen Lobbying-Einflusses bei der Laufzeitverlängerung. Festgemacht wird das ja vor allem an der ganzseitigen Anzeige mit dem Titel „Energiezukunft für Deutschland“. Aber dafür die verschlossene Auster? Offener als mit einer Anzeige kann man ja kaum deutlich machen, wofür man steht.
Die anschließende Berichterstattung hatte mit dem wirklichen Inhalt der Anzeige kaum noch etwas zu tun. Die großen Bösen hatten es gewagt, ihr Teufelszeug in aller Öffentlichkeit zu propagieren. Also her mit dem Pranger. Natürlich kann man die Anzeige kritisieren, das Instrument an sich, deren Inhalt oder beides. Aber mit Intransparenz – und die ist ja eines der Vergabekriterien für Ihren Preis – hatte auch das nun wirklich nichts zu tun.
Natürlich vertreten wir unsere Interessen, auch gegenüber den Medien. Und natürlich vertreten wir dabei auch Positionen, von denen wir wissen, dass viele sie nicht teilen. Dass viele Menschen – aus welchen Gründen auch immer – gegen die Kernenergie sind, war uns immer klar. Dafür haben wir auch Verständnis. Aber: Ist es wirklich ein kommunikatives Vergehen, wenn wir unsere Position vertreten? Gehört es nicht gerade zum Wesen eines demokratischen Gemeinwesens, unterschiedliche Meinungen und Positionen zu vertreten und zu diskutieren? Dass wir von der Sicherheit unserer Anlagen überzeugt sind, daran konnten auch die verheerenden Entwicklungen in Fukushima nichts ändern. Und mit Verlaub, das öffentliche Eintreten für die Sicherheit unserer Anlagen mag zwar nicht allen gefallen. Aber, dass wir mit diesen Positionen nicht den Mainstream der veröffentlichten Meinung treffen, kann die „Auszeichnung“ eigentlich auch nicht rechtfertigen.
Last but not least wird in der Preisbegründung unser jahrzehntelanges Bemühen  angeführt, die Atomkraft als sicheren und besonders effizienten Weg der Energieversorgung darzustellen. Hierum haben wir uns in der Tat bemüht Aber Mühen reicht ja oftmals nicht aus. Und so muss man, zumindest wenn man vom Ende denkt, feststellen, dass unsere Kommunikation hier nicht erfolgreich war.
Vielleicht ist bereits die Vorstellung Utopie, dass es überhaupt jemals hätte möglich sein können, über das Angstthema Kernenergie ausgewogen und  rational zu diskutieren. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Fakt ist heute: Deutschland steigt aus der Kernenergie aus, das ist breiter politischer Mehrheitswille. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren.
Ob dieses Ergebnis durch mehr, andere oder gar bessere Kommunikation zu verhindern gewesen wäre, bleibt Spekulation. Aber das hätte Ihnen dann ja erst recht nicht gepasst. Dass wir mit der Kommunikation letztendlich nichts erreicht haben, ist leider eine Tatsache. Dass wir uns zumindest bemüht haben, sprechen Sie uns nicht ab. Dass bereits das Bemühen ein Kritikpunkt ist, der zur Preisverleihung rechtfertigt, haben Sie entschieden.
Daher bleibt für mich unterm Strich ein Preis, den es zu verleihen galt für ein Thema, an dem kein Medienvertreter vorbeigehen konnte – mit einer Begründung, die nur dann nachvollziehbar ist, wenn man das Vertreten von Positionen, die aus Sicht der Vergabejury politisch falsch sind, als preiswürdiges Verhalten betrachtet. Den Preis der „verschlossenen Auster“ nehme ich daher entgegen, aber nicht an.
Aber: It´s all about perception: Der Kritikpreis soll einen offenen Umgang mit den Medien bewirken. Wenn es uns in der Vergangenheit noch nicht bei allen von Ihnen gelungen ist, dies zu beweisen, soll unser Kommen und das Nichtwegtauchen ein Beleg dafür sein, dass wir es mit der Offenheit ernst nehmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!